Zapperi Zucker | In Südtirol und anderswo ... | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, Italienisch, 320 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 210 mm, Gewicht: 510 g

Zapperi Zucker In Südtirol und anderswo ...

In Sudtirolo e altrove ...
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-943810-83-7
Verlag: VoG - Verlag ohne Geld
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

In Sudtirolo e altrove ...

E-Book, Deutsch, Italienisch, 320 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 210 mm, Gewicht: 510 g

ISBN: 978-3-943810-83-7
Verlag: VoG - Verlag ohne Geld
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Kleine Ausschnitte aus dem täglichen Leben, teilweise in Südtirol oder auch sonstwo in Italien. Keine großartigen Ereignisse werden geschildert, aber auch in den unspektakulären Szenen entfaltet sich ein Mikrokosmos in dem die detaillierte Vielfalt des Lebens sichtbar und spürbar wird. Denn oft ergeben sich auch im Kleinen Situationen in denen lebensbestimmende Entscheidungen zu treffen sind.
Allen Erzählungen gemeinsam ist aber, dass sie beim Leser das Gefühl hinterlassen, dass die Protagonisten eigentlich Besseres verdient hätten und oft neigt man dazu, die Handlung weiterzuspinnen, für den Fall, dass die eine oder andere Entscheidung anders ausgefallen wäre.Unweigerlich führt das dann zu Überlegungen das eigene Leben betreffend und die in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen zu hinterfragen. Ein sehr gesunder Prozess, der hilft, sich in den eigenen, kleinen, täglichen Lebensabläufen bewusster zurecht zu finden.

