E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Zain Glück & Gloria
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7583-8063-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wege zur Weihnacht
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-7583-8063-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der dreißigjährige Franz Xavier ist glücklich und freut sich auf Weihnachten, bis sein Vater ihm beichtet: er sei nicht der leibliche Sohn, sondern ein Findelkind, das vom Himmel gefallen ist. Als Beweisstück reicht ihm der Vater ein mysteriöses Messer und die Feder eines Adlers, bei dessen Anblick Franz eine unangenehme Gänsehaut bekommt. Am nächsten Morgen bricht Franz in die Berge von Klakuja auf. Zielstrebig stapft er mit dem Schlitten in den tiefen Winterwald, obwohl ein Sturm tobt. Als er auf seine Jugendliebe Betty stößt, geht eine Lawine los. Aber die Naturgewalten sind nicht die einzige Gefahr, die in den Wäldern von Klakuja lauern. Denn eine Bande von Weihnachtshassern treibt sein Unwesen. Franz trifft einen folgenschweren Entschluss. Ein nervenaufreibendes Abenteuer für die ganze Familie zum Einstimmen auf die Weihnachtszeit.
Die fünfzigjährige Carola Zain ist gelernte Krankenschwester und arbeitet als Dozentin für Pflegeberufe. Die gebürtige Hallenserin lebt mit ihrer Familie in Leipzig. Mit 11 Jahren schrieb sie ihren ersten Song, später auch Gedichte und Kurzgeschichten, die sie in verschiedenen Antalogien veröffentlichte. Nach mehreren Jahren Studium der Belletristik, Roman schreiben bzw. Sach- und Fachmedien brachte sie ihr Erstlingswerk "Glück und Gloria- Wege zur Weihnacht" auf die Bühne der Selbstpublisher. Neben dem Schreiben illustriert sie auch Kinderbücher.
Autoren/Hrsg.
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KAPITEL 1 Entlang des Ufers quoll dunkelgrauer Rauch auf, der eine Schneise durch das Tal zog. Sich auftürmender Schnee versperrte massiv die Geleise. Die Dampflok bockte, während eine Schar von Männern das schwarze Ungetüm freischaufelte. Der riesige Berg dahinter warf Schatten auf den See, auf dem quirlige Kinder tollten. Franz hockte auf dem Berglauf gegenüber, der das vom Hochgebirge angrenzende Tal umsäumte. Argwöhnisch verfolgte er das hektische Treiben, bis seine Mundwinkel triumphierend nach oben schnellten. Niemand hatte den Kälteeinbruch kommen sehen. Nicht einmal die königlich sächsische Staatseisenbahn. Der Winter war eingebrochen über Nacht wie die Axt in die Rinde und hinterließ ein Bild der Verzweiflung. Sein Vater lag ihm seit Wochen in den Ohren, er solle auf die Jagd gehen und die Wintervorräte auffüllen. Franz jedoch empfand kein Vergnügen am Töten von Tieren und hatte deshalb seine Pflichten bis zum heutigen Tag hinausgeschoben. Ausgerechnet heute zwang ihn die Sonntagspredigt zur Eile. Und als wenn das nicht ausreichte, musste der Winter mit voller Wucht zuschlagen. Franz war für diese raue Welt nicht geschaffen. Lieber entwarf er auf der Orgel Kantaten. Bisher gab es keinen Ruhm für seine Werke. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, dass sich eines Tages all die harte Mühe und Arbeit auszahlen würde. Für die Jagd hingegen war er nicht geschaffen. Allein die Vorstellung, mit einem Gewehr auf lebendiges Fell zu zielen, ließ ihn schaudern. Aber hungern konnten sie ebenso nicht. Hastig zerrte Franz die Mütze über die Ohren. Immer wieder fanden seine Stiefel keinen Halt auf dem Eis. Feinste Steine brachen ab, er rutschte mit den Sohlen, was das Weiterkommen nahezu unmöglich machte. Da Franz für die Jagd keine eigene Waffe besaß, schleppte er das