Alberts | Der Tiermörder | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 162 Seiten

Alberts Der Tiermörder


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95865-065-7
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 162 Seiten

ISBN: 978-3-95865-065-7
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als Frau Herta B. zum dritten Mal durchgerechnet hatte, dass sie auch im Monat August nicht mit der Ratenzahlung für einen Fuchspelz anfangen konnte, schlachtete sie ihren Hund Michael, gerbte sein Fell und schneiderte sich daraus eine Stola.

Jürgen Alberts lebt als Schriftsteller in Bremen. 1987 wurde er für seinen Roman Landru mit dem »Glauser« ausgezeichnet. 2011 wurde er vom SYNDIKAT mit dem Ehrenglauser ausgezeichnet ('...in Würdigung seines Engagements für die deutschsprachige Kriminalliteratur und für sein bisheriges literarisches Gesamtwerk im Bereich der Kriminalliteratur'). Neben historischen und Reiseromanen (zusammen mit seiner Frau Marita) hat er sich immer wieder dem Krimi-Genre verbunden gefühlt, wie es in dieser 10-Bände umfassenden Bremen-Krimireihe zum Ausdruck kommt. Mehr unter: www.juergen-alberts.de
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»Jetzt esst doch noch ein Stück, Kinder«, sagte Else Holzmann streng, »ich kann den Kuchen nicht einfrieren. Unsere Tiefkühltruhe ist kaputt. «

Ein schöner Nachmittag im Februar, die ersten Sonnenstrahlen, als hätte sich der Frühling im Kalender geirrt. Sonntagsruhe im Neubauviertel. Auf der kleinen Terrasse hinterm Haus saß Familie Holzmann am rosagedeckten Kaffeetisch. Stolz hatte Else ihr neues Haus gezeigt. Sie waren endlich aus Tenever ausgezogen, aus dieser miesen Hochhaussiedlung, in der die Polizei keine Ordnung halten konnte. Das kleine Eigentum war zwar erheblich überteuert, aber wenn man seine Ruhe haben wollte, dann musste man sich das etwas kosten lassen.

Else Holzmann schenkte Kaffee nach. Die Kanne im rosageblümten Warmhaltehöschen, unter dem Ausguss der fleckige Tropfenfänger. »Ihr habt noch gar nichts von euch erzählt«, versuchte sie, das stockende Gespräch wieder in Gang zu setzen.

Otto, ihr Mann, schmaler Kopf und große Ohren, reckte sich vor: »Ich finde, wir haben es hier wunderschön getroffen. «

»Du bist jetzt mal still«, schnitt Else ihm das Wort ab. Es war das erste Mal, dass Otto etwas zum Gespräch beitragen wollte. Seit drei Stunden waren Tochter Elsbeth und ihr Mann Günter zu Besuch, und Else hatte pausenlos geredet. Über den Umzug, und wie langsam die Möbelpacker arbeiteten: »Ich hab' jedem nur eine Flasche Bier ausgegeben, aber erst als die Arbeit getan war. « Über das fürchterliche Viertel, aus dem sie ausgezogen waren: »Nur Asylanten und Kriminelle. Ich hätte am liebsten selbst ein paar abgeschossen. « Über das schöne Neubauviertel: »Alles sauber hier. Habt ihr die Absperr-Vorrichtung für die Mülltonnen gesehen? Einfach traumhaft.«

Die kleine Auseinandersetzung mit den Nachbarn zur Rechten verschwieg Else Holzmann. Gleich beim Einzug im letzten Herbst hatte sie Herrn Hassel zu verstehen gegeben, dass der Walnussstrauch am hinteren Ende des Gartens gestutzt werden müsse. »Der ragt in unseren Garten hinein, ich möchte nicht im Herbst die Blätter aufsammeln müssen. « Aber Herr Hassel hatte sich taub gestellt. Nichts war geschehen. Else Holzmann setzte ihm ein Ultimatum, erst mündlich, dann schriftlich. Als das auch nichts half, griff sie zur Gartenschere und kürzte in einer nächtlichen Aktion den Walnussstrauch, warf die abgeschnittenen Zweige auf das Nachbargrundstück. Der Brief des Rechtsanwaltes ließ nicht lange auf sich warten.

