Zakaria | Against White Feminism | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Zakaria Against White Feminism

Wie weißer Feminismus Gleichberechtigung verhindert
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-446-27374-0
Verlag: hanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie weißer Feminismus Gleichberechtigung verhindert

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-446-27374-0
Verlag: hanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Rafia Zakarias Grundlagentext zu weißem Feminismus im Taschenbuch.
Alle Frauen brauchen Feminismus, aber der Feminismus schließt nicht alle Frauen ein. Diese vielbeachtete, brillante Polemik weist den Weg zu wahrer Gleichberechtigung.
Seit Beginn der Frauenbewegung gibt eine bestimmte Art Frauen den Ton an: bürgerliche Frauen aus westlichen Nationen, die vor allem eins sind - 'weiß'. Doch während sie in Vorstandspositionen aufsteigen, bleibt politische Unterstützung für alle anderen Frauen aus.
Rafia Zakarias brillante Polemik enthüllt das rassistische Erbe der Frauenbewegung. Sie zeigt, wie der Wunsch nach Gleichberechtigung auf Vorurteilen und Ausbeutung fußt und wie ein gemeinschaftlicher Kampf für politische Teilhabe aussehen kann.

Rafia Zakaria ist Autorin, Anwältin und Aktivistin. Sie setzt sich weltweit für Menschenrechte ein. Von 2009 bis 2014 war sie Teil des Aufsichtsrates von Amnesty International USA. Artikel von ihr erschienen u.a. im Guardian und der New York Times. Zakaria wuchs in Karatschi auf und lebt heute in Pakistan und den USA.
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Am Anfang waren Frauen

2007 schrieb die viel gelobte feministische Dramaturgin Eve Ensler einen Essay für die Zeitschrift . Der Artikel beginnt mit »Ich bin gerade aus der Hölle zurückgekehrt« und berichtet von ihrem Besuch in der Demokratischen Republik Kongo, wo sie »Mädchen im Alter von neun Jahren« getroffen hatte, »die von Gruppen von Soldaten vergewaltigt worden waren«.

Dem Titel nach handelt der Artikel von »Frauen, die dem Tod überlassen wurden — und dem Mann, der sie rettet«, aber das wird nicht sofort klar. Selbst während sie die Qualen der kongolesischen Frauen schildert, gelingt es Ensler, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Wie kann ich diese Geschichten vermitteln?«, fragt sie. »Wie kann ich das erzählen … ?«

»Ich bleibe eine Woche in Panzi. Die Frauen stehen Schlange, um mir ihre Geschichten zu erzählen.« Nachdem sie gerade eine schreckliche Geschichte über »Alfonsine« erzählt hat, schreibt sie, anstatt den Leser:innen die Gelegenheit zu geben, über diese Geschichte nachzudenken: »Ich betrachte Alfonsines zierlichen Körper und stelle mir die Narben unter ihrer bescheidenen weißen Kleidung vor. Ich stelle mir das rekonstruierte Fleisch vor, die Qualen, die sie erlitt, nachdem sie angeschossen wurde. Ich höre aufmerksam zu. Ich kann kein bisschen Bitterkeit oder Rachsucht entdecken.« Wenn sie über die Operationen schreibt, die notwendig sind, um die Fisteln zu behandeln, unter denen so viele weibliche Opfer leiden, stellt Ensler sich erneut in den Mittelpunkt und schreibt: »Ich bin bei einer typischen Operation dabei … Ich kann die Fistel sehen.« Und so weiter.

Enslers wiederholte Betonung ihrer eigenen Aktionen und Erlebnisse und die Dezentralisierung der Erlebnisse und Aktionen betroffener Personen deutet stark darauf hin, dass sie die entscheidende Rolle aufzeigen will, die sie, eine Frau, im Leben dieser Frauen spielt. Es geht ihr darum, die -Leser:innenschaft einzubeziehen: Diese wird aufgefordert, dem Präsidenten des Kongo zu schreiben oder über Enslers Website für das Krankenhaus und das Rehabilitationszentrum zu spenden, in dem die Vergewaltigungsopfer behandelt werden und in dem »sie lernen werden, politische Leitfiguren zu werden«.

