Achenbach | Meine Wäsche kennt jetzt jeder | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Achenbach Meine Wäsche kennt jetzt jeder


3. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7700-4143-5
Verlag: Droste Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-7700-4143-5
Verlag: Droste Verlag GmbH
Format: EPUB
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Dorothee Achenbach zieht Bilanz nach Millionenbetrug und Inhaftierung ihres Mannes Seit Juni 2014 sitzt der schillernde Düsseldorfer Kunsthändler Helge Achenbach in Untersuchungshaft. Wegen Betrugs wurde er auf Betreiben der Nachkommen des Milliardenerben Berthold Albrecht zu sechs Jahren Gefängnis und Schadensersatzleistungen von knapp 20 Millionen verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, neue Klagen drohen, der Fall ist noch lange nicht abgeschlossen. Nach einem Jahr zieht seine Ehefrau Dorothee Achenbach mit ebenso viel Humor wie Ernsthaftigkeit ihre ganz persönliche Bilanz: Jeder Privatsphäre beraubt, beschreibt sie eine Frau aus den höheren Kreisen der Gesellschaft, die plötzlich vor einem Abgrund steht und die Vernichtung der Grundfesten ihrer Existenz erlebt. Nach der völlig unerwarteten Festnahme ihres Mannes erleben sie und ihre Kinder die geballte Wucht der Strafverfolgung. Tägliche Schlagzeilen, Besuche von Gerichtsvollziehern, materielle Sorgen, Angst, Firmeninsolvenzen, Gerichtsprozesse und Aufenthalte in der JVA bestimmen ihren neuen Alltag. Währenddessen schreibt ihr Mann aus dem Knast zahlreiche Briefe an sie, in denen er über seine große Schuld und tiefe Reue gegenüber seiner Familie spricht, um Verzeihung bittet und von einer gemeinsamen Zeit wieder in Freiheit träumt. Dorothee Achenbach zitiert aus diesen Briefen. In schonungsloser Offenheit und teils satirisch anmutender Art schildert sie das erste Jahr im Ausnahmezustand: Den Zeitraum von der Inhaftierung bis zur Versteigerung der gesamten Achenbach-Kunst. Gleichzeitig beschreibt sie sehr gekonnt, wie man in einer schier aussichtslosen Lage mit viel Humor, guten Freunden, liebenden Eltern und einem neurotischen Hund auch das Schlimmste überstehen und sogar einen Sinn darin erkennen kann.

Dr. Dorothee Achenbach wurde in Trier geboren. Sie studierte Kunstgeschichte, Politik- und Literaturwissenschaften in ihrer Heimatstadt, München und Paris. Sie wurde 1991 promoviert. Seit 1996 ist sie mit Helge Achenbach verheiratet. Nach Tätigkeiten bei verschiedenen TV-Sendern war sie fast 20 Jahre in der Kunstberatung tätig. Sie ist Moderatorin und freie Journalistin im Bereich Bildende Kunst und Kultur.2011 erschien ihr Kinderbuch 'Der kleine Ton' im Coppenrath Verlag. Dorothee Achenbach lebt mit ihren beiden Kindern und ihrem Hund in der Nähe von Düsseldorf.
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Ela und andere Katastrophen

Drei Tage dauert das Fest in Washington. Meine älteste Freundin und ihr Ehemann feiern dort runden Geburtstag, fast 40Freunde sind aus ihrer alten, deutschen Heimat angereist. Mein Mann Bernhard und ich erleben wunderschöne, unterhaltsame und sonnige Tage in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten.

Unser Flug zurück in die Heimat verläuft ruhig. Bis auf die Tatsache, dass ich meinem Gatten gleich nach dem Start meinen E-Reader an die Stirn knalle und dieser daraufhin seinen Geist aufgibt (der E-Reader, nicht der Gatte). Aber irgendwie muss man ihm – dem Mann – ja klarmachen, dass der Blackberry aus Sicherheitsgründen während des Fluges ausgeschaltet werden muss. Auf die beiden Stewardessen und die sich beschwerenden Mitreisenden hinter uns hört er nicht. So ist er halt. Frei nach Louis XIV.: »La loi, c’est moi« – Das Gesetz bin ich.

Leicht zerknittert steigen wir zwölf Stunden später aus dem Flieger. Es ist der Dienstag nach Pfingsten. Da es erst kurz nach sechs Uhr am Morgen ist, beschließen wir, im Flughafen noch frische Brötchen für die Familie zu Hause zu kaufen. Da warten Oma, Opa, der Hund und die Kinder auf die Rückkehr der lieben Eltern.

Daraus wird erst mal nix.

Zwei Herren mit einem Foto in der Hand stehen am Ende der Fluggastbrücke, gucken meinen Angetrauten forschend an, fragen höflich, aber bestimmt: »Bernhard Krämer?« Und fügen hinzu: »Polizei. Bitte kommen Sie mit.« Mein Gatte schaut verdutzt, bejaht die Frage, und schon traben die drei mit den an mich gerichteten Worten »Sie können jetzt gehen« davon. Wie bitte? Ich laufe hinterher und rufe panisch: »Ist den Kindern was passiert?« Das ist mein erster Gedanke – denn was um Himmels willen sollte vernunftbegabte Polizisten so früh dazu veranlassen, vor Airbussen zu lauern? Etwas Furchtbares muss vorgefallen sein! »Wir haben einen Haftbefehl gegen Ihren Mann«, erklärt einer der Beamten.

