E-Book, Deutsch, 528 Seiten
Ahern Zwischen Himmel und Liebe
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-10-400653-6
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 528 Seiten
            ISBN: 978-3-10-400653-6 
            Verlag: S.Fischer
            
 Format: EPUB
    Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Cecelia Ahern erzählt Geschichten, die unvergleichlich inspirieren und berühren. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen der Welt und vielseitig wie wenige andere, schreibt zeitgenössische Romane, Novellen, Storys, Jugendbücher, TV-Konzepte und Theaterstücke. Für ihre Werke wurde sie vielfach ausgezeichnet. Ihre Romane wurden fürs Kino oder fürs Fernsehen verfilmt, zum Beispiel »P.S. Ich liebe Dich« mit Hilary Swank und »Für immer vielleicht« mit Lily Collins. Cecelia Ahern ist Jahrgang 1981, hat Journalistik und Medienkommunikation studiert und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern im Norden von Dublin.
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Eins
Es war ein Freitagmorgen im Juni, als Luke und ich beste Freunde wurden. Präzise gesagt passierte es um Viertel nach neun, das weiß ich noch genau, weil ich da auf die Uhr schaute. Ich weiß nicht mehr, warum. Eigentlich gab es keinen Grund dafür, ich musste nicht zu einer bestimmten Zeit irgendwo sein. Andererseits bin ich überzeugt, dass alles irgendwie einen Grund hat, also hab ich vielleicht auf die Uhr gesehen, damit ich meine Geschichte anständig erzählen kann. Einzelheiten sind wichtig beim Erzählen, stimmt’s?
Ich freute mich, Luke zu treffen, denn ich fühlte mich ein bisschen traurig, weil ich mich gerade von meinem alten besten Freund Barry getrennt hatte. Er konnte sich nicht mehr mit mir treffen. Aber das spielt eigentlich keine Rolle, denn jetzt ist er glücklicher, und darauf kommt es an, denke ich. Schließlich gehört es zu meinem Job, dass ich meine besten Freunde verlassen muss. Sicher, es ist nicht der angenehmste Teil, aber ich glaube daran, dass an allem etwas Gutes ist, und deshalb sage ich mir, wenn ich meine besten Freunde nicht verlassen müsste, dann könnte ich auch keine neuen besten Freunde kennen lernen. Und genau das ist es ja, was mir am allerbesten gefällt – neue Freundschaften zu schließen. Wahrscheinlich hat man mir den Job deswegen auch angeboten.
Wie mein Job genau aussieht, erkläre ich gleich, aber erst mal möchte ich von dem Morgen erzählen, an dem ich meinen besten Freund Luke kennen gelernt habe.
Ich zog Barrys Gartentor hinter mir zu und marschierte los. Ohne ersichtlichen Grund ging ich erst links, dann rechts, dann links, dann ein Stück geradeaus, dann wieder rechts, bis ich schließlich in einer Wohnsiedlung namens Fuchsia Lane landete. Vermutlich hat man den Namen gewählt, weil da überall Fuchsien blühen. Die wachsen hier nämlich wild. Wenn ich »hier« sage, dann meine ich eine Stadt namens Baile na gCroíthe, in der Nähe von Killarney, im County Kerry. Das liegt in Irland.
Aus Baile na gCroíthe wurde irgendwann im Lauf der Zeit auf Englisch Hartstown, aber wenn man den Namen direkt aus dem Irischen übersetzt, heißt er ›Stadt der Herzen‹. Ich finde, das klingt viel hübscher.
Ich war froh, wieder da zu sein. In meiner Anfangszeit hatte ich ein paar Aufträge hier zu erledigen, aber dann war ich jahrelang anderswo unterwegs. Bei meiner Arbeit komme ich viel herum, und manchmal nehmen mich meine Freunde auch mit in den Urlaub ins Ausland. Ich war schon in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Griechenland, Australien und sogar ein paar Mal in Disney World in Amerika. Erstaunlich, wie viele meiner besten Freunde mit mir nach Disney World wollen. Eigentlich würde man ja denken, bei den ganzen Attraktionen, bei den Süßigkeiten und wundervollen Zauberdingen ist ein Freund unnötig, aber das zeigt mal wieder, dass man immer einen besten Freund braucht, ganz gleich, wo man ist.
