Achermann / Stoll | Rauschgas | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 316 Seiten

Achermann / Stoll Rauschgas

Roman aus zwei Welten
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7494-0531-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman aus zwei Welten

E-Book, Deutsch, 316 Seiten

ISBN: 978-3-7494-0531-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mark Steigerwald, ein deutscher Kriegsgefangener in Frankreich, gelingt während des 1. Weltkriegs die Flucht in die Schweiz. Hier schließt er sich dem Bellumbello-Klub, einem Kommunistenklub in Zürich an und gerät schließlich als Gefangener ins sibirische Arbeitslager Lenin II. F.H. Achermann, Autor von Bestsellern wie "Dämonentänzer der Urzeit", "Totenrufer von Hallodin" oder "Die Jäger vom Thursee" wendet sich mit diesem Roman seiner eigenen Zeit zu. Er verwebt eine Liebesgeschichte, eine Geschichte um tiefe Freundschaft und eine kritische Betrachtung am Kommunismus Stalins zu einer fesselnden Geschichte, die Mark und seinen Freund Franz von Frankreich bis in die Mandschurei führt. Ein weniger bekannter Roman Achermanns, der ein eindrückliches Portrait seiner Zeit mit einer spannenden Geschichte zu kombinieren weiß.

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Potemkindörfer


„Ich möchte mein Volk glücklich machen!", seufzte Katharina II. von Russland unter einem Wust von Seidenpfühlen.

„Es ist schon glücklich, Majestät!", entgegnete mit der großen Kniebeugung seine Exzellenz General Grigorij Alexandrowitsch

Potemkin, Fürst von Taurien und des Römischen Reichs.

„Grigori, du lügst! Aber du lügst schön!"

„Majestät geruhen zu zweifeln! – Sterben sei mein Anteil, wenn ich nicht die Wahrheit spreche! Seit Majestät Ihre Herrschaft angetreten haben, ist Russland ein Paradies geworden! Es gibt keine Armen und kein Elend mehr; der Bettel ist verschwunden; wo früher in den Hütten halb tierische Menschen wohnten, da haben sich aus fruchtbaren Gefilden blühende Dörfer erhoben, und glückliche Menschen in Festgewändern singen Dankgebete für das Wohlergehen Ihrer Majestät!"

„Schön, Grigori! – Und – und: Wenn ich nun dieses Glück meiner Untertanen sehen wollte – von Angesicht sehen wollte?"

„Majestät haben zu befehlen!"

„Ich befehle: Morgen fahren wir durch Russland!"

Und sie fuhren durch Russland, Kaiserin Katharina II. und ihr Günstling Potemkin mit Gefolge2. Und Potemkin zeigte der Kaiserin das Glück ihrer Untertanen: An grünenden Längen erheben sich schmucke Dörfchen mit blühenden Gärten und davor Menschen in Festtagsgewändern!

Die Kaiserin ist entzückt und gewährt Potemkin von Neuem ihre Gunst. Tränen des Glückes glitzern an ihren Wimpern.

Und heute wissen wir, dass die „blühenden Dörfer" nur Theaterkulissen und die „glücklichen Menschen" gedungene Schauspieler waren! Eine geschichtliche Tatsache von unsterblicher Symbolik!

*

Und der Gedanke an diese historische Vorführung wird nun den Leser nach Russland begleiten und nie mehr verlassen; denn – nur die Form des Regimentes hat heute gewechselt, aber die Seele ist geblieben! Eine viel dunklere Seele noch als zur Zeit Katharinas der Zweiten!

*

Drei Jahre sind vergangen.

Ich bin unterdessen Dr. rer. nat. und Propagandachef des Bellumbelloklubs geworden: Wir müssen die Werbetrommel für Sowjetrussland rühren. Mittel haben wir. Die Frage nach dem Woher ist überflüssig!

Und da bekomme ich eines Tages den ersehnten Auftrag:

Natürlich nehme ich Franz Kelheim mit, und mit geschwellter Brust fahren wir in den Frühling hinein!

Gemeint ist, außer der Jahreszeit, der „Frühling" der Menschheitsgeschichte!

Hundertfünfzig Millionen Herzen schlagen mit den unseren dem russischen Frühling entgegen!

Aber was uns und die hundertfünfzig Millionen anwehte, war nicht lebenspendende Frühlingsluft, sondern Gas – ein betörendes, betäubendes Freudengas, das den Vergasten das Paradies der Zukunft als Fata Morgana schauen lässt, bis er erwacht und mit Schrecken erkennt, dass er Ketten trägt!

Über die Entwicklung der sozialen, wirtschaftlichen, religiösen Probleme des neuen Russlands sind Tonnen, Eisenbahnwaggons, ganze Schiffsladungen von Büchern geschrieben worden.

Wir wollen zu den Millionen nicht noch eines hinzufügen; denn heute kann einer in langen Opfernächten ein solches Buch schreiben, und wenn es herauskommt, hat sich das Gesicht Russlands wieder verändert!