Enslers Artikel in der zeigt, wie sich der , der Retter:innenkomplex, mit dem Feminismus im 21. Jahrhundert überschneidet. Eine Frau übernimmt die Aufgabe, für vergewaltigte und misshandelte »andere« Frauen zu sprechen, und positioniert sich selbst als ihre Retterin, als Vermittlerin, durch die die Emanzipation fließen muss. Der Artikel ist auch ein Beispiel dafür, wie die Not von »anderswo« als Vorlage dient, an der die Erfolge von westlichen Frauen gemessen werden können. Die Leser:innen des Artikels werden dazu ermutigt, zu dem Schluss zu kommen, dass es ihnen »doch so gut geht«, und traurig den Kopf über die Lebensumstände von Frauen in weniger zivilisierten Teilen der Welt zu schütteln.

Es ist bemerkenswert, dass das Benennen oder Verschweigen der Identität von Frauen of Color ganz nach dem Belieben der Frauen erfolgt, die diese Art von Geschichten erzählen. In Fällen, in denen Menschen namentlich erwähnt werden sollten, z.B. die Krankenschwestern und anderes medizinisches Personal (was aber von der zentralen Rolle der Frau als Retterin ablenken könnte), werden sie ausgelassen; in anderen Fällen, in denen Diskretion hilfreich wäre — so hätten zum Beispiel Opfer wie »Nadine« nicht fotografiert werden müssen —, wird uns mitgeteilt, dass sie zugestimmt hätte, fotografiert zu werden, wenn ihr Name geändert wird.

Der von der herausgegebene Jahresbrief 2020 ist ein weiteres Beispiel für dieses kalkulierte und bewusste Phänomen, insbesondere im Hinblick auf die Optik Frauen, die Schwarzen Frauen und Frauen of Color wohlwollend helfen. Das erste Bild in dem Bericht gibt den Ton an: Es zeigt Melinda Gates, die sich herunterbeugt, um einer namenlosen Schwarzen Frau, die eine Maske trägt und in einem Krankenhausbett liegt, in die Augen zu sehen. Die Anonymität der Person ist typisch für diese Art der Ikonografie. Wir könnten davon ausgehen, dass der Name nicht genannt wurde, um die Privatsphäre der Frau zu schützen, doch das Muster setzt sich fort. Selbst wenn die abgebildeten Personen of Color in ihrer beruflichen Funktion auftreten, wenn sie Hilfe leisten und nicht empfangen und also keine Notwendigkeit der Anonymität besteht, werden ihre Namen weggelassen. Bill und Melinda selbst, die einzigen Personen auf den Fotos, sind die einzigen Personen, die jemals genannt werden. Bei einem Besuch in der Gugulethu Health Clinic werden die Schwarzen Personen und Personen of Color im Bild nur als »Personal« bezeichnet. Der Abschnitt über Gender beginnt mit Melinda Gates, die auf beiden Seiten von zwei nicht identifizierten, zierlichen indischen Frauen flankiert wird.

Diese Zurschaustellung der eigenen moralischen Überlegenheit ist so effektiv, dass sie sich sogar als Trend auf Dating-Apps durchgesetzt hat. Eine Website namens widmet sich Bildern von tapferen und liebevollen und ach so abenteuerlustigen Frauen (und einigen Männern), die Umarmungen verteilen, Babys halten und an landesüblichen »einheimischen« Tänzen teilnehmen.