Tut mir Leid, ich schweife ab. Zurück zur Fuchsia Lane. Sie bestand aus zwölf Häusern, sechs auf jeder Seite, und alle ganz unterschiedlich. Manche aus roten Backsteinen, andere aus grauen Klinkern, manche mit spitzem Dach, andere mit flachem, und eins hatte sogar ein Reetdach. Manche hatten mehrere Stockwerke, andere nur eins. Es gab lange Auffahrten und riesige Bäume, die viel älter waren als ich. Und obwohl ich finde, man soll alles Ältere respektieren, bedeutet das nicht, dass man keinen Spaß damit haben kann.
Überall wimmelte es nur so von Menschen. Klar, es war ja Freitagmorgen. Außerdem auch noch Juni und so richtig sonnig und hell, da hatten alle gute Laune. Na ja, jedenfalls die meisten.
Auch jede Menge Kinder waren auf der Straße, fuhren Fahrrad, spielten Himmel und Hölle, Fangen, Dosenwerfen und jede Menge anderes Zeug. Man hörte sie schreien und lachen. Vermutlich waren sie froh, dass sie Ferien hatten. Aber so nett sie auch zu sein schienen, fühlte ich mich nicht zu ihnen hingezogen. Wissen Sie, ich kann mich nicht mit jedem X-Beliebigen anfreunden. Das ist nicht mein Job.
In einem Vorgarten mähte ein Mann den Rasen, und eine Frau werkelte mit dreckverkrusteten Handschuhen an einem Blumenbeet herum. Der angenehme Duft von frisch geschnittenem Gras hing in der Luft, und das Geräusch, wie die Frau schnitt und schnippelte, stutzte und putzte, war Musik in meinen Ohren. Im nächsten Garten pfiff ein Mann ein Lied, das ich nicht kannte, während er mit dem Gartenschlauch seinen Wagen abspritzte und zusah, wie der Seifenschaum über den Lack glitschte und darunter ein blitzblankes Glitzern zum Vorschein kam. Hin und wieder wirbelte er mit dem Schlauch herum und spritzte zwei kleine Mädchen in gelbschwarz gestreiften Badeanzügen nass. Die beiden sahen aus wie zwei große Hummeln. Ich freute mich an ihrem Gegiggel.
In der nächsten Auffahrt spielten ein Junge und ein Mädchen Himmel und Hölle. Ich sah ihnen ein Weilchen zu, aber da keiner der beiden auf mein Interesse reagierte, ging ich weiter. In jedem Garten sah ich spielende Kinder, aber keins nahm mich wahr oder lud mich zum Mitspielen ein. Fahrräder, Skateboards und ferngesteuerte Autos flitzten an mir vorbei, ohne dass jemand mich auch nur eines Blickes würdigte. Allmählich begann ich mich zu fragen, ob es vielleicht ein Fehler gewesen war, in die Fuchsia Lane zu kommen, was mich verwirrte, weil ich im Orteaussuchen eigentlich sehr gut bin und weil auch so viele Kinder da waren. Schließlich setzte ich mich auf die Gartenmauer beim letzten Haus und dachte darüber nach, wo ich falsch abgebogen sein könnte.
Nach ein paar Minuten kam ich zu dem Schluss, dass ich doch in der richtigen Gegend gelandet war. Ich biege wirklich nur ganz, ganz selten mal falsch ab. Langsam drehte ich mich auf meinem Hinterteil um, sodass ich das Haus sehen konnte, das zu der Gartenmauer gehörte, auf der ich gerade saß. Es hatte zwei Stockwerke und eine Garage, vor der ein teures Auto stand und in der Sonne funkelte. Auf einem Schild, das unter mir an der Gartenmauer angebracht war, stand: »Fuchsia House«. Der gleiche Name wie die Straße. Aber an diesem Haus kletterten die blühenden Fuchsien überall über die Wände, klammerten sich an die braunen Backsteine über der Eingangstür und wucherten bis hinauf zum Dach. Es sah sehr hübsch aus. Ein Teil des Hauses war aus braunem Backstein, an anderen Stellen war es honigfarben gestrichen. Ein paar Fenster waren viereckig, andere rund. Ziemlich ungewöhnlich. Die Haustür war fuchsienrot und hatte zwei lange Fenster, deren obere Scheiben aus Milchglas bestanden. Darunter waren ein Messingtürklopfer und ein Messingbriefschlitz, sodass es aussah wie ein Gesicht: zwei Augen, eine Nase und ein Mund, der mir zulächelte. Ich winkte und lächelte zurück, für den Fall des Falles. Heutzutage kann man ja nie wissen.