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Burgl
Die alte Burgl ist sechsundachtzig Jahre alt und die sieht man ihr alle an, ich dachte sogar, sie wäre noch älter angesichts ihres gebrechlichen Aussehens. Ich habe mich informiert: Sie ist 1920 geboren, hat mir meine Nachbarin gesagt, die sie seit über fünfzig Jahren kennt. Sie wisse alles über sie, fügte sie stolz hinzu. Die Burgl, die in Wirklichkeit Notburga heißt (doch in der lokalen Mundart wird eben Notburga zu Burgl), ist eine Alte von kleiner Statur, beinahe ganz vornübergebeugt von einer Arthritis im Rücken; ihre schneeweißen Haare, vielleicht wegen des hohen Alters nur mehr wenige dünne, sind im Genick fest zu einem Knoten gebunden. Manche rebellische Locke lugt manchmal unter dem Kopftuch hervor, das nach der Gepflogenheit der hiesigen betagten Frauen vom Morgen bis zum Abend den Kopf bedeckt, im Haus wie im Freien. Das kleine, schmale, von tiefen Falten durchzogene Gesicht wäre unbedeutend, wären da nicht die großen hellen Augen gewesen, wässrig, in einem Ausdruck des Schreckens gefangen. Ich kenne sie mittlerweile schon lange. Sie ist meine Nachbarin von gegenüber und ich hatte ein Jahrzehnt lang Gelegenheit sie zu beobachten. Früher kam es vor, dass ich ihr auf der Straße auf dem Rückweg vom Kirchgang oder einem Besuch bei befreundeten Familien begegnete; später erfuhr ich, dass sie sich einmal in der Woche mit einer Gruppe gleichaltriger Frauen zum Kartenspielen traf. Sorgfältig gekleidet, nicht ohne eine gewisse Eleganz und Vornehmheit, die an der ganzen Person zu beobachten war, an ihrer Art zu gehen, ganz im Kontrast zum Ausdruck ihrer Augen, von einer gelinde gesagt überraschenden Standhaftigkeit und Bestimmtheit. Überrascht, beziehungsweise mit einer Frage in den Augen erwiderte sie immer meinen Gruß: Kennen wir uns? Und wir kennen uns in der Tat, da ich, seit ich hier wohne, einen Autoabstellplatz im großen Hof ihres Hauses gemietet habe. Aber offensichtlich vergisst sie es jedes Mal. Was mich vom ersten Moment an an ihr beeindruckte, war eben der Ausdruck ihrer Augen: es ist als hätte eine Szene, ein Ereignis in ihrem Leben sie derart terrorisiert, dass sie ein Leben lang davon gezeichnet ist. Seit einiger Zeit begegne ich ihr nicht mehr im Dorf; nur selten sehe ich sie in der Haustür, einen Besen in der Hand, während sie sich mit verlorenem Blick denn je umsieht, um sich zu vergewissern, dass kein Auto vorbeikommt. Dann macht sie sich langsam daran die wenigen Stufen zu kehren, die in ihre Wohnung führen, Stufen, die nach unten gehen und nicht nach oben, wie man meinen könnte. Vor vierzig oder mehr Jahren wurde der Weg, der an ihrem Haus vorbeiführt, erhöht, um eine richtige asphaltierte Straße daraus zu machen. Das Haus hat viel von seinem Wert verloren, nicht nur wegen des Lärms der vielen Autos und dem Staub, der die Fassade verdreckt, sondern wegen des Verschwindens des Erdgeschosses, das plötzlich ein Kellergeschoss geworden war. Das Straßenbett wurde gegenüber dem früheren um mindestens einen Meter angehoben, sehr zum Schaden der Fenster des Erdgeschosses, die somit halbiert wurden und nur mehr die obere Hälfte von ihnen frei blieb, während der Rest verschwand. Dicke, nunmehr verrostete und von einer dicken Staubschicht bedeckte Gitter vervollständigten das Werk. Alledem muss man noch den Müll hinzufügen, den die Leute, üblicherweise Touristen, gedankenlos dort hineinwerfen und so den Anschein der Verwahrlosung des Ganzen verstärkten. Das Haus ist mittlerweile eine richtiggehende Ruine (1920 schien ein Brand große Schäden angerichtet zu haben) und jedes Mal, wenn ich es betrachte, spüre ich einen Stich im Herzen. In Wirklichkeit handelt es sich ursprünglich um ein Patrizieranwesen, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von einem begüterten Herrn, Bürgermeister des Ortes, erbaut; aus den Aufzeichnungen im Kataster ist zu entnehmen, dass es sich um einen Bau mit mehreren Räumlichkeiten und einem reich mit Fresken von Blumen und Früchten, Akanthusblättern und Stuckwerk ausgestatteten Saal im zweiten Stock handelt. Der Saal, in welchem, so wird vermutet, große Tanzvergnügungen veranstaltet wurden, hatte drei, jetzt mit einem groben grünen Holzrahmen versehene Fenster ohne Fensterläden. Die größtenteils zerbrochenen, schmutzigen Fensterscheiben sind notdürftig mit Karton geflickt. Dabei, man muss sich das einmal vorstellen, befindet sich über jedem Kranzgesims ein gemalter Putto! Hinter dem Fenster vom Salon kann man, wie man es eben von einem Dachboden kennt, übereinandergestapelte Kisten und anderes altes Zeug undefinierbarer Herkunft ausmachen. Es scheint, dass dieser Salon vor ungefähr hundert Jahren in drei voneinander unabhängige Zimmer unterteilt wurde; laut meiner Nachbarin befindet sich im ganzen Haus ein einziges, dieser Bezeichnung unwürdiges Klo, ein sogenannter Abort. Es ist mir nicht klar, wo