E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
Yorke JEDES JAHR ZUR WEIHNACHTSZEIT
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-95446-763-1
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
ISBN: 978-3-95446-763-1
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nie vergaß der Junge Earl of Lindsay, dass er in der Kindheit der hübschen Blair Duncan ewige Treue schwor. Und als er jetzt - wie immer in der Weihnachtszeit - auf sein schottisches Schloss zurückkehrt, will er endlich seinen Traum wahrwerden lassen. Doch Blair zeigt sich viel widerspenstiger als erwartet...
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2. KAPITEL
Am folgenden Morgen entfaltete Blair Duncan in der geräumigen Küche von Duncan House rege Geschäftigkeit. Das Klappern der Topfdeckel hallte lauter als gewöhnlich, denn Blair war mutterseelenallein in dem einst so prächtigen Herrenhaus, das vor vielen Generationen von ihrer Familie erbaut worden war. Aber vielleicht war es noch etwas anderes als die Einsamkeit, die schlaflos verbrachte Nacht, die Blair so rastlos machte. Mit dem Zucker aus MacGregors Laden bereitete sie Marmelade aus überreifen Orangen, die ein früherer Nachbar geschickt hatte, der nun als Matrose auf einem Frachter sein Leben fristete.
Sie wusch die Früchte, legte sie zum Trocknen hin und zuckte zusammen, als die Schalen schon bei der Berührung platzten. Der Himmel mochte wissen, wie lange die Kiste unterwegs gewesen war, bevor sie das abgelegene Hochlanddorf erreichte. Trotzdem würde die Marmelade eine köstliche Beigabe in den Weihnachtskörben sein, und einige Schalen ließen sich vielleicht kandieren. Die Kinder würden von den Süßigkeiten begeistert sein.
Schließlich strich Blair sich eine rotbraune Locke aus dem Gesicht und goss sich eine Tasse Tee ein. Der alte Robbie und Mrs Brown, die Haushälterin, würden bald von Besorgungen in Glenmuir zurückkehren. Blair seufzte. Es gab einmal eine Zeit, als zahlreiche Dienstboten mitgeholfen hatten, die Weihnachtskörbe auszurichten. Nun waren nur die beiden Getreuen da, die aus reiner Anhänglichkeit blieben, obgleich ihr Lohn kaum der Rede wert war. Da Blair ohne Mrs Browns Hilfe nicht weiterarbeiten konnte, blieb Zeit für ein verspätetes Frühstück. Zu jeder Stunde des Tages stand genügend Porridge in einem Topf auf dem riesigen gusseisernen Herd.
Mit energischem Schwung stellte Blair die spärliche Mahlzeit auf den abgeschabten Küchentisch. Blair aß kaum noch in dem großen Speisezimmer, nur hin und wieder, wenn Mrs Brown darauf bestand, weil ein Gast anwesend war. Im Allgemeinen zog Blair die Unterhaltung mit ihren beiden Getreuen der Einsamkeit vor, zu der sie sonst verurteilt gewesen wäre. Sie setzte sich, führte mechanisch den Löffel zum Mund und fragte sich, warum sie innerlich so unruhig war. Vorsichtig nippte sie am heißen Tee und gestand sich ein, was die Ursache für die Verunsicherung und die schlaflose Nacht war. Die Begegnung mit dem Earl of Lindsay war der Grund.
Sie sah ihn vor sich, die haselnussbraunen, grüngolden schattierten Augen, und hörte sein Lachen, das ihr früher so vertraut gewesen war. Ihr inneres Gleichgewicht geriet noch mehr ins Wanken. „Zur Hölle mit Seiner Lordschaft!“, murmelte sie und stellte die Tasse so heftig auf den Tisch, dass der Tee überschwappte. „Und zum Teufel mit dem Zufall, der mir Cameron Montgomery gestern über den Weg führte!“
Vor drei Jahren war er während der Jagdsaison nach Glenmuir gekommen. Blair, fest entschlossen, ihn nicht zu sehen, war ihm ausgewichen, wann immer er danach in den Highlands weilte. Das war leicht genug gewesen. Sobald der Earl of Lindsay seine Aufwartung gemacht hatte, behaupteten der alte Robbie und die Haushälterin, Miss Duncan sei nicht im Hause. Sie hatte seine Einladungen stets ausgeschlagen. Wenn es im Dorf etwas zu feiern gab, erschien sie meist so spät, dass er, gelangweilt von den einfachen Vergnügungen, längst gegangen war. Manchmal ließ sie sich entschuldigen und besuchte die Festlichkeit erst gar nicht.