Während ich noch das Gesicht studierte, ging die Tür auf und fiel dann ziemlich laut wieder ins Schloss. Ein Junge kam heraus. Anscheinend war er ziemlich wütend. In der rechten Hand trug er ein großes rotes Feuerwehrauto, in der linken einen Polizeiwagen. Ich liebe rote Feuerwehrautos. Der Junge hopste von der untersten Stufe der Veranda und rannte auf die Wiese, wo er sich auf die Knie fallen ließ und ein Stück rutschte. Ich musste lachen, weil seine schwarze Trainingshose dabei natürlich Grasflecke kriegte. Grasflecke sind lustig, weil sie nie wieder rausgehen. Mein alter Freund Barry und ich sind immer gern im Gras rumgerutscht. Der Junge fing an, die Feuerwehr gegen das Polizeiauto krachen zu lassen und dabei verschiedene Geräusche von sich zu geben. Das konnte er gut. Barry und ich haben das auch immer gemacht. Es macht Spaß, Dinge zu spielen, die im richtigen Leben normalerweise nicht passieren.
Der Junge rammte die rote Feuerwehr mit dem Streifenwagen, und der Cheffeuerwehrmann, der sich an die Leiter auf der Seite des Wagens klammerte, stürzte ab. Ich musste laut lachen, und der Junge blickte auf.
Er sah mich an. Direkt in die Augen.
»Hi«, sagte ich, räusperte mich und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Ich hatte meine Lieblingsschuhe an, blaue Converse-Sneakers, und die hatten noch Grasflecke vorn auf den Gummikappen, vom Grasrutschen mit Barry. Während ich überlegte, was ich sagen sollte, rubbelte ich damit über die Backsteinmauer, um die Flecken abzureiben. So gern ich neue Freundschaften schließe, bin ich dabei immer auch ein bisschen aufgeregt. Schließlich besteht ja die Chance, dass jemand mich nicht leiden kann, und das macht mir jedes Mal so ein flaues Gefühl im Magen. Bisher hatte ich zwar Glück, aber das bedeutet ja nicht, dass es ewig so bleiben muss.
»Hi«, antwortete der Junge, während er den Feuerwehrmann wieder an der Leiter befestigte.
»Wie heißt du?«, fragte ich, kickte mit dem Fuß gegen die Mauer und kratzte mit der Gummikappe am Stein. Das Gras ging natürlich trotzdem nicht ab.
Eine Weile musterte mich der Junge von oben bis unten, als überlege er, ob er mir seinen Namen sagen wollte oder eher nicht. Diesen Teil meines Jobs hasse ich aus tiefstem Herzen. Es ist echt blöd, wenn man sich mit jemandem anfreunden will, der umgekehrt gar kein Interesse daran hat. Manchmal passiert das schon, aber irgendwann entscheidet sich der Betreffende dann immer doch für mich, weil er merkt, dass er gern mit mir zusammen sein möchte, auch wenn er es anfangs nicht kapiert hat.
Der Junge hatte weißblonde Haare und große blaue Augen. Ich kannte das Gesicht von irgendwo, aber ich konnte mich nicht erinnern, woher.
Schließlich sagte er: »Ich heiße Luke. Und du?«
Ich stopfte die Hände tief in die Hosentaschen und konzentrierte mich ganz darauf, mit dem rechten Fuß gegen die Mauer zu treten. Ein paar Backsteinkrümel lösten sich und fielen auf den Boden. Ohne den Jungen anzusehen, antwortete ich:...





