Zwygart | (Ir-)Rationale Topmanager | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 216 Seiten, Gewicht: 1 g

Zwygart (Ir-)Rationale Topmanager

Zur Krise der Finanzwirtschaft und des Managements

E-Book, Deutsch, 216 Seiten, Gewicht: 1 g

ISBN: 978-3-03823-955-0
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ulrich F. Zwygart kritisiert den homo oeconomicus, das Modell individueller Rationalität, und stellt diesem das Ideal der kollektiven Rationalität gegenüber. Im ersten Teil stellt er zwölf bekannte Manager vor wie Dick Fuld, Marcel Ospel, Fred Goodwin oder Jon Corzine und analysiert deren Entscheidungen aufgrund von neurologischen, sozial- und kulturwissenschaftlichen sowie ökonomischen Erkenntnissen. Dabei werden die irrationalen Einflusskräfte, welche die Rationalität gefährden, eindrücklich dargestellt. Diese E-Fallen sind u. a. Egomanie, Erotik, Erfahrungen, Emotionen, Eindimensionalität, Erfolge, Erfüllungsgehilfen und Enthaltung. Im zweiten Teil stellt er die Frage, wie die Verantwortung wahrgenommen wird. Ulrich F. Zwygart liefert als Manager für Manager einen wesentlichen, überraschenden und zum Nachdenken anregenden Beitrag zur Krise der Finanzwirtschaft, basierend auf einem interdisziplinären Ansatz, der zu einer neuen Sicht auf das Management führt.
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1   Fallbeispiele – wie haben sie entschieden? Zwölf Einzelporträts liegen vor. In neun Fällen handelt es sich um Topmanager von Grossbanken, in einem Fall um den Inhaber einer Einzelfirma und in zwei Fällen um Junior-Manager: Darunter verstehe ich einen Teamleader oder Projektleiter mit einigen Mitarbeitern; er hat ein klar umschriebenes Aktions- und Wirkungsfeld und ist verantwortlich für bestimmte Leistungen und Ergebnisse; oft handelt es sich um jüngere Führungskräfte, die erst wenige Jahre in der Organisation tätig sind. Zum mittleren Management gehören Führungskräfte, die Chefs eines Geschäftszweigs, einer Region oder eines Stabsbereichs sind, ein Amt oder eine Dienststelle leiten; vielfach sind sie bereits mehrere Jahre für dieselbe Organisation tätig und verfügen über eine Vielzahl von Mitarbeitern sowie von zwei bis acht direkt an sie berichtende Manager; aus ihnen rekrutieren sich die künftigen Topmanager. In dieser Kategorie sehe ich die Mitglieder von Verwaltungsräten (VR) bzw. Aufsichtsräten (AR), von Geschäftsleitungen/Vorständen, das heisst der CEO, COO, CFO, die Divisionsleiter und Chefs wichtiger Stabsbereiche sowie die an diese Ebene rapportierenden Manager; Topmanager sind demnach auf der normativ-strategischen und der oberen operationellen Ebene anzusiedeln und haben die grössten Einflussmöglichkeiten bezüglich Ausrichtung, Gestaltung und Zielerreichung von Organisationen. Die Fallbeispiele enthalten wichtige Stationen im beruflichen Leben der zwölf Protagonisten. Alle Informationen sind öffentlich zugänglichen Quellen entnommen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen ihre Karriere und Entscheidungen im Rahmen der Finanz- und Bankenkrise ab 2007. Am Schluss jedes Kurzporträts stelle ich die Frage, weshalb sie in einem bestimmten Fall so entschieden haben. Im folgenden Hauptkapitel analysiere ich verschiedene Motive und Ursachen, welche Aufschlüsse über ihr Handeln geben können. 1.1   John Thain, Merrill Lynch/Bank of America John Thain, Jahrgang 1955, besuchte das Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo er Elektrotechnik studierte; an der Harvard University erlangte er den MBA. Nach dem Studium ging er zu Goldman Sachs und arbeitete zuerst im Finanzbereich, bevor er ins Investmentbanking wechselte. Nach mehreren Promotionen wurde er 1994 zum CFO von Goldman Sachs ernannt. Als er anschliessend nicht CEO wurde, verliess er die Firma und wechselte zur New York Stock Exchange, zu deren Chef er aufstieg. Hier vollzog er drastische Sparmassnahmen, den Wechsel zum elektronischen Trading sowie den Börsengang. 