Aber seit gestern sah alles anders aus. Die unerwartete Nähe des Earl war Blair mehr als ein Glas Whisky zu Kopf gestiegen. Camerons Anblick und der Klang der verführerischen Stimme hatten eine jähe Wärme in ihr ausgelöst. Am meisten machte es sie betroffen, dass sie gegen die Erinnerung an seinen Kuss ankämpfen musste. Als sie noch halbe Kinder gewesen waren, hatte sein Mund den ihren so zärtlich berührt.
Angewidert schob sie den halb geleerten Teller von sich. Sie wusste, das Wiedersehen mit ihrer Jugendliebe konnte alle Vorsätze ins Wanken bringen. Jeder Blick in sein attraktives Gesicht würde ihren Widerstand schwächen, den Zorn mindern, an ihrem Misstrauen rütteln. Aber sie wollte nicht gezwungen sein, eine Cameron Montgomery betreffende Entscheidung zu fällen, solange sie nicht sicher war, ob sie noch liebevolle Regungen für ihn im Herzen trug. Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen und nach London zurückkehren? Gewiss gab es dort genügend schöne Frauen, die dem begüterten Earl of Lindsay Avancen machten!
In Gedanken verloren, überhörte sie die Schritte, die vor der offenen Küchentür anhielten. In diesem Moment der Arglosigkeit war etwas sehr Verletzliches an Blair Duncan. Das Licht der Sonne spielte auf dem braunen Haar, das wie Kupfer leuchtete. Blair hatte nur den einen Gedanken, Lord Lindsay unter allen Umständen aus dem Wege zu gehen.
„Ah, man genießt ein geruhsames Frühstück?“, ließ eine dunkle und sehr vertraute Stimme sich vernehmen. Blair fürchtete, die Erinnerungen hätten ein Gespenst aus der Vergangenheit heraufbeschworen, und wandte den Kopf. Aber ihr überreizter Verstand hatte ihr nichts vorgegaukelt. Cameron Montgomery, Earl of Lindsay, stand tatsächlich auf der Schwelle. Es war mehrere Jahre her, seit Blair ihn dort zum letzten Male gesehen hatte. Jetzt schien seine hochgewachsene Gestalt den Rahmen zu füllen, gefährlicher denn je.
„Was wollen Sie hier?“, fragte Blair Duncan und versuchte, die abgearbeiteten Hände im Schoß zu verbergen.
Lord Lindsay hatte mit einem einzigen Blick das ärmliche Kleid und den trostlosen Zustand der Küche erfasst und bemühte sich, sein Mitgefühl nicht zu verraten und Miss Duncan betroffen zu machen. „Nun, ich kam, weil ich wissen wollte, ob Sie noch hier leben“, erwiderte er leichthin. Sie sollte nicht wissen, wie sehr es ihn schmerzte, sie in diesem Zustand vorzufinden. „Die letzten Male hieß es immer, Sie seien nicht da. Ich fürchtete schon, Sie könnten den Wohnsitz gewechselt haben.“
„Nein, glücklicherweise war ich bisher noch nicht dazu gezwungen“, sagte sie trocken.