die derzeitigen Besitzer wohnen. Seit undenklichen Zeiten wurden keine Restaurierungsarbeiten mehr vorgenommen. An den Außenmauern befinden sich noch Freskenreste mit barocken Motiven; über der Haustür sieht man etwas, das in früheren Zeiten eine Rosette mit Madonna und Kind gewesen war, während es jetzt nur mehr ein Fleck an der Wand ist. Der Teil des Hauses, den ich sehe, war ursprünglich, glaube ich, der Dientsboteneingang. Die eigentliche Fassade besitzt eine Reihe architektonischer Ornamente feinster Eleganz: ein Balkon mit Holzveranda, Türmchen und anderes mehr im reinen Stil des achtzehnten Jahrhunderts, leider in einem völlig verwahrlosten Zustand. Es ist schwer all diese Schönheiten zu bemerken, da sie von Bäumen, vor allem aber von vor dreißig Jahren erbauten Villen verdeckt sind. Hier gab es vorher eine ausgedehnte Obstwiese, die sich bis ans Flussufer erstreckte. Dann wurde ein Gutteil des Areals enteignet, um einer breiten Straße Platz zu machen, während der Rest des landwirtschaftlichen Besitzes in Baugrund umgewidmet wurde. Die derzeitigen Besitzer, das heißt die Burgl und ihre Familie unterteilten den Baugrund in Parzellen und verkauften diese mit großem Profit, ohne sich darum zu kümmern, dass so der Blick auf das Haus verstellt wurde, vor allem aber, dass sie so auf den Zugang durch das Haupttor verzichteten. Dieses Herrenhaus befindet sich auf einem Areal, das bereits in der Eiszeit besiedelt war. Gerade dieses Jahr wurden Ausgrabungen auf der anderen Straßenseite durchgeführt, wobei Fundstücke zum Vorschein gekommen waren, die die menschliche Präsenz in dieser Gegend bezeugen. Der Ort wird in Urkunden erwähnt, die auf das Jahr 1288 verweisen. In früheren Zeiten gehörten zu dieser sogenannten Sommerresidenz verschiedene Weinberge, Heuwiesen, Stallungen eine Obstwiese und anderes mehr. Die Umwandlung von einer Sommerresidenz eines reichen Herrn in ein landwirtschaftliches Anwesen mit darauffolgendem Niedergang der Villa ist eine Tatsache, die ich mir nur als einen, der allmählichen Verarmung der oberen Klasse geschuldeten Prozesses, erklären kann. Häufig kam es vor, dass der adelige Herr sich derart verschuldete, dass er auf ganz legale Weise seine Besitzungen verlor. Ich weiß nicht auf Grund welcher juridischen Vorfälle dieses Anwesen in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in den Besitz von Burgls Familie kam. Im Schindeldach befindet sich ein Dachfenster, aus dem ab und zu ein dicker, wohlgenährter schwarzer Kater auf Abenteuersuche geht. Er macht in der Tat einen Erkundigungsrundgang, riecht überall argwöhnisch herum, schaut mit gespielter Gleichgültigkeit in die Luft, legt sich dann bald müde in die Sonne, faul und angesichts der ziemlichen Neigung des Daches im prekären Gleichgewicht, von der übertriebenen Ruhe gelangweilt – zu dieser seltenen Gelegenheit kreisen die Saatkrähen, die für gewöhnlich auf dem Giebel sitzen, laut kreischend und sich gegenseitig warnend, hoch in der Luft – schlüpft er wieder durch die Fensteröffnung und verschwindet. Ich habe ihn nie auf der Straße oder im an das Haus angrenzenden Garten gesehen, der von einem riesigen Kirschbaum beherrscht wird. Dem großen Hund Nero, absoluter Gebieter über den großen Hof, der an die andere Seite des Hauses grenzt, begegnet er nie: offensichtlich ein Territorium, zu dem er kein Zutrittsrecht hat. Außerdem glaube ich, dass zwischen den beiden eine tiefsitzende Feindschaft herrscht, die auch dadurch gerechtfertigt ist, dass der Hund den ganzen Tag ausschließlich im Hof verbringen muss, während der Kater größte Freiheit genießt und im Haus ein- und ausgehen kann, wann immer er will. Eher sporadisch kümmert sich die Burgl um den Hund und bürstet ihn mit sichtlicher Anstrengung, während sie ihm etwas zuflüstert, um ihn ruhig zu halten; das Fell ist in der Tat lang und verfilzt. Vornüber gebeugt zieht sie die Bürste mit beiden Händen durchs Fell, während Nero stillsteht: die Beine fest am Boden verankert, genießt er diese Behandlung ganz offensichtlich, die er für Liebkosungen seiner alten Herrin hält. Auch er ist alt, fett und gutmütig; in seinen Augen liegt immer so etwas wie eine Bitte. Es genügt ihn anzusprechen, um gleich ein...


Zapperi Zucker, Ada
Ada Zapperi Zucker ist in Catania geboren und hat in Rom Klavier und Gesang studiert und dieses Studium an der Musikhochschule Wien beendet. Gleichzeitig hat sie für Dizionario Biografico degli italiani dell'Istituto Treccani, Enciclopedia dello Spettacolo und Enciclopedia Universo De Agostini gearbeitet. Als Opernsängerin war sie hauptsächlich außerhalb Italiens tätig, derzeit unterrichtet sie Gesang in Deutschland und in Südtirol.
Von dem südtiroler Maler Gotthard Bonell wurde sie in Malerei unterrichtet.
Sie lebt seit vielen Jahren in München, ist mit einem Österreicher verheiratet und hat zwei Kinder.



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