E-Book, Deutsch, 260 Seiten
Wulf Pragmatische Bedingungen der Topikalität
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8233-0166-0
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zur Identifizierbarkeit von Satztopiks im Deutschen
E-Book, Deutsch, 260 Seiten
ISBN: 978-3-8233-0166-0
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auch neuere pragmatisch orientierte Ansätze zur Informationsstruktur greifen für die Explikation der Satztopik-Kategorie auf die traditionelle Unterscheidung von Satzgegenstand und Satzaussage zurück und deuten das Satztopik unter Rückgriff auf bestimmte kognitive und kommunikative Strukturierungsprinzipien als Bestandteil der sogenannten Aboutness-Relation: Prädizierende Sätze lassen sich aufgliedern in dasjenige, worüber etwas ausgesagt wird, und dasjenige, was darüber ausgesagt wird. Ausgehend von der These, dass es im Deutschen keine explizit ausgewiesene syntaktische Position für Satztopiks gibt, geht dieser Band der Frage nach, welche diskursiven Bedingungen für die Aboutness-Relation vorausgesetzt sein müssen und über welche Eigenschaften Diskursreferenten mit Topikstatus verfügen.
Detmer Wulf ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Germanistische Sprachwissenschaft am Institut für Germanistik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Autoren/Hrsg.
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1 Einleitung
Terminological profusion and confusion, and underlying conceptual vagueness, plague the relevant literature to a point where little may salvageable. (Levinson 1983, x) Diese Arbeit widmet sich der Kategorie des Satztopiks, für die innerhalb funktional-grammatischer Ansätze häufig (mehr oder weniger verdeckt) die traditionelle Unterscheidung von Satzgegenstand und Satzaussage zugrunde gelegt wird. Der Satztopik-Kategorie liegt die Idee zugrunde, dass sich (prädizierende) Sätze aufgliedern lassen in dasjenige, worüber etwas ausgesagt wird und dasjenige, was darüber ausgesagt wird. Diese Unterscheidung kommt auch in Hocketts einflussreicher Topik-Definition zum Ausdruck: „The most general characteristic of predicative constructions is suggested by the terms ‘topic’ and ‘comment’ for their ICs: the speaker announces a topic and then says something about it“ (Hockett 1958, 201). Hockett geht es hierbei jedoch nicht um eine Identifizierung der Topik/Kommentar-Unterscheidung in der Subjekt-Prädikat-Struktur – so wie etwa in (1), wo Topik und Subjekt zusammenfallen; denn eine ganze Reihe von Fällen – so wie bspw. in (2) – lassen auch andere Deutungen zu (vgl. Hockett, ebd.): (1) John ran away. (2) That new book by Thomas Guernsey I havent’t read. Hockett deutet die vorangestellte Objektkonstituente als Topik, den restlichen Teil als Kommentar und somit prädizierenden Bereich des Satzes, der hier auch noch das Subjekt enthält. Dies ist natürlich alles andere als eine neue Entdeckung. Schon die traditionelle Unterscheidung von psychologischem vs. grammatischem Subjekt bzw. Prädikat (vgl. etwa Paul 1880) beruhte auf der Beobachtung, dass sich auch andere Satzglieder als das Subjekt als das ‚Worüber‘ eines Satzes deuten lassen. Aus den Kategorien psychologisches Subjekt und psychologisches Prädikat ist dann in der weiteren Entwicklung u.a. die Thema/Rhema-Dichotomie der sogenannten ‚Funktionalen Satzperspektive‘ hervorgegangen (als historischen Überblick vgl. Daneš 1974), deren Ziel es war, Wortstellungsvarianten funktional zu beschreiben und die Voranstellungen von Objektkonstituenten, so wie etwa die in (2), als Indikator für Thematizität