E-Book, Deutsch, 204 Seiten
Adlersfeld-Ballestrem Die Erbin von Lohberg
1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-3252-9
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 204 Seiten
ISBN: 978-80-272-3252-9
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In 'Die Erbin von Lohberg' von Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem wird die Geschichte von Agnes erzählt, einer jungen Frau, die nach dem Tod ihres Vaters das Schloss Lohberg erbt und sich mit den Herausforderungen der Verwaltung und den Intrigen ihrer Verwandtschaft auseinandersetzen muss. Das Buch zeichnet sich durch seinen detailreichen Schreibstil und die detaillierte Darstellung des gesellschaftlichen Lebens im 19. Jahrhundert aus. Adlersfeld-Ballestrems Werk wird oft als Paradebeispiel für den Adelsroman der Jahrhundertwende angesehen. Die Erbin von Lohberg ist ein fesselndes Werk, das sowohl Liebhaber historischer Romane als auch Interessierte an der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts begeistern wird. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem, eine Autorin des späten 19. Jahrhunderts, war selbst Mitglied des Adels und schöpfte aus ihren eigenen Erfahrungen, um die Welt von Lohberg zum Leben zu erwecken. Ihr Werk reflektiert die gesellschaftlichen Normen und Werte ihrer Zeit und bietet einen faszinierenden Einblick in die Welt des deutschen Adels im 19. Jahrhundert. 'Die Erbin von Lohberg' ist ein Meisterwerk der deutschen Literatur, das sowohl unterhaltsam als auch informativ ist und Leser jeden Alters ansprechen wird.
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Vierundzwanzig Stunden später kam Windmüller auf dem Bahnhof von Montreux an und trat nach einer weiteren halben Stunde auf den Balkon seines Zimmers im Hotel du Lac heraus, das eine wunderbare Aussicht auf den See und das ihn umschließende Panorama bietet. Nach der langen, heißen Fahrt empfand Windmüller den Wechsel sehr angenehm. Da er noch Stunden vor sich hatte, bevor er seine Geschäfte erledigen konnte, setzte er sich auf einen bequemen Korbsessel und ließ das herrliche Bild vor seinen Augen mit Behagen auf sich einwirken, – ein ihm vertrautes, beruhigendes Bild. Und in dieses Paradies tragen die Menschen ihre kranken Lungen, sann Windmüller, durch ein Husten aufgeschreckt, das von einem im Garten ruhenden Gast zu ihm herauftönte. Diese Mahnung an ein schweres Leiden brachte ihn von seiner ganz in die Schönheit des Bildes versunkenen Träumerei mit einem Ruck zurück zu dem Zweck seines Hierseins. Er zog sein Notizbuch heraus, suchte und fand darin das gewünschte Blatt. »Pension La Tour. Tochter Klara des Küsters Kurz in Lohberg. Tja – man speist hier gewöhnlich um ein Uhr; wenn ich mich also um drei Uhr in der Pension La Tour einfinde, dürfte das Mädchen mit ihrem Dienst fertig sein und Zeit zu einem kleinen Schwätzchen haben. Um halb fünf geht dann ein Zug nach Aigle ab, – ich denke, das dürfte genügen.« Am frühen Nachmittag fuhr Windmüller mit der Straßenbahn bis zu dem Punkt, wo Montreux mit Clarens zusammenstößt. Wenige Schritte von der Haltestelle lag die Pension La Tour inmitten eines schattigen Gartens, in dem hübschgedeckte Tische zu einem angenehmen Aufenthalt einluden. Da der Garten als öffentliches Cafe gekennzeichnet war, setzte sich Windmüller an eines der kleinen Tischchen, worauf ein weißbeschürztes Mädchen erschien und ihn in etwas mühsamem Französisch nach seinen Wünschen fragte. Nachdem Windmüller seine Bestellung aufgegeben hatte, fragte er, ob ein Mädchen namens Klara Kurz aus Lohberg noch hier in Dienst sei. »Ja, gewiß – die bin ich ja selbst«, erwiderte das Mädchen überrascht. »Oh, um so besser«, versicherte er und sah freundlich auf das hübsche, frische Ding, das ihn neugierig mit einem Paar gutmütiger, runder, brauner Augen musterte. »Ich habe nämlich Ihrem Vater versprochen, Sie bei meiner Durchreise in Montreux aufzusuchen, um Ihnen seine Grüße zu überbringen und ihm zu schreiben, ob Sie auch gesund sind.