Zündnadelgewehr seines Vaters auf dem Rücken. Bei jedem Schritt krachte das Eisen schmerzvoll gegen seine Wirbelsäule und trieb ihn voran wie die Peitsche den Esel. Dennoch, dieser Hinterlader bot fünfmal höhere Schussfolge als ein Vorderlader. Und die Chancen auf Beute stiegen mit diesem Blecheisen um ein Vielfaches. Franz ging in die Hocke und berührte die weiche Schneedecke unter seinen Füßen, aus der vereinzelte Grashalme äugten. Es gab weder Spuren von Nagern noch Hinweise auf Rotwild. Als wäre der Wald komplett ausgestorben. Die Eisenbahngesellschaft war nicht unschuldig an dem Debakel. Denn das Dampfross, mit seinem lauten Gebrüll, verscheuchte die Tiere aus dem Wald und drängte sie hoch auf die Wipfel, in die nahrungskargen Gebiete, fernab der Zivilisation. Franz haderte einen Moment, ob er auf dem Hauptweg bleiben oder eine Abkürzung durch das schwer zugängliche Dickicht nehmen sollte. Die Abkürzung war verlockend, barg allerdings mehr Gefahren. Denn die Winterstürme konnten Äste und Stämme knicken und sich als tödliche Lanzen entpuppen. Doch das Risiko musste er eingehen, wenn er pünktlich um zehn Uhr seinen Vater zur Sonntagsmesse abholen wollte. Der Hunger drängte zum Weitermarsch. Er musste Fleisch finden. Nicht nur für sich, sondern auch für seinen Vater, der abgezehrt im Bett lag, weil er an Gicht und Hustenfieber litt. Nicht ewig konnten die beiden Männer von den eisernen Reserven leben, da musste Franz seinem Vater recht geben. Und sein Vater musste unbedingt wieder zu Kräften kommen, zumal Weihnachten heranrückte. Weihnachten ohne Festtagsbraten war wie Schnitte ohne Brot. Und hinterließ nichts als tiefe Augenringe. Franz hing seinen Gedanken an den kranken Vater nach. Schlagartig wurde ihm die Endlichkeit des Lebens bewusst. Dabei übersah er die mit Eis überzogene Wurzel und rutschte aus. Ein dumpfer Schlag betäubte seine Sinne. Die plötzliche Blutleere in seinem Schädel wirkte wie ein Sog. Ihm wurde schwarz vor Augen. Als er wieder klar denken konnte, breitete sich der metallische Geschmack von Blut in seinem Mund aus und vermischte sich mit dem Schnee um seine Lippen. Klirrende Kälte schnitt in sein Gesicht. Der Wollstoff seines Schals hinderte ihn beim Atmen. Unzählige Eisklumpen klebten an ihm. Franz zerrte an dem Schal, der sich wie die Schlinge eines Galgens um seinen Hals zog. Er rüttelte an der Wolle, bis sie endlich nachgab. Erschöpft sank Franz in den Schnee. Er schloss die Augen. Eine unbändige Schwäche überfiel ihn. Erst als die Sonne durch die Äste hindurch schillerte und ihn blendete, stand er auf. Sie schenkte ihm einen Funken Hoffnung. Und er spürte allmählich, wie das Leben in seinen Körper zurückströmte. Er nahm das Gewehr vom Rücken und nutzte es als Krücke, in dem er sich beim Aufstehen darauf abstützte. Als Franz endgültig in Fahrt kam, heulte der Wind los, als wollte er seinem Vorhaben zustimmen. Diesmal wollte Franz etwas vorsichtiger sein. Der Schnee rieselte von den Ästen und Zweigen herab, als er mit dem Körper durch das Dickicht drängte. Bevor er jedoch den nächsten Schritt wagte, stieß er mit dem Kolben seines Gewehres in den Schnee, damit er nicht in eine der unzähligen Gefahren trat, die unter der Schneedecke lauerten. Nur langsam kam er voran. Und nichts als die schier endlose Weite des eisigen Winters bot sich seinem Blick. Der Schnee unter seinen Stiefeln knirschte. Ebenso die Baumwipfel, die sich durch den Wind über seinem Kopf beugten wie riesige Angeln, die mit Eis überzogene Zitteraale aus dem Boden hoben. Der Nebel trat zurück, als er den Kamm erreichte, während die Sonne den Berg umkämpfte und