2007 wechselte er zu Merrill Lynch. Als Vergütung erhielt Thain einen signing bonus von 15 Millionen USD sowie Aktien im Wert von 68 Millionen USD.5 Bekannt als kühl kalkulierender Problemlöser, auferlegte John Thain Merrill Lynch einen rigorosen Sparkurs: Er entliess Hunderte Mitarbeiter und kürzte die Gehälter. Gleichzeitig stellte er aber zwei hochrangige Investmentbanker von Goldman Sachs für eine kombinierte Summe von 68 Millionen USD ein und liess sein eigenes Büro für 1,2 Millionen USD renovieren.6 Als im März 2008 mit der Übernahme von Bear Stearns durch JP Morgan Chase die Krise der Finanzmärkte deutlicher wurde, gelang es Thain, die gefährlichsten Papiere abzustossen und dringend benötigtes Kapital für Merrill Lynch zu beschaffen. Im Herbst, nach dem Untergang von Lehman Brothers, konnte er Merrill Lynch an die Bank of America verkaufen und sich sowie anderen Spitzenmanagern einen Bonus von insgesamt 3,4 Milliarden USD sichern. Nachdem der Aktienkurs von Merrill Lynch auch nach der Übernahme drastisch abgestürzt war und die Kosten der Büroerneuerung sowie die horrenden Boni trotz schlechtem Geschäftsgang an die Öffentlichkeit gelangt waren, wurde Thain am 22. Januar 2009 entlassen.7 Warum entschied John Thain, sein Büro für 1,2 Millionen USD renovieren zu lassen und sich und anderen trotz massiver Verluste Boni in Milliardenhöhe zu sichern? 1.2   Richard Fuld, Lehman Brothers Richard Fuld, Jahrgang 1946, studierte an der Boulder University in Colorado und an der New York University, wo er seinen MBA erlangte. 1969 begann er als Commercial Paper Trader bei Lehman Brothers. Damals trugen noch Boten die Zertifikate von Büro zu Büro. Fuld arbeitete sich kontinuierlich hoch, vom dynamischen Händler bis zum erfolgreichen Firmenboss. Man darf sagen, dass seine Karriere sinnbildlich für den Investmentbanker mit überproportionalem Bonus steht, da er in den Jahren 2000 bis 2007 jährlich etwa 40 Millionen USD einnahm. Er führte die Unternehmung 14 Jahre, von 1994 bis 2008, und galt als einer der kompetentesten und erfahrensten Firmenchefs in der Finanzwelt.8 Unter seiner Führung hatte sich der Profit von Lehman Brothers von 113 Millionen im Jahre 1994 auf 4,2 Milliarden USD Ende 2007 erhöht. In derselben Zeit vervielfachte sich der Aktienpreis um das 20-Fache. Fuld identifizierte sich mit seiner Investmentbank und bezeichnete sie als «seinen Sauerstoff».9 In den 1980er-Jahren war es zu einem Machtkampf um die Führung von Lehman Brothers gekommen, den Fuld quasi aus nächster Nähe mitverfolgte. Zwei Senior Partner, Lewis Glucksman, verantwortlich für das Kundengeschäft, und Peter Peterson, Chef des Investmentbanking, wetteiferten um die alleinige Führung der Bank. Glucksman manövrierte seinen Kontrahenten aus dem Präsidium, was zu weitergehenden Zerwürfnissen zwischen den traditionell orientierten Bankern und den Händlern führte. Die Unternehmung wurde dadurch so geschwächt, dass sie 1984 von American Express übernommen wurde. Der Verlust der Unabhängigkeit, von Einkommen und der Imageschaden trafen die Partner, darunter Fuld, hart. Er soll zu dieser Zeit gesagt haben, dass er niemals mehr einen derartigen Machtkampf zum Schaden der Firma dulden werde.10 Erst zehn Jahre später wurde Lehman Brothers wieder eine selbstständige Bank. Fuld wurde CEO. Richard Fuld ist eine imposante Erscheinung. Er war im Hauptquartier bekannt für seinen eisernen Blick und seine unverblümte, emotional gefärbte Sprache, zum