Acosta / Brand | Radikale Alternativen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten, Format (B × H): 1300 mm x 2050 mm

Acosta / Brand Radikale Alternativen

Warum man den Kapitalismus nur mit vereinten Kräften überwinden kann

E-Book, Deutsch, 192 Seiten, Format (B × H): 1300 mm x 2050 mm

ISBN: 978-3-96238-435-7
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der US-amerikanische Kulturtheoretiker Fredric Jameson sagte einmal, es sei leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus. Entsprechend beherrscht der Wunsch nach Wachstum und die Orientierung am wirtschaftlichen Gewinn seit Jahrzehnten unser Denken. Alternativen zum kapitalistischen System werden meist als reine Utopien belächelt.
Doch ist das wirklich so? Können wir nicht die verschiedenen Gegenentwürfe, die sich im Globalen Süden und Norden bilden, zu einer neuen Vorstellung verbinden, um aus dem Irrweg des Kapitalismus auszubrechen? In Ihrem neuen Buch laden Alberto Acosta und Ulrich Brand ein, diese Konzepte zu erkunden und entlang ihrer Gemeinsamkeiten eine vereinte Vorstellung von einer gerechteren, besseren Zukunft zu finden. Denn nur so lässt sich eine umfassende politische, sozio-ökonomische und kulturelle Wende einleiten und die zunehmende Vermarktung des Lebens stoppen.
Acosta / Brand Radikale Alternativen jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Kapitel 1
Der Kapitalismus – eine unhaltbare Lebensweise
Der globale Kapitalismus durchlebt gegenwärtig eine multiple Krise.1 Bereits seit Längerem breitet sich diese Krise über alle Kontinente aus. Sie hat dabei viele Gesichter, die aber miteinander verbunden sind. Nie zuvor haben sich so viele kritische Aspekte gleichzeitig gezeigt, die sich nicht nur auf den Finanz- und Immobiliensektor beziehen. Die Krise manifestiert sich durch eine Art »mutierten Virus«2 längst auch in anderen Bereichen: in der Politik, Ethik, im Sozialen, in Fragen der Ökologie und Energie, der Lebensmittelproduktion und selbstverständlich der Kultur. Zusätzlich erleben wir auch eine ideologische Krise. Joseph Stiglitz, der 2001 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, sah sie bereits am Vorabend der Krise von 2008 voraus, als er sagte: »Die meisten individuellen Fehler gehen auf einen einzigen zurück: den Glauben daran, dass die Märkte sich von selbst regeln und dass die Rolle der Regierung eine geringe sein sollte.«3 Der Kapitalismus ist nicht fähig, großen Bevölkerungsgruppen ein gutes und attraktives Leben zu garantieren. In solchen Zeiten der wiederkehrenden Krisen zeigt sich immer mehr, dass der Kapitalismus nicht fähig ist, großen Bevölkerungsgruppen ein gutes und attraktives Leben zu garantieren.4 In Europa dominieren als Folge der Krise, die im Jahr 2008 begann, die Austeritätspolitiken und setzen sich sogar in Ländern durch, die sich zunächst dagegen gewehrt hatten (wie zum Beispiel Griechenland). In vielen der Länder wächst der Zuspruch für die extreme Rechte und ihre fremdenfeindlichen Diskurse. Dieser Trend hält an, ja er vertieft sich sogar – Donald Trumps Wahlsieg in den Vereinigten Staaten bestätigt diese These. Angesichts des weltweiten Rechtsrucks wird es immer dringender, radikale Alternativen aufzustellen, deren Durchführbarkeit sich im politischen Kampf herauskristallisieren muss.   Vor einigen Jahren tauchten in mehreren lateinamerikanischen Ländern »progressive« Regime als Alternative zum Neoliberalismus auf (der in einigen Ländern mit konservativen Regierungen dennoch fortbesteht). Doch hat sich diese Alternative, bei allen Unterschieden, mittlerweile in eine Art modifizierten Neoliberalismus verwandelt, indem Elemente eines harten Neoliberalismus vom lateinamerikanischen Progressismus instrumentalisiert werden. Die neoliberale Politik wird durch ebenjenen starken Staat durchgesetzt, den die progressiven Parteien wieder eingeführt haben. Um diesen Zusammenhang