gedeutet hat. An diese Tradition schließen auch zeitgenössische, pragmatisch orientierte Ansätze an (etwa Gundel 1988b, Lambrecht 1994), die den Topik-Begriff – auch unter Rückgriff auf bestimmte kognitiv-kommunikative Prinzipien – als Bestandteil der sogenannten Aboutness-Relation deuten. Die Topik-Kategorie stellt sicherlich, zusammen mit ihren Komplementär-Kategorien ‚Fokus‘ oder ‚Kommentar‘, eine der zentralen informationsstrukturellen Kategorie-Konzepte dar, trotz der von Levinson beklagten Terminologie-Fülle – und vielleicht auch Verwirrung (siehe das oben vorangestellte Zitat aus Levinson 1983). Der Grund für diese Terminologie-Fülle mag auch in den unterschiedlichen analytischen Zugriffen liegen. So zielen einige Ansätze mit ihren terminologischen Unterscheidungen zunächst primär auf die Benennung oder Beschreibung bestimmter syntaktischer Strukturen ab. Dies ist etwa der Fall in Diks (1981) Unterscheidung zwischen ‚Theme‘ und ‚Topic‘, die er für die Analyse von Satz-Konstruktionen mit Linksherausstellungen in Anspruch nimmt. Während ‚Topic‘ als Bestandteil der Subjekt-Prädikat-Struktur des Matrix-Satzes bestimmt ist, wird ‚Theme‘ auf die nach links herausgestellte Konstituente bezogen.1 Ein weiteres Beispiel ist Vallduvis (1992) link-Begriff, mit dem er auf die seiner Meinung nach allgemein bestehende Funktion satzinitialer Konstituenten als „address pointer“ abzielt, d.h. als diejenige Konstituente, die den Gegenstand denotiert, auf den die durch den Satz ausgedrückte Information zu beziehen ist (Vallduvi 1992, 48). Demgegenüber werden in anderen Ansätzen informationsstrukturelle Kategorien zunächst unabhängig von ausdrucksseitigen Aspekten als kognitiv-kommunikative Kategorien expliziert und erst dann hinsichtlich ihres Niederschlags in der Struktur von Sätzen (unterschiedlicher Sprachen) untersucht. Für diese Vorgehensweise stehen m.E. Ansätze wie etwa die von Gundel (1988a; 1988b) oder Lambrecht (1994), die Topikalität nicht auf Konstituenten, sondern auf Diskursreferenten beziehen, die in einer besonderen Relation zu der durch den Satz ausgedrückten Proposition stehen. So ist etwa nach Lambrecht ein durch einen Satz realisierter Referent genau dann „topic of a proposition“, wenn „in a given situation the proposition is construed as being about this referent, i.e. as expressing information which is relevant to and which increases the addressee’s knowledge of this referent“ (Lambrecht 1994, 131). Die pragmatische Perspektive einer solchen Explikation besteht somit zunächst vor allem darin, dass sie die Aboutness-Relation auf der Basis des Sprecher-Hörer-Verhältnisses deutet: Topik ist derjenige Diskursgegenstand, über den der Sprecher dem Hörer etwas Neues bzw. Relevantes mitteilen möchte. Wie sich diese Relation (in den jeweiligen Sprachen) ausdrucksseitig niederschlagen kann, ist dann eine daran anschließende Frage (vgl. u.a. Gundel 1988a; Lambrecht 1994). Auch für das Deutsche ist die Frage nach den ausdrucksseitigen Indikatoren für Topikalität nach wie vor Gegenstand der Diskussion. So wird etwa Satzinitialität als Topik-Indikator aufgefasst (Molnár 1991; 1993; Welke 2005); es wird vermutet, dass Topiks vornehmlich durch (Agens-)Subjekte realisiert werden (von Stutterheim/Carroll 2005, Modrián-Horváth 2016); es werden bestimmte Herausstellungsstrukturen (Linksversetzungen) als Topik- oder Thema-indizierende Strukturen gedeutet (Selting 1993; Frey 2005; Endriss 2009); oder es wird die These vertreten, dass es im Mittelfeld des Deutschen eine feste Topik-Position gibt (Frey 2000; 2004). Ebenso wird