Zilahy | Nachtjäger | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 399 Seiten

Reihe: Commissario Mancini

Zilahy Nachtjäger

Thriller
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7325-4979-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Thriller

E-Book, Deutsch, Band 2, 399 Seiten

Reihe: Commissario Mancini

ISBN: 978-3-7325-4979-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Lebensbedrohliche Blessuren, die der römische Profiler-Kommissar Enrico Mancini aus seinem letzten Fall davongetragen hat, zwingen ihn zur Auszeit in seinem Landhaus in Umbrien. Da erreichen ihn Nachrichten aus Rom: Ein Serienkiller, der seine Opfer in Figuren der griechischen Mythologie verwandelt, sorgt für Schrecken. Sein erstes Opfer, ein Vater mit zwei Söhnen, hat er in der Villa Borghese nach Art des Laokoons inszeniert. Dann wird die Leiche einer jungen Frau aufgefunden, deren malträtierter Kopf an die Medusa erinnert. Mit Mancinis Auszeit ist es augenblicklich vorbei ...



Mirko Zilahy wurde 1974 in Rom geboren, wo er sein Studium der Italianistik und Anglistik mit einer Examensarbeit über Bram Stokers Dracula abschloss. Nach seiner Promotion am renommierten Trinity College in Dublin lehrte er dort mehrere Jahre italienische Literatur. Heute lebt er mit seiner Familie in Rom und ist ein gefragter Übersetzer namhafter englischer Gegenwartsautoren. Schattenkiller, sein Debüt als Schriftsteller, landete auf Anhieb auf der italienischen Bestsellerliste und erntete begeistertes Lob von der Presse.
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7


Rom, Poliklinikum Umberto I, Gerichtsmedizin

Antonio Rocchis Augen zuckten fahrig in Richtung der Wanduhr mit Metallgehäuse. Seit vierzehn Stunden hielt er sich nun schon an diesem seelenlosen Ort auf – so lange hatte die Autopsie der drei Leichen gedauert. Der Gärtner des Parks und seine beiden Söhne lagen nebeneinander auf Stahltischen. Als Rocchi festgestellt hatte, dass der Tod sie mit nur wenigen Minuten Abstand ereilt hatte, hatte er beschlossen, die Untersuchungen parallel durchzuführen, damit nicht zu viel Zeit zwischen ihnen verging.

Vermutlich lag es an dem vielen Metall, dass der Gerichtsmediziner sich irgendwie seltsam fühlte, sein Kopf war wie in Watte gepackt. Zwischen zwei Durchgängen hatte er in Anwesenheit der drei Toten ein Tramezzino gegessen, doch die Stärkung hatte nicht lange vorgehalten, also hatte er ein Red Bull nachgelegt und gehofft, dass es ihm danach besser gehen würde. Nach mehreren Arbeitsschritten mit Lanzetten hatte sich jedoch einzig und allein ein gehöriges Herzrasen und ein schweißgebadeter Nacken eingestellt. Da hatte auch das Summen in den Ohren angefangen, und der glänzende graue Fußboden hatte auf einmal Wellen geschlagen, als wäre er flüssig. Rocchi war zu dem Obduktionstisch mit dem bläulichen Leichnam des Gärtners hinübergegangen, hatte sich hingekniet und sich mit dem Abspritzschlauch das Gesicht nass gemacht. Das Wasser hatte sofort, wenn auch nur vorübergehend, erfrischend gewirkt, und er hatte sich kurz hingesetzt. Zum Glück war er fast fertig.

Die Autopsien hatten bestätigt, was für die Spurensicherung und Mancini schon am Tatort offensichtlich gewesen war: Die drei Opfer waren mit einem harten Schlag auf den Hinterkopf betäubt worden, vermutlich, als sie zu fliehen versuchten. Dann hatte der Täter ihnen mit einem Messer mit unebener Klinge die Halsschlagader durchtrennt und sie hinter den Lorbeerhecken verbluten lassen. Schließlich hatte er sie hinauf zum Museum gezerrt und dort zu dieser Komposition arrangiert, bevor ihre Gliedmaßen steif wurden, und die Nägel in die Gelenke geschlagen, um feste Ansatzpunkte zu gewinnen, um die er herum arbeiten konnte. All das ohne Augenzeugen: Die Tore des Borghese-Parks schlossen um neunzehn Uhr, und die Überwachungskameras des Museums waren durch einen Kurzschluss ausgeschaltet worden.