zu erkennen, genügt ein Blick darauf, wie aggressiv der Staat in einigen lateinamerikanischen Ländern eingreift, um den Ausbau und die Vertiefung des Extraktivismus in einem Maße voranzutreiben, der von früheren neoliberalen Regierungen nie erreicht wurde. Zusammengefasst sind all diese Beispiele ein klares Indiz einer tiefen und langen Krise des Kapitalismus als vorherrschende Zivilisationsform. Es finden sich mehrere Hinweise darauf, dass die aktuelle Krise nicht konjunkturbedingt oder klein und deshalb auch nicht mit den bestehenden Institutionen und Konstellationen zu lösen ist. Sie ist eine große Krise, die eine tief gehende Umstrukturierung erfordert. Aber wie wird es nun weitergehen? Befinden wir uns derzeit in einer Phase der Transformation oder, um es mit Antonio Gramsci zu sagen, in einem Interregnum, einer Übergangszeit: »Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren«?5 Sind wir mitten in einer neuen Krise der Überproduktion und der finanziellen Blasen, weil die Möglichkeiten fehlen, das Kapital anzulegen und zu verwerten? Ist es eine letzte Krise des Neoliberalismus oder sogar eine existenzielle Krise des Kapitalismus? Diese Fragen sind Gegenstand zahlreicher kontroverser Debatten. Und da die Krise sehr komplex ist, sind es die möglichen Lösungen auch. Es ist noch nicht klar, inwieweit die Wirtschaftskrise in eine politische Krise umschlägt, die den Staat an sich infrage stellt. Was beobachtet werden kann, ist eine intensive Diskussion über die vorwiegenden Formen der kurzfristigen konjunkturellen Krisenbewältigung wie etwa Sparprogramme sowie über ihre internationale Dimension – die Rolle Chinas und anderer seit Kurzem industrialisierter Länder zum Beispiel. Wenn wir akzeptieren, dass es sich um eine Zivilisationskrise handelt, ist zu ihrer Überwindung eine wesentliche Transformation unumgänglich. Viele Beiträge zur aktuellen Debatte um Transformation beziehen sich auf Karl Polanyi, der brilliant den Aufstieg des industriellen Kapitalismus analysierte.6 Doch die aktuellen Beiträge meinen eine notwendige und wünschenswerte Transformation. Polanyi wollte in seiner Studie aber etwas anderes verstehen, was ziemlich aktuell ist: Warum kommt es in der Krise des liberalen Kapitalismus unter anderem zum Aufstieg des Faschismus als »Gegenbewegung« gegen die »Marktgesellschaft«, die ihre eigenen natürlichen und sozialen Grundlagen zerstört? Uns geht es in diesem Buch um etwas anderes: nämlich um eine progressive, emanzipatorische, sozial-ökologische Transformation, von der wir nicht genau wissen, wie sie funktioniert. Doch das Bewusstsein, dass solch eine Transformation notwendig ist, wächst weltweit. Einerseits besteht die Aufgabe darin, bestehende Transformationsprozesse im Norden und Süden miteinander zu verknüpfen. Andererseits muss definiert werden, wo die Transformationen der gegenwärtigen sozialen und institutionellen Strukturen beginnen sollen – und wer sich dessen annehmen soll oder annehmen muss. Was zu tun ist und wie es zu tun ist, ist der Schlüssel, um herauszufinden, wer sich der Aufgabe annehmen sollte. Das Bewusstsein, dass eine emanzipatorische, sozial-ökologische Transformation notwendig ist, wächst weltweit. In Teilen der Transformationsdebatte geht es in normativ-strategischer Absicht primär darum, einen Weg aus der multiplen Krise zu finden, vor allem aus einer Perspektive der sozial-ökologischen Transformation.7 Denn vor dem Hintergrund jüngerer Krisenpolitiken zeigt sich immer mehr, dass die gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaften unfähig sind, mit den aktuellen Krisen und vor allem mit der ökologischen Krise angemessen umzugehen.   