Aechtner | Todesrauscher | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Aechtner Todesrauscher

Kriminalroman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-86358-966-0
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-86358-966-0
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Hauptkommissar Christian Bär steht vor einem Rätsel. In einer Apfelweinkelterei ist ein Arbeiter im Most ertrunken. Warum kroch der Mann kurz vor dem Abfüllen in den Tank - und wer hat hinter ihm die Luke verschlossen? In die polizeilichen Ermittlungen pfuscht immer wieder Repor terin Roberta Hennig hinein. Bär weiß nicht, ob er sie lieben oder umbringen soll. Noch bevor er das herausfinden kann, geschieht der nächste Mord . . .

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EINS Herman Rabe liebte die Tanks. Still und behäbig lagen die Riesen nebeneinander im Keller, wo sie den ganzen Raum ausfüllten. Wie drei helle gestrandete Wale. Elegant und futuristisch sahen sie aus, obwohl sie über ein halbes Jahrhundert alt waren. Es waren U-Boot-Druckkörper aus dem Zweiten Weltkrieg, zweckentfremdet für höchst friedliche Zwecke. Seit vielen Jahren kam der Süße hinein, der frisch gepresste Saft, aus dem später der Apfelwein werden sollte. Liebevoll tätschelte Rabe das rechte Monstrum, bevor er sein Ohr an die Wandung legte. Arbeiter hatten in den vergangenen Tagen immer wieder Geräusche gemeldet, die aus dem Tank zu kommen schienen. Ein unregelmäßiges Klopfen. Als würde im Inneren jemand gegen den Stahl treten. »Der Geist des U-Boot-Kapitäns«, hatte Rabe anfangs geunkt. »Er findet selbst im Most keine Ruhe.« Ein kleiner Scherz, nichts weiter. Die Druckkörper waren nie im Einsatz gewesen, die Firma hatte sie quasi jungfräulich erstanden. Und an Geister glaubte Herman Rabe schon gar nicht. Doch je öfter ihm seine Arbeiter von den seltsamen Morsezeichen berichtet hatten, desto unruhiger war er geworden. Jetzt war er fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Die Gelegenheit war günstig. Der Saft hatte sich nun in Wein verwandelt, und das meiste war schon abgefüllt. Nur noch hüfthoch stand der Rest in dem riesigen Tank. Rabe öffnete die seitliche Luke. Dazu musste er ein großes Kreuz aufdrehen und die Tür nach innen schieben. Sofort stieg ihm der fruchtig-säuerliche Geruch des Apfelweins in die Nase, und er atmete instinktiv flacher. Andächtig lauschte er in den dunklen Bauch des Tanks. Ein leises Gluckern war zu hören, letzte feine Bläschen stiegen hier und da knisternd an die Oberfläche. Und dann vernahm auch er es. Ein dumpfes Klopfen, als würde im Inneren des Tanks etwas gegen die Wand treiben. Rabe reckte seine Lampe in die Luke und sah in den Tankkörper. Ein ovaler See breitete sich vor ihm aus. Still und undurchdringlich lag er da. Nur dort, wo der Lichtschein entlangglitt, leuchtete er wie pures Gold. Doch halt, was war das? Sein Herz setzte einen Schlag lang aus, der Atem stockte ihm, und für einen Moment wurde ihm flau. Direkt unter der Luke, ganz dicht vor ihm und zum Greifen nah, waberte ein Gesicht knapp unter der Oberfläche. »Tu mir das nicht an, Kapitän«, flüsterte Rabe erstickt. Er klammerte sich an der Luke fest und schloss für einen Moment die Augen, doch es half nichts. Als er sie wieder öffnete, war das Spukgespenst noch immer da. Der Geist des Kapitäns starrte ihn ausdrucklos an, während sein schimmerndes Haar sich im Apfelwein ausbreitete und ihm eine Art Heiligenschein verlieh. Rabe brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er es nicht mit