E-Book, Deutsch, 132 Seiten
Reihe: Systemische Pädagogik
Achner / Deuchert "Ich schaffs!" für Gruppen und Klassen
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8497-8517-8
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 132 Seiten
Reihe: Systemische Pädagogik
ISBN: 978-3-8497-8517-8
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Astrid Deuchert, Dr; Sonderpädagogin, Schulpsychologin und Traumafachberaterin (DEGPT); Systemische Beraterin (SG), Systemische Familientherapeutin (DGSF) und Supervisorin (BLÄK); zert. Dozentin (LMU München), Resilienzberaterin. Christina Achner; Heilpädagogin, Traumafachberaterin (PITT); Lehrende für Systemische Beratung und Coaching (SG, DGSF), Supervisorin (SG), Systemische Therapeutin (SG), Atem- und Körpertherapeutin; MSC-Trainerin.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1 Fallbericht: Die Katzenfähigkeit – Ich schaffs! für ein besseres Klassenklima in der Grundschulklasse
Danielle Berg
1.1 Intention für das Vorhaben
Die Lehrerin einer 2. Klasse wünschte sich, dass die Schülerinnen und Schüler ihrer Klasse freundlicher miteinander und mit den Lehrkräften umgehen. Außerdem wünschte sie sich, dass die Kinder im Unterricht aufmerksamer sind und den Unterricht weniger stören.
1.2 Kontext und Ausgangssituation
Ich arbeitete selbst nicht an dieser Schule, sondern habe den Prozess als externe Ich schaffs!-Coachin begleitet. Es war der erste Ich schaffs!-Prozess an dieser Schule. Die Schulsozialarbeiterin hatte zwar schon davon gehört, konnte aber selbst noch keine Erfahrungen darin sammeln.
Die Grundschule hat insgesamt nur ca. 80 Kinder und ist damit einzügig. Ich war an der Schule grundsätzlich bekannt, da meine Tochter dort die 4. Klasse besuchte und ich darüber hinaus zuvor auch Schulelternsprecherin war.
Das Ich schaffs!-Projekt führte ich in der 2. Klasse dieser Grundschule durch. Der Beratungsprozess startete mit Beginn des neuen Schuljahres im September 2022. Vorgespräche gab es allerdings bereits im Juli 2022 – also vor Schuljahresbeginn.
Die 2. Klasse, die ich begleitete, bestand zu Beginn des Prozesses aus 14 Schülerinnen und Schülern. Die Klassenlehrerin war zum Zeitpunkt der Durchführung 49 Jahre alt und lehrte schon sehr lange (fast ihre gesamte Dienstzeit) an dieser Schule. Die Schulsozialarbeiterin war seit etwa 5 Jahren an dieser Schule eingesetzt und hatte im vorherigen Schuljahr schon einige Interventionen in genau dieser Klasse durchgeführt – u. a. zu Themen der gewaltfreien Kommunikation (Wolfssprache und Giraffensprache). Den Kindern waren also bestimmte Aspekte des wertschätzenden Umgangs miteinander durchaus bekannt, und ich konnte darauf aufbauen.
Insgesamt war ich sechs Mal als Ich schaffs!-Coach in der Klasse zu Besuch. Geplant war ursprünglich, dass ich einmal in der Woche für je eine Schulstunde in die Klasse komme. Aufgrund von Krankheiten und Ferien hat sich der Prozess dann aber bis Dezember hingezogen.
1.3 Darstellung der Vorgehensweise
Vorgespräch und Auftragsklärung
In einem Erstgespräch erklärte ich der Lehrerin und der Schulsozialarbeiterin zunächst das Konzept von Ich schaffs! und die damit verbundenen Haltungen und Projektphasen. Hier begann auch schon die Phase 1 »Finde deinen Leitstern und lass ihn leuchten!«: Um die Arbeit mit der Klasse vorzubereiten, war es mir wichtig, noch mal den Auftrag an mich mithilfe lösungsfokussierter Fragen genauer zu klären: Mit der Frage »Angenommen, nur mal angenommen, das Projekt wäre erfolgreich …« erarbeiteten wir gemeinsam, welches Thema mit der Klasse behandelt werden sollte. Das Ziel, dass sich letztlich herauskristallisierte, war: ein freundlicherer Umgang untereinander.
Zudem stellte ich die Frage, wie wir den Fortschritt des Erlernten messen und sichtbar machen sollten. Wir entwickelten die Idee, im Laufe des Prozesses ein Glas mit Murmeln aufzufüllen.
Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Gespräch war die Festlegung der nächsten Schritte, damit alle Beteiligten involviert werden konnten. Das hieß, als Nächstes sowohl den Schuldirektor als auch die Eltern der Kinder mit einzubeziehen.
Elternabend
Nachdem der Schuldirektor dem Vorhaben zugestimmt hatte, stellte ich das Vorhaben bei einem Elternabend vor. Mir war es wichtig, dass die Eltern das Projekt unterstützen. Mit folgenden Aspekten konnte ich die Eltern für das Projekt gewinnen:
-
ein paar Worte zu mir selbst als Person
-
Vorlesen: »Die Geschichte von den zwei Wölfen« (Berg 2022)
-
Erklärung der lösungsfokussierten Haltungen
-
Beantwortung von Fragen.
Die Arbeit mit der Klasse
Der 1. Besuch in der Klasse
Zunächst einmal stellte die Klassenlehrerin mich der Klasse vor. Anschließend erklärte ich der Klasse grob, was sie sich unter dem Ich schaffs!-Projekt vorstellen könnten, nämlich, dass es um ein besseres Miteinander gehen würde. Als Einstieg fragte ich die Kinder, was sie alles schon gelernt haben, um eine positive Grundstimmung zu erzeugen.