Es ist aber auch so, dass bürgerlich-kapitalistische Gesellschaften sich aufgrund von immanenten Dynamiken wie Konkurrenz und Expansionslogik, Widersprüchen, Konflikten und sozialen Krisen fortwährend selbst transformieren und nach dem Anspruch, immer mehr Kapital anzuhäufen, neu anordnen. Diese an sich problematische Tatsache könnte, richtig genutzt, auch einen Ansatzpunkt darstellen, um progressive Strategien zu fördern. Der Schlüsselfaktor ist, diese Bewegungen zu verstehen und Vorschläge zu entwerfen, die sich auf die momentane Situation beziehen, aber – darauf bestehen wir – ohne die gesamte Struktur aus den Augen zu verlieren. Eine Gefahr für die so notwendigen Transformationen ist fehlgeleitete »Donquichoterie« (Marx).8 Analytischer Idealismus und politischer Voluntarismus führen tendenziell in Sackgassen, das hat die Vergangenheit zur Genüge gezeigt. Es muss genau geprüft werden, ob die materiellen Bedingungen für die verschiedenen Alternativen zum Kapitalismus ausreichend vorhanden sind. Darauf zu hoffen reicht nicht aus. Dennoch kann auch Idealismus erfolgreich sein: Wenn die gesellschaftlichen Akteure eine Situation als real definieren, wird sie es in der Konsequenz auch sein (auch wenn sie ursprünglich nicht real war), denn es werden Prozesse ermutigt, die Veränderungen anstoßen. Wir brauchen Strategien, die notwendige und vor allem realisierbare Transformationen ermöglichen. Denn bei aller Dringlichkeit ist es wichtig, sich klarzumachen, dass sich weder die Gesellschaften noch die Welt von einem Tag auf den anderen verändern werden. Darüber hinaus werden nicht alle radikalen Veränderungen gleichzeitig stattfinden können, und es wird Unterschiede in den Regionen und bei der Schnelligkeit der Umsetzung geben, genau wie in den verschiedenen Bereichen, etwa dem staatlichen und dem wirtschaftlichen Bereich oder spezifischer: bei den Lebensmitteln, beim Wohnraum, der Kommunikation und Mobilität, der Kleidung etc. Bei aller Dringlichkeit muss man sich klarmachen, dass sich die Welt nicht von einem Tag auf den anderen verändern kann. So ist die Lösung der unmittelbaren Probleme, die sich aus der multiplen Krise ergeben, dringend und zugleich sehr komplex. Flicken reicht nicht aus; ebenso wenig wie es ausreicht, die Wirtschaft durch größere Nachfrage und zunehmende öffentliche Investitionen anzukurbeln, wie es in anderen (Wirtschafts-)Krisen geschehen ist. Kurzfristige Antworten müssen sicherlich auch eingesetzt werden – aber immer unter Berücksichtigung der strukturellen Herausforderungen und der mittel- und langfristigen Ziele.   Für eine »gute Konjunktur« muss eine solide strukturelle Basis geschaffen werden, um die vielen miteinander verknüpften Herausforderungen zu meistern, die die Menschheit – auf sehr unterschiedliche Weise in sowie zwischen den verschiedenen Klassen und Geschlechtern – und den Planeten selbst bedrohen. Wenn man lediglich versuchen würde, den produktiven Apparat, der ausschließlich den großen Unternehmen riesige Geldsummen zuführt, zurückzugewinnen und das Wirtschaftswachstum, das durch finanzielle Ungleichgewichte Einbußen davontrug, wieder anzuheben, ohne die Produktions- und Verbrauchsmuster oder die bisher verwendeten Technologien zu verändern, würden sich andere, immer dringlichere Probleme verschlimmern, und die Ungerechtigkeit und...


Alberto Acosta war Präsident der verfassunggebenden Versammlung Ecuadors und arbeitet heute als Professor für Ökonomie an der Fakultät für Sozialwissenschaften in Quito.
Ulrich Brand ist Professor für Internationale Politik an der Universität Wien und hat jüngst mit dem Buch »Die Imperiale Lebensweise« (gemeinsam mit Markus Wissen) die SPIEGEL-Bestsellerliste erobert.

Alberto Acosta war Präsident der verfassunggebenden Versammlung Ecuadors und arbeitet heute als Professor für Ökonomie an der Fakultät für Sozialwissenschaften in Quito.
Ulrich Brand ist Professor für Internationale Politik an der Universität Wien und hat jüngst mit dem Buch »Die Imperiale Lebensweise« (gemeinsam mit Markus Wissen) die SPIEGEL-Bestsellerliste erobert.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.