Antonio Rocchi blickte zu dem stählernen Block mit den Kühlzellen, von denen drei in der unteren Reihe leer waren. Er raffte sich auf, die wenigen Meter zurückzulegen, die ihn von den großen Türgriffen trennten, und kontrollierte die Temperaturanzeige: – 20°C, also alles normal. Er schob die am nächsten liegende Leiche, die des kleinen Jungen mit den hellbraunen Haaren, in die Zelle an der Ecke. Die Bahre glitt hinein, blockierte aber kurz, ehe sie schließlich doch mit einem leisen Klacken einrastete, woraufhin die Zelle geschlossen werden konnte. Doch Antonio zog die Bahre noch einmal ein Stück vor und spähte an das Ende der Schiene, um herauszufinden, was das Hineingleiten verhindert hatte. Erkennen konnte er nichts, vermutlich war einfach ein Zeh in die Führungsschiene geraten. Er versuchte es noch einmal, mit dem gleichen Ergebnis. Schnaufend zog er die Bahre ganz heraus, bis der Leichnam wieder vollständig vor ihm lag, im Grünlichweiß eines schmutzigen, unschönen Todes, mit den Spuren der Autopsie und jenen, die der Mensch hinterlassen hatte, der ihn getötet hatte.

Der Gerichtsmediziner hatte schon viele Tote gesehen, Opfer von Unfällen, Krankheiten, Mord und Totschlag, aber dieser Junge hatte etwas, das ihn verstörte. Wie auch die beiden anderen. Es lag an den Augen: Die Blicke der Toten hatten etwas Hypnotisches, Lebendiges. Der Killer musste viel Zeit auf sein schauriges Werk verwendet haben. Normalerweise setzte die Totenstarre zwei oder drei Stunden nach dem Ableben ein. Es könnte sich um einen Fachmann, einen Kollegen handeln, sinnierte Rocchi, der um die Reihenfolge der erstarrenden Körperpartien wusste, wie sie die sogenannten Nysten-Regel beschrieb: Zuerst waren die Augenlider, die Kiefer- und Gesichtsmuskeln betroffen, dann der Nacken, der Rumpf und zum Schluss die oberen und unteren Extremitäten. Herrgott, dachte er, um die Gesichter und Haltungen seiner Figuren so zu formen, muss der Täter innerhalb exakt bemessener Zeitfenster gearbeitet haben, sonst hätte er den Widerstand der Körper gegen die durchgeführten Verrenkungen nicht perfekt für seine Zwecke nutzen können.

Er schob, nun ohne jeden Widerstand, alle drei Leichname in die leer stehenden unteren Kühlzellen und verließ den Obduktionssaal durch die Schwingtür. Die Müdigkeit übermannte ihn förmlich und machte ein Weiterarbeiten sinnlos. In seinem Büro legte er sich ausgestreckt auf die Liege und schob ein Kissen unter seinen Nacken, und schon nach wenigen Augenblicken ging sein Atem tief und regelmäßig.

Als er am nächsten Morgen um kurz nach sechs aufwachte, vibrierte in der Hosentasche sein Handy. Rocchi rieb sich kurz über die Augen, bevor er das Gespräch annahm. Das Display zeigte eine ihm unbekannte Festnetznummer an.

»Ja?«

»Hallo, Antonio«, vernahm er die Stimme von Carlo Biga, dem alten Kriminologen und Universitätsdozenten im Ruhestand.

»Professore … guten Morgen.«

»Habe ich dich geweckt?«, fragte Carlo Biga mit einem Blick auf die Pendeluhr in seinem Wohnzimmer.

Antonio konnte sich gut vorstellen, wie der alte Kriminologe gerade im Licht der Bogenlampe in seinem grünen Samtsessel saß. Er war nahezu achtzig Jahre alt, aufgedunsen vom Whiskey und einer nicht gerade mediterranen Ernährungsweise, klein und mit einer Nickelbrille, die ihm an einer Schnur immer wieder von der Nase rutschte. Sicher warf er jetzt einen Blick auf die imposante Uhr mit dem Walnussgehäuse, die an der tabakbraun tapezierten Wand gegenüber stand und zu jeder vollen Stunde in dumpfem Ton schlug.

»Kein Problem, was gibt es?« Rocchi stand auf und schleppte sich zu der Ecke, in der eine Induktionskochplatte und ein Espressokocher standen.