irgendeinem Ahab, sondern mit seinem Gesellen Clemens Winkler zu tun hatte. Er war tot, ertrunken im Most. *** Hauptkommissar Christian Bär fühlte sich wie zerschlagen. Er hatte den gestrigen Abend damit verbracht, auf seine Nichte Amelie aufzupassen, damit seine große Schwester mal ausgehen konnte. Lara war zwei Jahre älter als er und leitete ein Nagelstudio. Ihre Tochter Amelie zog sie allein groß. Amelies Vater war ihre große Liebe gewesen, nur hatte die Geschichte nicht lange gehalten. Bär sah die Ursachen darin, dass Lara ein wenig störrisch war und Amelies Vater bereits anderweitig vergeben. Er war mit einer Xanthippe verehelicht, was wiederum der Grund dafür sein mochte, dass er bei Lara Zuflucht gesucht hatte. Kurzfristig jedenfalls. Amelie war inzwischen fünf und ein anstrengender kleiner Racker. Stundenlang hatte sie Bär auf Trapp gehalten. Um sie wenigstens ein bisschen auszupowern, hatte er sich eine Kissenschlacht mit ihr geliefert. Und nachdem es ihm endlich gelungen war, Amelie in ihr Bett zu verfrachten, hatte er wie bewusstlos auf dem Sofa gelegen und in den Flur gehorcht, jeden Moment befürchtend, dass sie wieder aus ihrem Zimmer herauskommen könnte, um ihn erneut zum Spielen und Toben zu animieren. Als er Laras Schlüssel im Schloss gehört und wenig später ihre vom Teppich gedämpften Schritte vernommen hatte, war eine Welle der Erleichterung durch ihn hindurchgeschwappt. Dankbar hatte er vom Sofa aus zu ihr heraufgeblinzelt, dann war ihm seine Freude jäh vergällt worden. Er hatte kaum fassen können, wen sie da mitgebracht hatte: Katja, seine Verflossene. Die beiden Frauen kannten sich aus Laras Nagelstudio. Giggelnd hatten sie vor dem Sofa gestanden, auf das er sich hingehauen hatte, um ein wenig Ruhe zu finden, seine Lederjacke als zu kurze Decke nutzend. Hatten Witze gerissen und auf ihn herabgelächelt. Er hatte geglaubt, über Katja hinweg zu sein. Sie hatte ihn heiraten wollen, ein Kind mit ihm haben, eine schicke Wohnung. In dieser Reihenfolge. Das ganze Programm. Ihm war das alles zu plötzlich gekommen. Er war gerade mal dreißig und bei der Kripo. Hatte kein Einkommen, das für große Sprünge reichte, dafür aber regelmäßig Schichtdienst. Eine schicke Wohnung passte genauso wenig zu ihm wie ein Kind. Er mochte Kinder, so war das nicht. Aber er wusste auch, wie viel Verantwortung es bedeutete, für den Nachwuchs zu sorgen. Nachts aufstehen, um das weinende Baby zu beruhigen. Im Kindergarten für den Elternbeirat kandidieren. Mit den Lehrern herumdiskutieren. Und den ersten Freund ertragen. Aushalten, wie ein fremder junger Mann die eigene Tochter vor der Haustür unter der Laterne abknutscht. Nein, das alles hatte noch Zeit, konnte später kommen. Vorerst reichte es ihm völlig, ab und zu bei seiner Nichte als Babysitter einzuspringen. Vor einem halben Jahr hatten sie sich dann getrennt. Katjas ewiges Genörgel war ihm auf den Geist gegangen. Glaubte sie etwa tatsächlich, dass er sich ändern würde, nur weil sie ihn einen bindungsscheuen Chauvi schimpfte? Sie hatte einfach nicht verstehen wollen, dass er sein Leben mochte, wie es war. Vorerst. Aus, Schluss und vorbei. Katja war Schnee von gestern. Aber hatte seine Schwester sie ihm so unbedingt vors Sofa stellen müssen? Seine Eingeweide hatten sich zusammengezogen, als ihm der eine oder andere nette Abend mit Katja wieder eingefallen war. Und wie gut sie ausgesehen hatte. Blond wie Goldtaler und schlank wie ein Reh. Zu Hause hatte er die Erinnerungen dann mit einer halben Flasche Whisky weggespült. Und bis gegen drei