Alberts | Der Spitzel | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 173 Seiten

Alberts Der Spitzel


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95865-049-7
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 173 Seiten

ISBN: 978-3-95865-049-7
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nach einer großen Demonstration wird eine Leiche gefunden, verkohlt in einer Feuerstelle. Selbstmord eines Dreißigjährigen, der ein Zeichen setzen wollte? Fritz Pinneberger übernimmt den Fall, der keiner zu sein scheint.

Jürgen Alberts lebt als Schriftsteller in Bremen. 1987 wurde er für seinen Roman Landru mit dem »Glauser« ausgezeichnet. 2011 wurde er vom SYNDIKAT mit dem Ehrenglauser ausgezeichnet ('...in Würdigung seines Engagements für die deutschsprachige Kriminalliteratur und für sein bisheriges literarisches Gesamtwerk im Bereich der Kriminalliteratur'). Neben historischen und Reiseromanen (zusammen mit seiner Frau Marita) hat er sich immer wieder dem Krimi-Genre verbunden gefühlt, wie es in dieser 10-Bände umfassenden Bremen-Krimireihe zum Ausdruck kommt. Mehr unter: www.juergen-alberts.de
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»Passe«, sagte Fritz Pinneberger und sah Marianne an. Er schüttelte den Kopf. So einen Skatspieler hatte er noch nie erlebt.

Sie saßen im >Eck< und versuchten, ihre Vierer-Runde zu komplettieren. Obwohl Skat von drei Personen gespielt wurde, hatte, Fritz Pinneberger, darauf beständen, dass ein vierter Mann her müsse.

Wen hatten sie in den zwei Jahren nicht alles ausprobiert. Kollegen aus allen Dezernaten; die bereit waren, sich mit Lindow an einen Tisch zu setzen. Das waren zwar nicht sehr viele, aber unter denen gab es eine ganze Reihe, von Skatspielern. Joe Davids, mit dem Pinneberger täglich auf dem Kommissariat zu tun hatte, war ihnen zu überlegen. Der spielte Skat mit Messern, da mussten sie sich vorsehen. Ein Kollege von der Wirtschaft, mit dem Lindow gelegentlich arbeitete, brachte es fertig, den ganzen Abend kein Spiel zu machen. Auch der wurde nicht wieder eingeladen.

»Kontra«, sagte Pinneberger, der sich darauf freute, dass er mit einem der nächsten Stiche Horst zur Strecke brachte.

»Re«, erwiderte Horst, »das Blatt wird verteidigt.«

Marianne lächelte. Sie hatte ihn angeschleppt. Obwohl sie mitten in ihrem Sozialpädagogik-Examen stand, durfte der wöchentliche Skatabend nicht ausfallen. Das hätte ihr Fritz Pinneberger nicht verziehen. Außerdem war es eine schöne Ablenkung. Sie hatte sich mit Horst auf die mündliche Prüfung vorbereitet. Thema: >Die Ideologeme im Bewusstsein der westdeutschen Arbeiterschaft<. Horst kannte all die Titel, die zum Standardwissen gehörten.

Auch er war, über den zweiten Bildungsweg an, die Universität gekommen. Und als er gesagt hatte, dass er Skat spielen könne, lud ihn Marianne ein. Aber was sie nicht sagte, war, dass sie mit zwei Polizisten spielte.

So war die erste Bemerkung, die Horst machte; als sie sich begrüßten, auch sehr unpassend: »Eigentlich hätt' ich auf der Demo sein müssen.«

»Da haben wir unsere Hundertschaften hingeschickt:« Lindow lachte. Horst erschrak.

Fritz Pinneberger hatte schon mit dem Gedanken gespielt, mal einen Demonstrationsausflug als Beobachter mitzumachen. Ihm war zwar bei der Aussicht auf eine strahlenverseuchte. Zukunft nicht gerade wohl; aber deswegen würde er nicht dagegen demonstrieren

Es reizte ihn nur, sich mit den Teilnehmern zu unterhalten. Denn anders als die meisten Presseerzeugnisse, hielt er sie nicht für Chaoten und Dummköpfe, Spinner und Altfrustrierte. Einmal hätte er 'sich' sogar mit seinem Vorgesetzten, dem Kriminaldirektor Matthies, gestritten, der behauptete, diese Wanderdemonstranten würden den Staat unterminieren wollen. Pinneberger sah das nicht so und hielt dagegen.