Die gleiche Schablone, die Ensler und Gates benutzten, um öffentliche Zustimmung oder finanzielle Unterstützung zu erhalten, wird hier angewandt, um Sexualpartner:innen zu gewinnen. Wie immer sind BIPOC-Gesichter nur Requisiten in einer Welt. Diese Gewohnheit, die Frau in den Mittelpunkt zu stellen, wenn es um die Emanzipation von Frauen of Color geht, ist nicht nur Teil eines neukulturellen Stils, der sich auf Dating-Apps, Modemagazine und milliardenschwere Philanthropinnen beschränkt, sondern hat eine lange Tradition. Der » feministische Retter:innenkomplex«, der tief sowohl in der Erkenntnistheorie als auch in der geschichtlichen Tradition verwurzelt ist, entwickelte sich in der Kolonialzeit. In den Heimatländern Frauen schränkten die Geschlechterrollen des neunzehnten Jahrhunderts und die anhaltenden männlichen Privilegien ihre Freiheiten erheblich ein. Doch der Aufbruch in die Kolonien ermöglichte diesen Frauen eine besondere Art der Flucht. In Indien oder Nigeria hatten sie einen entscheidenden Vorteil: Das Privileg. Sie waren zwar immer noch den Männern untergeordnet, galten aber aufgrund ihres seins gegenüber den kolonisierten »Untertanen« als überlegen. Diese Überlegenheit verlieh ihnen automatisch größere Macht und auch größere Freiheit.

*

»Ich bin eine Person in diesem Land! Ich bin ein Mensch«, schrieb eine überschwängliche Gertrude Bell im März 1902 an ihre Eltern. Sie schrieb vom Berg Karmel in Haifa aus, wo sie hingekommen war, um Arabisch zu lernen und dem unfreundlichen Gekicher der Londoner Gesellschaft zu entkommen. Bells Ausbruch ist aufschlussreich. Sie war in den Dreißigern und hatte einen Hang dazu, sich in die falschen Männer zu verlieben (sie waren entweder arm, verheiratet oder tot oder alles drei gleichzeitig) oder sich nicht zu verlieben (mehr als ein wohlhabender Verehrer wurde von ihr in die Friend-Zone verfrachtet), und sie war viel zu alt, um noch Junggesellin zu sein. In einer Gesellschaft, die von ihren Frauen Eheschließung und Mutterschaft erwartete, war sie damit praktisch überflüssig.

Die Heimat erinnerte Gertrude an ihr Versagen, an die vernichtende Unzulänglichkeit, bei der Suche nach einem Ehemann gescheitert zu sein. Im exotischen »Orient« gab es jede Menge Platz für Londoner Damen, die zu alt für den Heiratsmarkt waren, und wie Gertrude bald erfuhr, machten die Privilegien ihres seins die Nachteile ihres Geschlechts mehr als wett. In Jerusalem war sie eine »Person«, denn anders als zu Hause war sie aufgrund ihrer hellen Hautfarbe über den Rest der Menschheit gestellt. Kein Mann of Color konnte sie kontrollieren oder kritisieren, wenn sie mit ihrem Strohhut in ihren weißen Kleidern über die Basare schlenderte, oder sie dafür tadeln, dass sie auf ihrem Pferd saß wie ein Mann.

Bells Beispiel zeigt, wie einige der ersten Erfahrungen britischer Frauen mit der Freiheit jenseits von...


Goldschmidt-Lechner, Simoné
Simoné Goldschmidt-Lechner ist Autorin, Übersetzerin und Linguistin. Sie beschäftigt sich mit Fankulturen im Netz, Horror aus postmigrantischer Perspektive, Sprache in Videospielen, und gibt Workshops zu Antirassismus und Queerfeminismus.

Zakaria, Rafia
Rafia Zakaria ist Autorin, Anwältin und Aktivistin. Sie setzt sich weltweit für Menschenrechte ein. Von 2009 bis 2014 war sie Teil des Aufsichtsrates von Amnesty International USA. Artikel von ihr erschienen u.a. im Guardian und der New York Times. Zakaria wuchs in Karatschi auf und lebt heute in Pakistan und den USA.



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