Da klappt mir erst mal die Kinnlade runter. Einen was? Zwei weitere Beamte in Zivil kommen dazu, nicken ernst, und ich marschiere wie in Trance hinterher. Kleinlaut frage ich nach, ob ich vielleicht den Koffer am Gepäckband holen dürfe? Darf ich. »Aber nicht anfassen!«, ruft einer der Gesetzeshüter und nimmt ihn selbst vom Band.

Cool, endlich schleppt mir mal jemand das schwere Ding.

Eskortiert von zwei der Polizisten geht’s in einen zivilen Streifenwagen, und wir fahren zur Polizeidienststelle am Flughafen. Ich werde in einen quietschorangen Plastikstuhl befördert und soll mich nicht rühren, während das Dreigestirn irgendwo verschwindet und – wie ich hinterher sehe – jedes Teil unseres Gepäcks akribisch durchsucht wird. »Nach was suchen die?«, frage ich mich und sage zur Auflockerung der angespannten Atmosphäre zu Bernhard: »Gut, dass wir das ganze Ecstasy schon verbraucht haben.« Da ernte ich einen unmissverständlichen Blick des älteren der beiden Beamten: »Wir sind eigentlich von der Drogenfahndung!«, knurrt er.

Jetzt versteh ich gar nichts mehr. Wieso denn Drogenfahndung? Ich weiß, jeder Mann hat Geheimnisse vor seiner Frau. Aber darauf wäre ich nicht gekommen. Bernhard und bewusstseinserweiternde Substanzen? Schwer vorstellbar.

Wieso die Koks-&-Co.-Experten hier im Einsatz sind, wird uns wenig später klar. Freundlich sagt man mir, dass man mir nun ein Taxi bestelle, damit ich heimfahren könne. Aber kein Telefonat geht durch. Tote Leitungen. »Das ist wegen Ela«, meint ein Beamter. Wer ist denn jetzt schon wieder Ela? Nie gehört. Da beschließen die netten Fahnder, uns beide nach Hause zu fahren, damit der Herr Krämer auch frisch geduscht abgeführt werden kann.

Kaum verlässt der Wagen das Flughafengelände, trauen wir unseren Augen nicht: Hat einer von Hollywoods Katastrophenspezialisten hier einen Endzeitfilm gedreht, oder was ist los? Entwurzelte Bäume, umgestürzte Bauzäune, umgeknickte Straßenschilder, blockierte Straßen und das absolute Verkehrschaos. Stoßstange an Stoßstange, nichts geht mehr. Hupen sinnlos. Nach Hause fahren ebenfalls.

Während wir selig im Flugzeug schliefen, war unten auf der heimischen Erde der Teufel los gewesen: Ela war ein Orkantief – ich frage mich, warum die fast immer Frauennamen haben –, das in der Nacht durch das Land getobt war. Der Sturm hatte eine nie dagewesene Schneise der Verwüstung hinterlassen und sogar Todesopfer gefordert. Daher die Drogenfahnder – die zuständigen Polizisten waren schlicht nicht zum Flughafen durchgekommen. Die Kollegen mussten einspringen.

Wir kommen allerdings auch nicht weiter. Also greife ich zum Mobiltelefon und hoffe, dass es funktioniert – irgendjemand muss den Lieben daheim ja sagen, dass wir a) noch leben und b) der Papi wieder mal ganz ungewöhnliche Bekanntschaften geschlossen hat. Aber da habe ich nicht mit dem gestrengen Herrn auf dem Beifahrersitz gerechnet: »Sie telefonieren mit niemandem, bis die Hausdurchsuchung abgeschlossen ist!«

HAUSDURCHSUCHUNG? Das wird ja immer besser! Ein paar Sekunden halte ich den Mund, doch dann werde ich auch mal streng: »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich zulasse, dass meine Eltern gleich die Haustür aufmachen und unvorbereitet einem Dutzend Polizisten gegenüberstehen! Sie sind jetzt 75Jahre alt und NIE auch nur bei Rot über die Fußgängerampel gegangen! Für den Herzinfarkt meines Vaters mache ich Sie persönlich verantwortlich! Und für die schockierten Kinder auch!« Richtig aufgebracht bin ich und rechne schon mit einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Beamtenbeleidigung, als es vom Beifahrersitz versöhnlich meint: »Okay, aber im Moment nur ein Telefonat!«

Gottlob ist die Leitung frei, und auf die Botschaft, dass der einzige amtierende Schwiegersohn verhaftet worden sei und gleich wahrscheinlich eine ganze Truppe Beamte von Staats wegen ins Haus einfallen wird, antwortet mein Vater nur: »Alles klar. Ich koch schon mal Kaffee für alle.« Das nenne ich mal souverän.