« »Oh, ich danke Ihnen vielmals, mein Herr!« rief sie freudestrahlend. »Der gute, alte Vater! Das hätte ich mir nicht träumen lassen, daß ich heute noch jemand sehen würde, der ihn kennt.« »Ja, und der erst vor ein paar Tagen mit ihm gesprochen hat! Ich war nämlich als Gast im Schloß Lohberg und ging ins Dorf, mir die Kirche anzusehen, wobei ich die Bekanntschaft Ihres Vaters machte«, erklärte Windmüller. »Er erzählte mir, daß Sie hier seien, und weil ich merkte, daß er große Sehnsucht nach Ihnen hat und sich ein wenig um Ihre Gesundheit sorgte, so bot ich ihm an, Ihnen einen Gruß von ihm zu bringen. Ich freue mich, ihm schreiben zu können, daß sie wohl aussehen.« »Ja, ich bin Gott sei Dank gesund, und es geht mir gut hier«, versicherte sie. »Nun, das freut mich, daß Sie zufrieden sind. Wie ich hörte, waren Sie vorher im Dienst bei Gräfin Leonore Lohberg«, steuerte Windmüller auf sein Ziel los. »Ja; durch die Empfehlung der gnädigen Komtesse habe ich die Stellung in diesem Hause bekommen«, antwortete sie bereitwillig. »Darf ich fragen, ob es ihr wieder ganz gut geht?« »Es scheint so; wenigstens fand ich sie recht gut und wohl aussehend.« »Oh, das freut mich!« rief Klara. »Wer hätte gedacht, daß die gnädige Komtesse sich so rasch erholen würde! Nachdem wir hier angekommen waren, ging's immer abwärts mit ihrer Gesundheit, ja so sehr und so schnell, daß man meinte –– Deswegen schickte der Doktor sie auch fort, nach Aigle, wohin ich ja noch mitging. Nun, der Herr werden schon wissen, daß sie in Hotels immer eine Heidenangst haben, es könnte ein Gast in ihrem Hause sterben, weil dann die anderen Gäste immer gleich Hals über Kopf abreisen, und darum hieß es wohl auch plötzlich, daß die Luft für die gnädige Komtesse hier schädlich sei. Die Doktors geben den Hoteliers auch immer beizeiten einen Wink, wenn sie sehen, daß es mit jemand bedenklich zu stehen scheint.« »Ja, ja – man kennt das«, nickte Windmüller. »Und da gingen Sie also mit nach Aigle. War denn keine Krankenpflegerin bei der Komtesse?« »Nein; zu pflegen war ja auch eigentlich nicht viel, und was die gnädige Komtesse, die so gut und geduldig war, zu ihrem Behagen brauchte, besorgten ich, die gnädige Frau Mama und der Herr von Ellbach. Es hat der Komtesse an nichts gemangelt; denn die Herrschaften waren sehr besorgt um sie und taten, was sie ihr nur an den Augen absehen konnten. Die gnädige Frau hat sogar bei ihr geschlafen, um gleich zur Hand zu sein, wenn die Komtesse in der Nacht etwas brauchte. Der Herr trug sie immer selbst in den Garten hinab, wo sie bei schönem Wetter den ganzen Tag dort am See unter dem großen Baume lag. Gott, sie war damals ja so dünn und leicht geworden, daß man sie wie ein Kind heben und herumtragen konnte.« »Und in Aigle ging es ihr dann besser?« »Ach du lieber Gott, nein! Es scheint erst besser geworden zu sein, als sie in Italien war. Als ich von ihr fort mußte, habe ich nicht geglaubt, daß sie lebendig wieder heimkehren würde.« »Sie mußten fort von ihr? Ja, sind Sie denn nicht freiwillig aus dem Dienst getreten?« fragte Windmüller mit gut gespieltem Erstaunen. »Freiwillig!« wiederholte Klara ganz empört. »Freiwillig hätte ich meine Komtesse nie verlassen, besonders, wo es doch mit ihr so wenig gut stand! Ich kann's auch heute noch nicht verwinden, – solch guten Dienst hätte ich nie aufgegeben. Komtesse Leonore war immer so lieb zu mir, nichts konnte man für sie tun, ohne daß sie einem so freundlich und herzlich dankte, und dann hat sie mich doch auch alles lernen lassen, ehe sie mich zu sich nahm. Man ist doch auch dankbar. Vater hat's mir immer eingeprägt, daß undankbare Menschen schlechte Menschen sind.