Aber aus dem brodelnden Kessel der inneren Evolutionen wollen wir das herausgreifen, was bleibt, den Niederschlag, die Auskristallisation des Bodensatzes, den Absud – die Früchte! Und diesen Niederschlag wollen wir einer Welt vor Augen halten, einer Welt, die es vielleicht nicht sehen will oder zum Teil begrüßend willkommen heißt – bis der Bazillus dieser geistigen Ansteckung die Kultur von zwei Jahrtausenden verpestet hat!

Der Bolschewismus ist eine Vergasung der Völker mit Wahnsinn; aber dieser Wahnsinn hat Methode, steckt an und zerstört:

Dadurch schafft der Bolschewismus die unglücklichsten Menschen, die je gelebt haben; denn für das 156 Diesseits harrt ihrer nur Elend und für das Jenseits – keine Hoffnung! Kein Diesseits und kein Jenseits!

Die Poesie der Liebe und Treue ist gestorben und wurde im Mülleimer begraben.

Vor Gericht galt es früher als mildernder Umstand, wenn ein Verwahrloster kein Familienleben gekannt hat. Satan Bolschewismus zerreißt die Bande des Blutes, der Elternliebe, der Kindesliebe, der Bruderliebe. Der Adler kreist über seinem Horst, wenn man ihm die Jungen nehmen will – und selbst die Wanderratte beißt.

Der Verstand ermöglicht dem Menschen, tiefer zu sinken – dorthin, wo auch die Ratte nicht mehr beißt!

Der russische Arbeiter als Einzelmensch ist eine Maschine, die täglich 6-14 Stunden für den Staat eingeschaltet ist. Er ist eine Kontrollnummer, die eingeschrieben, ausgestrichen, addiert, subtrahiert, multipliziert und – gebrochen werden kann. Eine Nummer kann nicht glücklich sein; denn sie hat kein Eigenleben, keinen freien Willen, keine Selbstbestimmung, kein Gemütsleben, kein Heim, keine Traulichkeit, kein höheres und kein höchstes Glück. Sie wird nicht geboren, sondern ausgerechnet, verrechnet und gelöscht.

Gerhard Binz berechnet die Armee der Sowjetgardisten für den Kriegsfall auf zwölf Millionen! Armer Mann! Die Organisation der russischen Arbeiter, Arbeiterinnen und Bauern ist zugleich auch die Organisation des Krieges!

Nummer eins bis Nummer drei brauchen nicht bewiesen zu werden; denn die Bolschewisten verkünden diese als Dynamit für die Gesellschaft wirkenden Grundsätze laut genug, und ihre Gesetze bieten die Grundlage.

Moral? Seit Jahrzehnten verkünden es die kommunistischen Zeitungen und rufen es die Führer an den Maifeiern in die Welt hinaus: „Was dem Proletariat nützt, ist sittlich gut!"

Dieser – einzige! – Moralgrundsatz des Kommunismus hat in Russland bereits eine Modifikation erhalten: „Was dem kommunistischen Staate nützt, ist sittlich gut!"

Wenn aber die Bolschewisten Nummer fünf in Abrede stellen, so tun sie es nur deshalb, weil sie vergessen haben, dass sie es selbst gesagt haben!

Wenn der Fünfjahrplan nach Stalin in seinem Endzweck darauf abzielt, die Welt zu revolutionieren und die „Segnungen" des Bolschewismus in die Völker zu tragen, so ist unsere These schon bewiesen – denn als Liebfrauenmilch in Flaschen abgezogen, werden sie dieses Getränk der Weltrevolution wohl kaum kredenzen!

Über eine Momentaufnahme aus dem japanisch-chinesischen Kriege hat die kommunistische „A. I. Z." mit schreienden Lettern und heißer Entrüstung geschrieben: „Vater geht sterben!"

Mit Herzblut unterschrieben!

Aber:

Voilà tout! – Ein Beispiel von Tausenden! Wenn Russland mobilisiert, so wird der Propagandist der „A.I.Z." über Tausende von Momentbildern schreiben können:

„Vater und Mutter gehen sterben!"

Lenin sagte zwar, und Stalin verkündete desgleichen: Wir verteidigen nur die Errungenschaften der Revolution!

Also nur Verteidigungskrieg?

Ja, Herr Stalin im Kreml und Herr Lenin im Mausoleum, so sprachen alle kriegführenden Völker des Jahres 1914, als sie einander den Krieg erklärten! Wir sind also wieder auf dem alten Standpunkt, da jeder der Angegriffene sein will! Und: Stalin hat bereits – der ganzen Welt den Krieg erklärt!

Wie verträgt sich der russische „Verteidigungskrieg" mit der „Revolutionierung der Völker"?

Und: Wie verträgt sich die „Friedenspolitik" Sowjetrusslands mit der offiziellen Liste der „nur" von 1917 bis 1921 Hingerichteten?

Es sind:

6775 Lehrer, 8800 Ärzte, 1243 Priester, 355 250 andere Intellektuelle, 260 000 Soldaten, 192 350 Arbeiter, 815 000 Bauern!

Insgesamt sind bis 1928 über drei Millionen Menschen hingerichtet worden. Das sind keine Zufallsopfer einer noch so wilden Revolution! Das ist Krieg mit dem Menschengeschlechte!

Bleibt noch Nummer vier zu beweisen: Der Bolschewismus vernichtet die persönliche Freiheit!

Den Beweis hierfür wird meine zweite Russlandreise...



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