Horst spielte die erste Karte, und sie sollte gleich seine schwierige Lage aufzeigen. Die Herz-Sieben, damit würde er keinen Stich machen, aber er hatte noch eine Herz-Zehn.

Wolfgang Lindow nahm mit der Dame. Dieser, Null-Ouvert deni. Horst, der angekündigt hatte, war ein Gespenst. Was konnten sie mit einem vierten Mann anfangen, der aggressiv versuchte, jedes Spiel zu machen; und dabei, fast immer verlor? Lindow rechnete in Gedanken schon die Verluste zusammen, die Horst zusammengespielt hatte. Hoffentlich traf es keinen Bafög-Studenten.

»Das war's dann wohl«, sagte Fritz Pinneberger, als Horst die Karten auf den Eichentisch legte. Er spielte die Herz-Acht, Horst musste übernehmen; Lindow war blank.

»46; verloren g2, Kontra 184, Re 368«, Lindow notierte mit seinem spitzen Bleistift, addierte und subtrahierte. Die Zahlen waren beeindruckend.

Horst blieb stumm, als würde ihn das gar nichts angehen. Er nahm die Karten, mischte sie und teilte aus. Dann stand er auf und ging zur Toilette.

Marianne steckte sich ihr Blatt: »Tut mir leid. Das konnte ich nicht wissen.«

»Ach was«, sagte Lindow, »ist doch ganz amüsant. Hoffentlich kann er zahlen.«

»Der spielt aber nicht mehr mit«, Pinneberger war verärgert. Er nahm einen großen Schluck Bier. »Wär er besser demonstrieren gegangen und hätte für uns gebetet.«

»Fritz, lass das.« Marianne legte das Blatt hin. »Ich finde es nicht gut, darüber Witze zu machen. Diese Leute sitzen nicht, wie wir, faul auf dem Hintern.«

»Bitte, keine politischen Parolen, Marianne. Wir spielen .Skat!« Wolfgang Lindow sah sie strafend an. »Wer ist vorne?«

Das Ritual begann.

»Geben, hören, sagen. Fritz, los geht's.«

»Aber man kann doch nicht zusehen, wie die mit der Bombe spielen.« Marianne ließ nicht locker.

»Kernkraftwerke sind sicher«, sagte Lindow, »willst du 'ne Mark zahlen?« Er nahm den Bleistift in die Hand. Dem Skat abträgliche Gespräche, ob sie nun über die Arbeit oder seit neuestem über Politik gingen, waren verboten.

Eine Mark in die gemeinsame Kasse war bei Zuwiderhandlungen zu entrichten. Lindow sagte immer, Skat sei ein ernstes Spiel, nicht so was Lächerliches wie Würfeln.

»Wenn ihr wütend seid auf den Horst, dann doch nur; weil er, das gesagt hat, mit dem Demonstrieren, oder?« Marianne hatte ihr. Blatt wieder aufgenommen, sie wollte- keinen Streit provozieren, immerhin war Horst auf ihre Einladung gekommen.

»Das hat damit gar nichts zu tun«, sagte Pinneberger, »der ist mir so lieb wie jeder andere auch. Wir haben eben noch nicht den Richtigen gefunden.«

Horst kam zurück und war ganz grün im Gesicht.

Er hielt zwei Zehnmarkscheine in der Hand, warf sie auf den Tisch, murmelte, das müsse wohl genügen, nahm seine Jacke und ging.

Einen Moment war es im >Eck< ganz leise, die Gespräche an den anderen Tischen verstummten.

Horst stand an der Theke, zahlte. seine Zeche. Marianne sprang auf. »Was ist los mit dir?«

»Ich muss kotzen«, sagte Horst.

»Du verträgst nicht viel«, Marianne fasste ihn an der Schulter.