Der erste Besuch in der Klasse stand vor allem im Zeichen der Phase 1 »Finde deinen Leitstern und lass ihn leuchten!«. Gemeinsam erkundeten wir, was es eigentlich bedeutete, wenn man einen freundlichen Umgang miteinander hat. Dabei ergaben sich u. a. folgende Punkte:
-
deutlich sprechen
-
neutraler Ton (nicht zu laut, nicht zu leise)
-
lächeln
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zum Lachen bringen
-
Schimpfwörter vermeiden
-
sagen, dass man den anderen mag
-
dem anderen einen Zwetschgenkuchen backen.
Um den Ist-Stand zu messen, legte ich ein Seil als Skalierung auf den Boden des Klassenzimmers. Die Kinder sollten einschätzen, wie gut sie als Klasse bereits im freundlichen Umgang miteinander waren.
Spannend war, dass einige Kinder sich auf die 10 in der Skala stellten, einige sogar weit darüber hinaus. Nach genauerem Nachfragen stellte sich heraus, dass es ihnen offenbar schwerfiel, sich wirklich einzuschätzen – vor allem mit Blick auf die gesamte Klasse, statt einer Einschätzung als Einzelperson. Nach einigen vertiefenden Fragen einigte sich die Klasse auf einen Ist-Stand zwischen 5 und 6 auf der Skala.
Im nächsten Schritt gaben wir der zu erlernenden Fähigkeit einen Namen. Die Klasse nannte sie »Katzenfähigkeit« (mit der Begründung, dass Katzen ja sehr leise seien).
Der 2. Besuch in der Klasse
Den 2. Besuch in der Schulklasse startete ich mit einer kleinen Ressourcendusche. Jedes Kind durfte sagen, was ihm in letzter Zeit gut gelungen war.
Im nächsten Schritt ging ich noch einmal darauf ein, dass wir im Rahmen dieses Prozesses die Klasse als Ganzes betrachteten und dass dennoch jeder einzigartig sei (Phase 3 »Innere und äußere Energielieferanten«). Um das zu verdeutlichen, nahm ich ein Puzzle zur Hilfe. Jedes Kind und auch die Klassenlehrerin durften zunächst ein beliebiges Puzzleteil wählen und betrachten. Die Kinder stellten fest, dass jedes Puzzleteil einzigartig war – so wie jeder Teil der Klasse. Im Anschluss setzte die Klasse gemeinsam das Puzzle zusammen. So ergab sich aus den einzelnen, individuellen Teilen ein Gesamtbild. Genauso setzte sich die Klasse aus einzelnen individuellen Persönlichkeiten zusammen und ergab dennoch ein großes Ganzes.
Danach fingen die Kinder an zu üben, wie sie wertschätzender miteinander kommunizieren können (Phase 2 »Los geht’s. Mach dich auf den Weg!«). Die Kinder trainierten die wertschätzende Kommunikation mithilfe der Tripel-Übung. Dies ist eine Übung zur dreifachen Wertschätzung, die ursprünglich von Ben Furman und Tapani Ahola entwickelt wurde. Sie erfolgt in drei Schritten: 1) Frage nach einem Erfolg des Gegenübers, 2) Würdigung dieser Leistung und 3) die Bitte um weitere Erläuterung, wie genau das geschafft wurde (s. Neumann-Wirsig 2016).
Zunächst demonstrierte ich diese Übung mit zwei Kindern, indem ich sie jeweils interviewte. Im zweiten Schritt durfte ein Kind ein anderes wertschätzend nach seinen Erfolgen befragen (mit meiner Unterstützung natürlich).
Weil in der ersten Stunde die Zeit dafür nicht ausgereicht hatte, führten wir in dieser Stunde auch noch das Murmelglas ein. Die Menge der Murmeln im Glas sollte den Fortschritt der Klasse im Erlernen der Fähigkeit anzeigen.
Außerdem las ich an diesem Tag den Kindern noch die Geschichte von den zwei Wölfen vor, die ihre Eltern ja schon vom Elternabend kannten. Ziel war es, den Kindern damit lösungsfokussierte Denkweisen aufzuzeigen.
Die »Hausaufgabe« lautete, im Schulalltag möglichst wertfrei wahrzunehmen, wie eigentlich gerade die Kommunikation lief und ob und wie viele Schimpfworte im Alltag so fielen.
Der 3. Besuch in der Klasse
Auch den 3. Besuch in der Klasse begann ich mit einer Ressourcendusche. Dieses Mal sollten die Kinder meine Frage jedoch zunächst schriftlich für sich beantworten. Die Aufgabe lautete dieses Mal: »Schreibe drei Dinge auf, die du besonders gut kannst.« Danach bat ich einzelne Kinder, ihr Geschriebenes vorzulesen. Der Vorteil des Aufschreibens war, dass ich so auch schüchterne Kinder aus der Reserve locken konnte, da sie mehr Zeit hatten, sich ihre Antworten zu überlegen.
Danach bat ich die Kinder, der Schulsozialarbeiterin zu berichten, was wir beim letzten Mal gemacht hatten, denn sie konnte an dem zweiten Termin nicht anwesend sein (Phase 5 »Anerkennung und Wertschätzung«). Die Kinder konnten sehr gut zusammenfassen, dass und vor allem warum sie gepuzzelt hatten, und auch, dass sie geübt hatten, sich freundlich und interessiert zu unterhalten.
Die Tripel-Übung durchliefen wir dann gleich ein weiteres Mal zur Vertiefung (Phase 2 »Los geht’s. Mach...