Und wenn man schon mal das Telefon in der Hand hält: Einem als Anwalt zugelassenen Freund des Angetrauten zwei Stunden später eine Nachricht zu senden, dass wir gerade Ungewöhnliches erleben und er entweder sich oder einen anderen juristisch versierten Kollegen zum Polizeipräsidium schicken solle, ist sicher nicht verkehrt. Die Herren gucken und haben offenbar nichts dagegen, da die Durchsuchung inzwischen sicher in vollem Gange ist. In Filmen heißt es ja auch immer, man solle in solchen Fällen besser einen Rechtsbeistand holen.

Bernhard hält meine Hand, streichelt sie mechanisch und beschwichtigt mich alle paar Minuten: »Das kann nichts Schlimmes sein, es wird sich alles aufklären, mach dir keine Sorgen.« Klingt eher so, als wolle er sich selbst beruhigen.

Wenn ich zu diesem Zeitpunkt nur ansatzweise gewusst hätte, was uns in den nächsten Monaten Unvorstellbares blüht, wäre ich aus dem Auto gesprungen, hätte die Kinder geschnappt und wäre mit ihnen auf den Ausläufern von Ela Richtung Mars getürmt.

Als wir nach über vier Stunden im Schneckentempo das knapp 30Kilometer entfernte Präsidium erreichen, erwartet uns zwischen umgestürzten Müllcontainern und kreuz und quer liegenden Bäumen ein seriöser Herr nebst Aktenkoffer. »Gestatten, ich bin Anwalt. Für Strafrecht«, stellt er sich vor. Einen Mann dieses Fachgebietes braucht Bernhard, denn wie wir im Haftbefehl lesen durften, lautet der Vorwurf Betrug und Untreue. Damit kenne ich mich als Ehefrau des Beklagten zwar seit letztem Sommer leider bestens aus, aber das ist in unserem Kulturkreis ja nicht strafbar. (Wobei ich denke: Schade eigentlich.)

In diesem Fall geht es jedoch um Geld, und zwar um sehr viel Geld: Die Witwe eines Kunden rief im Namen der fünf volljährigen Kinder und Erben des Verstorbenen und möglicherweise auch auf anwaltlichen Rat hin die Staatsanwaltschaft auf den Plan, genauer zu überprüfen, ob mehrstellige Millionenbeträge zu Unrecht vom Konto ihres verstorbenen Gatten – einem Milliardenerben – auf Konten von Bernhard oder seinen Firmen gewandert seien. Die Verhaftung folgte relativ prompt.

Der Strafrechtler und die Beamten verschwinden nach knapper Begrüßung mit Bernhard im Treppenhaus des Präsidiums, und ich sitze wieder mal auf einem bunten Plastikstuhl. Da ich als treusorgendes Weib die Bedürfnisse meines Mannes kenne und mir langweilig wird – mein E-Reader ist ja bedauerlicherweise nicht mehr einsatzbereit –, frage ich nach dem nächsten Kiosk, erstehe dort ein Mettbrötchen mit einem Tütchen Senf und stopfe es, ganz praktische Hausfrau, nebst seinem Kulturbeutel und Wechselwäsche aus seinem Koffer in meine Handtasche. Als die Herren nach zwei Stunden wiederkommen, drücke ich sie meinem Mann in die Hand. Er soll ja nicht hungern und schön sauber und frisch sein. Wie er mit dieser gelben Damenhandtasche unterm Arm zurück in das Präsidium geht, ist das Letzte, was ich die nächsten Wochen von ihm sehen werde.

Zwölf Monate später habe ich die Tasche trotz wiederholten Nachfragens immer noch nicht wiederbekommen. Hoffentlich haben sie das Mettbrötchen rausgenommen. Sonst krabbelt es jetzt durchs Präsidium.

Meine Wäsche kennt jetzt jeder

Nach weiteren vier Stunden bin ich endlich zu Hause. Der Strafrechtler musste erst sein Auto halb umräumen, damit das Gepäck und ich reinpassten. Anwälte nehmen anscheinend ganz gern Dutzende Aktenordner und Papierstapel mit nach Hause; nach entspanntem Pfingstwochenende sieht das jedenfalls nicht aus. Ich bin froh, dass der vielbeschäftigte Jurist so kurzfristig Zeit hatte.

Auf der Rückfahrt hatte ich ihn noch darum gebeten, im Namen der Familie eine juristisch korrekte...


Dr. Dorothee Achenbach wurde in Trier geboren. Sie studierte Kunstgeschichte, Politik- und Literaturwissenschaften in ihrer Heimatstadt, München und Paris. Sie wurde 1991 promoviert. Seit 1996 ist sie mit Helge Achenbach verheiratet. Nach Tätigkeiten bei verschiedenen TV-Sendern war sie fast 20 Jahre in der Kunstberatung tätig. Sie ist Moderatorin und freie Journalistin im Bereich Bildende Kunst und Kultur.2011 erschien ihr Kinderbuch „Der kleine Ton“ im Coppenrath Verlag. Dorothee Achenbach lebt mit ihren beiden Kindern und ihrem Hund in der Nähe von Düsseldorf.



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