»Ich wollte nur mal hören, ob du heute zu dieser Vorlesung gehst.«

Die Spezialeinheit für die Analyse von Gewaltverbrechen, kurz UACV, hatte eine Vortragsreihe für die besten Studierenden des Aufbaustudiengangs Angewandte Kriminalpsychologie des Landes organisiert. Die Vortragenden waren sämtlich Fachleute und Spezialisten, deren Arbeit unmittelbar um einen Tatort und die Ermittlungen kreiste, und Antonio Rocchi war einer von ihnen.

»Zwangsläufig, Professore, ich bin mit meiner Vorlesung gleich nach Ihrem Lieblingsschüler dran. Er um elf, ich um zwölf Uhr.«

»Aha, du musst also auch ran.«

Biga war vor langer Zeit von seinem Lehrstuhl für Kriminologie an der Universität in Rom emeritiert und in der akademischen Welt nur noch eine Randfigur. Auch die Auszubildenden der UACV unterrichtete er nicht mehr. Unter ihnen war seinerzeit auch Enrico Mancini gewesen, der Schüler, auf den Antonio anspielte. Er war in Bigas Seminaren der Beste gewesen, mit der schnellsten Auffassungsgabe, der besten Intuition und später der steilsten internationalen Karriere. Bis er sich nach Marisas Tod zurückgezogen hatte.

»Allerdings. Ich muss, aber eigentlich macht es mir Spaß. Heute werde ich über Phänomene bei Leichenverwesungsprozessen sprechen. Ich habe ein paar Folien zur Verseifung von Wasserleichen rausgesucht, bei denen den Studenten ordentlich schlecht werden wird.«

Rocchi hatte das Handy auf Lautsprecher gestellt und während des Redens die Kanne aufgeschraubt und das alte Pulver entsorgt. Jetzt machte er sich daran, frisches einzufüllen.

»Hör mal, verrat mir mal was.«

»Zu Befehl.«

»Wie geht es ihm?«

»Enrico? Gut, würde ich sagen. Es sei denn, er hätte plötzlich schauspielerisches Talent entwickelt. Er geht jetzt zu Dottoressa Antonelli, und wie mir scheint, hilft es.«

»Der Hirnklempnerin vom Revier?«

»Ja. Er lässt die Handschuhe mittlerweile zu Hause.«

»Verstehe. Ich frag nur, weil er sich schon länger nicht gemeldet hat.«

»Ach, Sie kennen Enrico doch, Professore. Besser als wir alle, das sollte Sie also nicht wundern. Außerdem hat Gugliotti ihn auf diesen Fall in der Galleria Borghese angesetzt …«

»Wie bitte?« Davon wusste Biga nichts. Es war das erste Mal, dass Enrico Mancini ihm nichts von einem Fall erzählte.

»Es gibt vier Opfer, Professore.«

»Habt ihr schon eine Spur?«

Biga musste sich eingestehen, dass er sich auf dem Abstellgleis fühlte. Vergessen zuerst von den Kollegen, dann von Gugliotti, der ihm den Lehrauftrag entzogen hatte, und jetzt auch noch von Enrico, der wie ein Sohn für ihn war. Niemand bei der Mordkommission hielt ihn noch auf dem Laufenden. Hinzu kam, dass er selten Zeitung las und meist zu Hause hockte. Seit seiner Pensionierung bewegte er sich kaum noch von seiner heimischen Burg fort. Auch die Seminare, die er bis vor ein paar Monaten noch für einige wenige Leute von der UACV gegeben hatte, hatte er bei sich zu Hause abgehalten. Er begab sich höchstens mal zu dem kleinen Lebensmittelladen oben an der Straße oder zum alten Weinlokal an der Ecke zum Viale Carnaro. Nur Antonio rief ihn hin und wieder an, um zu hören, wie es ihm ging und ihm das Neueste über die aktuellen Fälle zu erzählen.

»Warum fragen Sie ihn nachher nicht selbst? Sie kommen doch?«

Einen Moment herrschte verlegene Stille, dann fragte Biga: »Fährst du mich hin?«

Der alte Kriminologe hatte keinen Führerschein.

»Natürlich. Aber tun Sie mir bitte einen Gefallen …«

»Sag schon.«

»Lassen Sie die Finger von diesem Zeug, das bringt Sie noch um.«

Das Klirren des Whiskyglases auf dem Beistelltisch hatte den...



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