diesem unbewohnten Fleckchen Erde neues Leben einhauchte. Der Schnee reflektierte die Sonnenstrahlen und glitzerte in schillernden Farben. Diese malerische Welt fühlte sich mystisch an. Als hätte sie jemand mit einem Zauberpulver berieselt. Franz konnte sich nicht sattsehen. Doch die Idylle täuschte. Hier oben blies der Wind stärker als im Tal. Franz stemmte sich gegen die Bö, die an seinen Sachen rüttelte. Ihm war, als hielt ihn der liebe Gott am Hosenbund fest, da er gegen die immense Kraft, die gegen seine Beine schlug, nicht ankam. So sehr er auch gegen den Wind ankämpfte, er kam nur sehr langsam voran. Nur eine Sekunde richtete er den Blick auf den Weg, da vernahm er eine Bewegung aus seinem Augenwinkel heraus. Als er den Kopf hob, machte sich Freude breit. Ein paar hundert Meter vor ihm hoppelte etwas über den Weg. Sofort griff Franz nach dem Jagdgewehr und schnellte seine Finger an den Abzug. Doch die Beute war zu weit weg. Seine Augen späten auf den Punkt, der seelenruhig streunte. Wie erleichtert war Franz, als er das Wildkaninchen entdeckte, das im Schnee nach Frischfutter scharrte. Offenbar war dieses mutige Kerlchen der Vorreiter seiner Kolonie, während die anderen Kaninchenbraten in ihrem Bau auf sein Zeichen lauerten. Jetzt schlug das Tier mit den Hinterbeinen auf. Als wollte es die Nachhut warnen. Doch anstatt einer Flucht blieb er mutig sitzen und spitzte die langen Löffel. Franz musste näher an das Kaninchen, wollte er es mit der Kugel treffen. Während Franz vorsichtig durch den Schnee pirschte, behielt er das Wollknäuel im Auge. Das Tier blieb reglos im Schnee sitzen. Er wollte gerade abdrücken, da durchkreuzte ein schriller Schrei seinen Plan. Schlagartig hob Franz den Kopf und blickte zum Himmel. Das Kaninchen gab nicht so viel Fleisch her wie ein Federvieh. Er musste schnellstmöglich eine Entscheidung treffen. Kaninchen oder Adler? Adler oder Kaninchen? Der Raubvogel kreiste viel zu hoch. Das Kreischen wurde leiser, bis es vollends verstummte. Der Entschluss stand fest. Das Kaninchen stand da wie eine in den Schnee gesetzte Skulptur. Fehlte nur noch, dass Mutter Natur in ihr Kosmetiktäschchen griff, um ihn theatertauglich zu bürsten. Die Vorstellung eines Kaninchenbratens trieb Franz das Wasser im Mund zusammen. Sein Zeigefinger zuckte am Metall des Abzugs. Jegliche Kälte war in diesem Moment verweht. Es gab nur das Ziel, sein spähendes Auge und seinen Zeigefinger, der sicher am Anschlag lag. Der Schuss hallte, während der Rückstoß gegen seine Brust donnerte. Franz starrte auf das Pelzknäuel im Schnee, das wie ein Stein zur Seite plumpste. Bevor er zu seiner Beute sprang, sah sich Franz noch einmal um. Der Adler war aus dem Blickfeld verschwunden. Vermutlich durch den Schuss vertrieben. Stattdessen versperrte eine graue Wolkendecke die Sicht auf den blauen Himmel. Franz zog den Dolch aus seiner Gürteltasche und packte das Tier an den Hinterpfoten. Er nahm die Eingeweide heraus und zog dem noch warmen Kadaver das Fell über die Ohren. Blut sickerte in den Schnee. Die verderblichen Überreste überließ er den Geiern. Wie eine stolze Trophäe hielt er das Tier in die Höhe. Endlich konnte sein Vater stolz auf seinen Sohn sein. Franz stellte sich vor, wie er vom König gekürt und ganz Klakuja ihn als Held feierte. Er stellte sich vor, wie ihm sein Vater enthusiastisch den Arm nach oben zog und ihn: Franz Xavier Gruber, geboren im Jahre 1851, Sohn des Pfarrers von Klakuja, zum Gewinner aller Zeiten kürte. Und weil er seinen Wahnsinns Auftritt vor dem inneren Auge abspulte und sich der Tagträumerei hingab, sah er das Unheil nicht...