Beispiel über Konkurrenten oder die Bekleidung eines Managers. Man nannte ihn Gorilla. Er war ein gefragter Redner und Interviewpartner. Hingegen war er weder als Partygänger noch als grosser Netzwerker bekannt. Im Verlauf der Jahre kam es zu diversen Wechseln an der Unternehmensspitze: 1996 musste Christopher Pettit, ein Freund und Alliierter von Fuld, als COO den Hut nehmen, weil er sich mit ihm nicht über die Reorganisation der obersten Gremien verständigen konnte. Erst sechs Jahre später ernannte Fuld wieder einen neuen COO. In der Zwischenzeit verliess Michael F. McKeever, Chef des Investmentbanking, nach Auseinandersetzungen mit dem CEO die Unternehmung. Ähnlich erging es John Cecil, CFO bis 2000, der nach Diskussionen mit Fuld zurückgestuft wurde. Kritische Stimmen wie Michael Gelband, bekannt für seine brillianten Risikoanalysen, und Madelyn Antoncic verliessen die Firma. 2004 ernannte Fuld einen ihm treu ergebenen Mann zum COO: Joseph M. Gregory. Dieser machte es zu seiner Mission, Fuld alle Probleme vom Hals zu halten. Sitzungen mit Gregory waren bekannt als eine Art «Selbstgespräch».11 Er konnte Grundsatzreferate über das Erstellen von Protokollen oder über den Anzug eines Sitzungsteilnehmers halten. Über mögliche divergierende Meinungen wollte er vor der Sitzung orientiert werden. Während des Meetings ging es nur noch darum, Geschäfte durchzuwinken, wie sich Teilnehmer später erinnerten. Ging es Gregory in der Zentrale um Einigkeit und Disziplin, so strebte er dort, wo es um Profite ging, auch intern Konkurrenz an. Er förderte bewusst die Rivalitäten zwischen den Büros in New York und London. Die beiden Bereiche kämpften mit offenen Bandagen für bessere Ergebnisse, höhere Boni und stärkeren Einfluss bei CEO und COO. Auch nach den ersten Anzeichen einer Krise und nach der Übernahme von Bear Stearns durch JP Morgen Chase war Fuld der Ansicht, Lehman Brothers verfüge über genug Eigenkapital. Die Kontaktaufnahmen zu General Electric und Berkshire Hathaway dienten offenbar mehr dem Zweck, das Vertrauen des Markts in Lehman Brothers zu stärken, als Gelder aufzunehmen.12 Am 15. September 2008 musste Lehman Brothers – 158 Jahre nach ihrer Gründung als Maklerfirma in Alabama – Konkurs anmelden. Der damalige US-Finanzminister Henry M. Paulson Jr. sagte, er wolle nicht Steuergelder verwenden, um Lehman Brothers zu retten. Noch im März 2008 hatte dieselbe Regierung 29 Milliarden USD für den Kauf der Investmentbank Bear Stearns durch JP Morgan Chase zur Verfügung gestellt. Der Präsident der US-Notenbank, Ben S. Bernanke, bestand darauf, dass die Regierung nichts gegen den Zusammenbruch von Lehman Brothers habe tun können.13 Zuvor hatte Fuld gewarnt, der Konkurs seiner Firma könnte ein «finanzielles Armageddon» auslösen. 2006 wurde Fuld vom Institutional Investor Magazine zum No. 1 CEO in the Brokers & Asset Manager Category gewählt, nach Ausbruch der Wirtschaftskrise vom Fernsehsender CNBC jedoch als Nummer 1 der Liste Worst American CEOs of All Time.14 Es ist erwiesen, dass Fuld mehrere Male von Mike Gelband, dem Chef des Immobiliengeschäfts von Lehman Brothers, darauf hingewiesen wurde, dass eine Blase zu platzen drohe.15 Warum hat er diese Warnungen ignoriert und mit dem Hinweis abgetan, Gelband solle...


Ulrich F. Zwygart, Prof. Dr., Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Bern und Fürsprecherpatent. Juristische Tätigkeit und Generalmajor der Schweizer Armee. Heute ist er Honorarprofessor für Unternehmensführung an der Universität St. Gallen und Managing Director, Deutsche Bank AG London, tätig in der Ausbildung und im Coaching. Publikation: 'Wie entscheiden Sie?' (2007).


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