„Das sehe ich.“ Der Earl bückte sich, um nicht an den Türrahmen zu stoßen, und trat über die Schwelle. „Übrigens können Sie es nicht mir anlasten, dass ich über Ihre Anwesenheit im Unklaren war. Mrs Brown bewacht Sie ja wie ein Hofhund! Da ich sie heute mit Robbie im Dorf sah, hielt ich die Gelegenheit für günstig, Ihnen endlich einen Besuch abzustatten. Aber was ist aus der berühmten Hochland-Gastfreundschaft geworden? Wollen Sie mich nicht zum Frühstück bitten, Miss Duncan?“
„Mrs Brown würde bestimmt sehr böse, wenn sie Sie so reden hörte“, tadelte Blair den Earl.
„Dann wollen wir es ihr auch nicht mitteilen, nicht wahr?“, sagte er verschwörerisch flüsternd und beugte sich näher zu Miss Duncan.
Seine Nähe verunsicherte sie noch mehr. Sie sprang auf, goss Tee in eine Tasse und füllte am Herd ein Schüsselchen mit Porridge, hin- und hergerissen zwischen der Verpflichtung, Lord Lindsay zu bewirten, und dem dringenden Wunsch, schnellstens die Flucht zu ergreifen. Sie stellte Tasse und Napf auf den Tisch und holte noch die Zuckerdose. Betont freundlich äußerte sie dabei: „Sie nehmen doch gewiss Zucker.“
Der Earl of Lindsay überhörte die Spitze nicht. Schotten pflegten Porridge zu salzen, nur Engländer aßen ihn gesüßt. Unter dem Deckmantel der Höflichkeit gab Miss Duncan ihm zu verstehen, dass er für sie ein Eindringling war. Er lächelte unwillkürlich. Sie hatte nichts von ihrem hitzigen Temperament eingebüßt.
„Wollen Sie mir nicht Gesellschaft leisten?“, fragte er und wies auf den Stuhl neben sich.
Die Worte klangen zweideutiger, als Blair lieb war, und auch das verlangende Glitzern in seinem eindringlichen Blick störte sie. Hoffentlich kamen Mrs Brown und Robbie so bald wie möglich zurück!
„Es wäre nicht sehr höflich, mich allein am Tisch sitzen zu lassen“, sagte Lord Lindsay herausfordernd. „Außerdem gibt es keinen Grund, es sei denn, Sie hätten Angst vor mir.“
„Es wird nie so weit kommen, dass ich mich vor einem Engländer fürchte!“, erwiderte Blair heftig und setzte sich rasch, ehe sie anderen Sinnes würde, Lord Lindsay gegenüber an den Tisch.
„Das freut mich zu hören“, äußerte der Earl leicht belustigt und begann, sich schweigend dem einfachen Mahl zu widmen, das sie ihm vorgesetzt hatte. Blair Duncan beobachtete den Earl unter gesenkten Wimpern. Sein beherrschter Gesichtsausdruck verriet ihr mehr als viele Worte. Schließlich wurde ihr die Stille unerträglich, und sie bemerkte irritiert: „Ich habe Sie bewirtet, Lord Lindsay, aber Sie …“
„Vergessen Sie nicht, dass Sie mich früher Cameron zu nennen pflegten“, unterbrach er sie lächelnd.
„Sie haben mir immer noch nicht verraten, was Sie unangemeldet zu mir gebracht hat“, fuhr sie unfreundlich fort und legte die Hände um die Teekanne, um nicht zu zeigen, wie sehr sie zitterten.
„Nur der Wunsch, Ihnen zu sagen, dass es meiner Meinung nach für zwei alte Freunde endlich an der Zeit ist, sich gemütlich zu unterhalten. Es kann Ihnen nicht entgangen sein, dass ich erst jetzt Gelegenheit zu einem Gespräch mit Ihnen habe, seit ich nach Glenmuir gekommen bin.“ Gemächlich schob Lord Lindsay die Schüssel zur Seite. „Ich bin fest entschlossen, Sie von jetzt an öfter zu besuchen, und möchte Sie zu einem kleinen Empfang bitten, den ich bald geben werde. Da meine Einladungen in den vergangenen drei Jahren unbeantwortet geblieben sind, wollte ich diese persönlich überbringen.“
Blair errötete heftig, doch nicht aus Scham, weil sie seine Bemühungen, die Kinderfreundschaft zu...