Uhr in der Nacht am PC gedaddelt. GTA 5, nicht gerade politisch korrekt, aber die perfekte Triebabfuhr. Mit seinem virtuellen Schlitten war er durch die virtuellen Straßen gekurvt und hatte ein paar virtuelle Blondinen umgenietet. Einfach so. Eine kranke Phantasie, schon klar. Doch schließlich musste niemand davon erfahren. Immerhin war er danach müde genug gewesen, um in den Schlaf zu fallen. Nun stand er verkatert in dieser Apfelweinkelterei, und vor ihm auf dem Boden lag ein toter Mann. Die Arbeiter hatten ihn aus einem riesigen Tank gefischt, in dem sich nicht mehr allzu viel Apfelwein befand. Schweigend und verstört umringten sie den Toten, einige waren ein paar Schritte zurückgewichen. Die Leiche verströmte einen schweren, süß-säuerlichen Geruch, Fruchtfliegen umschwirrten sie. »Kann mir jemand sagen, wer der Tote ist?«, wandte sich Bär an die Umstehenden. Immerhin waren die Gesichtszüge des Ertrunkenen noch ziemlich gut zu erkennen. Während er auf die Antwort wartete, schob er sich einen Streifen Zahnpflege-Kaugummi in den Mund. Das übertönte den Duft der Leiche zwar nicht, verschaffte ihm aber wenigstens einen etwas frischeren Geschmack. »Sicher, das ist Clemens Winkler«, meldete sich jemand zu Wort. »Vor vierzehn Tagen hat er seinen fünfunddreißigsten Geburtstag gefeiert. Hat allen Kollegen einen ausgegeben. Ein netter Kerl. Ich mochte ihn sehr gern.« »Aha. Und wer sind Sie?« »Ich bin Martin Ott. Ich mache hier sauber.« Bär betrachtete den Mittvierziger mit den Geheimratsecken genauer. Sein Blick glitt über Otts Plastikoverall bis hinunter zu dessen hohen Stiefeln. Offensichtlich stand man hier beim Saubermachen viel im Nassen. »Wie lange, denken Sie, lag er schon im Apfelwein?« »Befüllt haben wir den Tank vor zehn Tagen.« Der Kellermeister, der ihn an der Tür in Empfang genommen hatte, reichte Bär unaufgefordert seine Visitenkarte. Herman Rabe, las er und versuchte, sich den Namen einzuprägen. »Das stimmt«, pflichtete Ott seinem Chef bei. Die anderen Arbeiter nickten stumm. »Wir lagern in diesen Tanks auch schon mal CO2«, erklärte Rabe nüchtern. »Das gewinnen wir beim Gärprozess selbst und setzen es dem Apfelwein später zu, damit er etwas spritziger wird. Die Tanks eignen sich hervorragend zur Lagerung, weil sie aus kräftigem Stahl bestehen und viel Druck aushalten. Gelegentlich bewahren wir auch Apfelsaftkonzentrat darin auf, das bleibt dann bis zu zwei Jahre in dem Tank liegen. Dass wir ihn diesmal für die Gärung hergenommen haben, kam daher, dass wir dieses Jahr so viele Äpfel von Privatkunden geliefert bekamen. Und nun müssen wir alles wegschütten, nur weil …« Er sprach den Satz nicht zu Ende. »Privatkunden?« Bär betrachtete nun wieder die Leiche. Fünfunddreißig Jahre passte. Etwa ein Meter achtzig. Gut genährt. »Uns werden viele Äpfel angeliefert von Leuten, die Plantagen oder Streuobstwiesen besitzen. Die verarbeiten wir dann für die Kunden zu Apfelwein.« »Was sind das überhaupt für Behälter?« Eine üppige junge Frau mit rotbraunen Haaren drängte sich zwischen den Arbeitern hindurch, sie musste schon eine Weile im Hintergrund gestanden und zugehört haben. Rasch ging sie auf den Tank zu und schlug, ein helles Echo erzeugend, mit der flachen Hand...


Uli Aechtner studierte Germanistik, Philosophie und Kunstwissenschaft in Bonn. Als Journalistin arbeitete sie für das Französische Fernsehen TF1, für den Südwestrundfunk und für das ZDF. Seit mehr als zwei Jahrzenten lebt sie als freie Autorin in der Wetterau.



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