« »Also war es nicht die Komtesse, die Sie fortgeschickt hat?« »O nein, die Komtesse war sehr traurig, als ich fortging. Sie hat geweint und mich zum Abschied geküßt, – so wahr ich hier stehe, das hat sie getan. Es war die gnädige Frau, – ich weiß nicht, was sie auf einmal gegen mich hatte; denn sonst war sie doch ganz froh, wenn ich ihr beim Anziehen half und nach ihren Sachen sah. ›Liebes Klärchen‹ hinten, und ›liebes Klärchen‹ vorn, und dann machte ich auf einmal aus heiler Haut nichts mehr recht; und nun sollte auch eine Pflegerin kommen, und die gnädige Frau meinte, es würde damit zu teuer und ich sollte nach Lohberg zurückgeschickt werden, wie Otto, der Diener –– Ja, wenn die gnädige Frau sich was in den Kopf setzt, dann muß es geschehen, falls der Herr von Ellbach nämlich nichts dawider hat! Und der hatte nichts dawider. Er sagte mir selbst, seine Frau wüßte am besten, wie es sein müßte. Ich weiß es noch ganz genau, es war am Tag, nachdem er von einer Reise nach Mailand zurückgekommen war, als die gnädige Frau mir kündigte, weil ich mich zu wenig auf meinen Dienst verstünde! Und vorher war alles recht und gut gewesen! Die Komtesse hat sich auch darüber aufgeregt, aber sie war ja krank und konnte nicht viel dagegen tun.« Hier wurde Klara abgerufen, um andere Gäste zu bedienen. Sie verabschiedete sich mit freundlichem Dank von Windmüller. Was Klara gesagt hatte, war freilich im Wesentlichen nichts Neues. Sollte die Entlassung des Mädchens etwa eine der Ursachen der Verstimmung gewesen sein? Begreiflich war das allerdings, aber den offenen Bruch mußte denn doch etwas anderes herbeigeführt haben. Auffallend war vor allem, daß Frau von Ellbach so unvermittelt, »aus heiler Haut«, wie Klara gesagt hatte, gegen das Mädchen eingenommen worden war »am Tage, nachdem Ellbach von seiner Reise nach Mailand zurückgekehrt«. Stand diese Reise in irgendeinem Zusammenhang damit? Daß die Ellbachs sich entschlossen hatten, für die Kranke eine geprüfte Pflegerin zu nehmen, war ganz verständlich, aber daß darum das Kammermädchen, ausgerechnet aus Sparsamkeitsgründen, entlassen werden mußte, war doch wohl nur ein Vorwand, da doch sicher nicht die Mutter, sondern der Großvater die Kosten der Reise trug, der seiner Enkelin doch auch einen Diener mitgegeben hatte und bestimmt für alle zahlte. Aber daß bei aller von dem Mädchen Klara bestätigten und hervorgehobenen Fürsorge der Ellbachs für ihre Tochter sie das Risiko auf sich nahmen, die Kranke durch die Entlassung der ihr anscheinend doch sehr lieben und angenehmen Bedienung einer schädlichen Aufregung auszusetzen, war zunächst nicht begreiflich, wenn sie nicht etwa damit einen besonderen Zweck verfolgten. Aber welchen nur, welchen?! Immerhin wäre es ja auch nicht ausgeschlossen gewesen, daß Klara sich wirklich eines groben Versehens schuldig gemacht haben konnte und dies zu verschweigen für gut fand; aber Windmüller, der gute Menschenkenner, hatte den Eindruck von ihr gewonnen, daß sie die Wahrheit sprach und nichts verbarg. Außerdem konnte ein Versehen die strenge Maßregel der plötzlichen Entlassung kaum rechtfertigen. Jedenfalls fuhr Windmüller eine Stunde später nach Aigle unter dem Eindruck, daß er der Lösung des Rätsels mit diesem ersten Schritt nicht näher gekommen war. Im Gegenteil, das Dunkel war eigentlich noch tiefer geworden. Das Rhonetal lag schon teilweise im Abendschatten, als er nach kurzer Fahrt auf dem Bahnhof Aigle ankam, aber die Kuranstalt und die am Bergesabhang verstreuten Villen wurden noch von der...