»Das ist es nicht«, erwiderte Horst ziemlich laut. Er nahm das Wechselgeld.

»Wir sehen uns in der Uni«, sagte er; dann ging er mit schnellen Schritten zum Ausgang.

Fritz Pinneberger und Wolfgang Lindow waren völlig verdattert. »Nicht mal in, Ruhe ein Spielchen kann man mehr machen«, Pinneberger fand als erster seine Worte wieder: Da hatte er diesen Studenten falsch eingeschätzt.

Wolfgang Lindow bohrte in der Nase. »Diese dämliche Politik, und dabei hab' ich so ein gutes Blatt.«

Marianne kam an den Tisch zurück. »Ich hab' keine Lust mehr, trinken wir aus und machen Schluss. Außerdem muss ich morgen wieder ...«

Lindow, der als Ältester von ihnen meist den Ton angab, war gar nicht damit einverstanden, wenigstens noch diese Runde wolle er zu Ende spielen. Und die drei Bockrunden würden auch noch gespielt.

Pinneberger machte einen Kompromiss-Vorschlag. Dann stimmten sie ab.

Immerhin ging es demokratisch bei ihnen zu.

Zur gleichen Zeit saßen vier Herren in fast gleichen Anzügen in einem alten Weinfass und sprachen leise miteinander: Sie hatten den Kellner gebeten, sie in den nächsten beiden Stunden nicht zu stören. In diesem Séparée des Ratskellers waren die Geräusche der großen Halle sehr gedämpft. Die vertraute Atmosphäre für vertrauliche Gespräche.

»Ich denke, es wäre an der Zeit, zu überlegen, ob man nicht jeden Tag einen von diesen Terroristen öffentlich erschießt. Ich weiß, meine Herren, das sind starke Worte, aber ich sehe keinen anderen Ausweg.« Der Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz sah in die Runde.

»Ist es nicht etwas zu früh für diesen Gedanken«, meinte der Innensenator, an dessen Jackett ein kleines goldenes Parteiabzeichen prangte.

Sie hatten in den letzten fünfzig Minuten die Lage in der Stadt diskutiert: die Durchsuchung der Wohnungen, kurz kw genannt, was für konspirative Wohnungen stand, das Abhören von rund hundert Personen, die Überprüfung fast sämtlicher Arztpraxen und Rechtsanwaltsbüros, denn seit das Bundeskriminalamt vermutete, dass der entführte Industrielle in der Nähe eines Büros gefangen gehalten wurde, waren entsprechende Anweisungen erfolgt;

»Es ist gar nicht so schwer, wie Sie denken, meine Herren«, der oberste Verfassungsschützer der Stadt nahm seinen Gedanken wieder auf, »der Bundestag ändert unverzüglich Artikel 102, des Grundgesetzes und hebt die Abschaffung der Todesstrafe auf. Danach können Menschen erschossen werden; die durch menschenerpresserische Geiselnahme befreit werden sollen, also Terroristen in diesem Fall. Das Urteil wird durch höchstrichterlichen Spruch gefällt, keine Rechtsmittel möglich.«

Polizeipräsident Mantz stopfte seine Pfeife, umständlich. Wenn er zu viel Tabak hineinpfropfte, dann brannte sie nicht, wenn er zu wenig nahm, gab es ein Strohfeuer. »Ich weiß nicht, Müller, ob wir damit auf dem richtigen Weg sind.«

»Aber wir hätten die Mehrheit der Bevölkerung auf unserer Seite«, gab der Verfassungsschützer zu bedenken.

Die Ausbeute der großangelegten Fahndung; die seit vierzehn Tagen auf Hochtouren lief; war, gleich Null. Auch der Hinweis, der entführte Industrielle sei auf einem Schiff, weil man im Hintergrund des Videofilmes einen Motor zu hören glaubte, löste nur einen neuen Fehlschlag aus. Sämtliche Boote, die im Hafen lagen, mussten überprüft werden. Alle Häfen wurden unter ständige Beobachtung genommen, NATO-Flugzeuge...



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