aber auch auf die notorischen Schwierigkeiten hingewiesen, die insbesondere Satzabfolgen bei der Topik-Identifizierung bereiten (Cook/Bildhauer 2013). In dieser Arbeit wird die These vertreten, dass es im Deutschen keine eindeutig ausgewiesene Position für Aboutness-Topiks gibt. Die Deutung eines Diskursreferenten als Topik (eines Satzes) beruht vielmehr auf spezifischen diskursiven (Situations-)Bedingungen, in denen der (aktuell geäußerte) Satz eingebettet ist. Ausgehend von dem pragmatischen Topik-Verständnis Lambrechts (1994) und Gundels (1988b) möchte ich der Frage nachgehen, wie diese Bedingungen genau aussehen und über welche Eigenschaften Diskursreferenten verfügen müssen, damit sie sich plausibel als Topiks deuten lassen. In der Arbeit wird drei zentralen Fragen nachgegangen. Die erste Frage bezieht sich auf den spezifischen Charakter der Aboutness-Relation. Wodurch genau zeichnet sich diese Relation aus und wie wird sie in den unterschiedlichen Ansätzen expliziert? Die zweite Frage bezieht sich auf das für Referenten mit Topikstatus immer wieder hervorgehobene Verhältnis von Topikalität und Präsupposition. Was genau ist darunter zu verstehen, wenn man sagt, dass Topiks präsupponiert sind? Die dritte Frage ist mit der zweiten eng verwandt und zielt auf die diskursiven Bedingungen für Topikalität und auf die Eigenschaften von Diskursreferenten mit Topikstatus ab: Welche diskursiven Bedingungen müssen für die Aboutness-Relation vorausgesetzt sein und über welche Eigenschaften müssen Diskursreferenten verfügen, wenn sie Topikstatus haben? Wie sich zeigen wird, sind es Frage/Antwort-Kontexte, auf deren Basis sich die ‚Ideal‘-Bedingungen für die Identifizierbarkeit und die Eigenschaften ‚zweifelsfreier‘ Topiks am besten rekonstruieren lassen. Und wie sich des Weiteren zeigen wird, gestaltet es sich bzgl. der Identifizierbarkeit z.T. deutlich schwieriger, wenn man versucht, diese Bedingungen auf Satzabfolgen (d.h. auf Texte) zu übertragen. Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Das folgende Kapitel (Kap. 2) bietet zunächst einen kurzen Abriss älterer und neuerer Ansätze zur Informationsstruktur. In Kap. 3 sollen die jeweiligen Explikationsvorschläge der Autoren bezüglich des Aboutness-Begriffs vorgestellt werden. Bei der Diskussion der in manchen Punkten ähnlichen, sich im Detail aber auch deutlich unterscheidenden Ansätze soll das Hauptaugenmerk auf zwei Problemfelder gerichtet werden: zum einen auf die Frage nach dem Verhältnis von Topikalität und ‚Givenness‘, zum anderen auf die Frage, wie sich die Topik-Kategorie zur Fokus-Kategorie verhält. Ist die Fokus-Kategorie ebenfalls auf Diskursreferenten zu beziehen? Es wird sich zeigen, dass es Lambrechts Ansatz am besten gelingt, diese Problemfelder zufriedenstellend in den Griff zu bekommen. Wie wir sehen werden, zeichnet sich Lambrechts Ansatz durch zwei zentrale Merkmale aus: zum einen durch seine Unterscheidung zwischen Topik-Relation und Fokus-Relation, die beide in jeweils spezifischer Weise auf die durch den Satz ausgedrückte Proposition bezogen sind, und zum anderen durch seine Unterscheidung dreier „pragmatischer Gliederungstypen“ (pragmatic articulations), zu denen er neben dem Topik/Kommentar-Typ auch den Satzfokus-Typ und den sogenannten Argumentfokus-Typ zählt. Die Unterscheidung dieser drei Typen wird in der Arbeit eine wesentliche Rolle spielen. In Kap. 4 wird das Verhältnis von Topikalität und Präsupposition genauer unter die Lupe genommen. Dieses Verhältnis wird häufig auf die (sprecherseitige) Präsupposition (adressatenseitiger)...