»Riechst du es? Schon wieder dieser ekelhafte Geruch.« Else Holzmann, die zur Feier des Tages ein modernes blaues Kostüm mit einer cremefarbenen Spitzenbluse trug, schubste Otto.

Der schüttelte den Kopf.

Auch Elsbeth rümpfte die Nase, wie ihre Mutter es angeordnet hatte. »Kommt von dort drüben«, sagte sie und zeigte in die Richtung. »Riechst du es nicht, Günter? «

Günter war nicht gerade das, was man einen Schnellmerker nannte. Er saß im Vermessungsamt der Stadt Dortmund, füllte täglich Formulare aus und heftete sie sauber in Aktenvorgängen ab. Seine stetige, aber langsame Karriere hatte ihn im Laufe von siebzehn Jahren zwei Zimmer aufrücken lassen, im gleichen Gebäude. Der Schwiegersohn war nicht besonders beliebt bei Holzmanns, weil Else keinen Hehl aus der Tatsache machte, dass sie sich für ihre einzige Tochter eine bessere Partie gewünscht hätte.

»Ich rufe die Polizei«, sagte Else, stand auf und strich ihren Rock glatt. »Diese Stinkerei muss aufhören! «

»Else, bitte«, rief Otto schwach. Sie ließ sich nicht abhalten. Das Verhältnis zwischen Familie Holzmann und der Polizei konnte man durchaus als gestört betrachten. Die Kollegen vom Revier Tenever hielten sie für Psychopathen, die Polizisten in der Innenstadt für Zuträger der schlimmen Sorte. Hauptkommissar Lindow hatte sie einmal das Denunziantenpärchen getauft, nicht ohne heftigen Widerspruch seiner Mitarbeiter.

»Jetzt riech' ich es auch«, sagte Otto und schaufelte sich eine Portion rosa Cremetorte auf den Teller. Er hatte nur darauf gewartet, dass seine Else den Tisch verließ. Mit schnellen Gabelschlägen teilte er das Himbeerstück und schlang es hastig in sich hinein.

Elsbeth schnüffelte noch. Wie ein Dackel, der seine Pinkelecken sucht.

Seitdem sie aus der Hansestadt weggezogen war, um dem Vermessungsbeamten Günter Wohlsorge das Jawort zu geben, hatte sich ihr Gewicht verdoppelt. Der schwere Busen spannte unter der blütenweißen Bluse, ein breiter Gürtel markierte die Taille. Gelegentlich kleckerte sie auf ihren Vorbau. In Gegenwart von Mutter Else durfte das nicht geschehen, deswegen hob sie den Kuchenteller bis in Brusthöhe.

»Sie kommen sofort«, rief Else durch die offene Terrassentür.

Sofort waren die Polizisten eigentlich nie gekommen. Sobald die Kollegen vom Revier Tenever herausgefunden hatten, wer sich da wieder beschweren wollte, warteten sie den nächsten, auch schon mal den dritten Beschwerdeanruf ab. Else und Otto Holzmann beschwerten sich über die Klingelstreiche der Kinder, Abfalltüten neben dem Mülleimer, Hundekot auf dem Gehweg, sexuelle Belästigung am Nachmittag. Die Liste war so lang geworden, dass es im Revier hieß: »So viele Freunde und Helfer gibt es gar nicht, um allen Beschwerden der Holzmanns nachzugehen. Die brauchen eine eigene Hundertschaft. « Einer hatte eine Karikatur aus der Zeitung ausgeschnitten und an die Pinnwand mit den Schichtplänen geheftet. Zwei alte Herrschaften schauen mit dem Fernglas aus der Wohnung. Sie sagt zu ihm: »Sieh‘ mal, die Meyersche von gegenüber raucht schon wieder im Bett. « Darauf er: »Und dabei hatte sie gar keinen Geschlechtsverkehr.«

Otto Holzmann hatte längst seinen Teller wieder an seinen Platz gestellt, schaute in die Luft, die nicht besonders würzig war.

»Otto, du sagst ja gar nichts. « Else inspizierte seinen Teller. »Hast du noch ein Stück gegessen? Du solltest auf deine Linie achten! «

Elsbeth schaltete sich ein. »Lass doch Vater essen, mit seinen 60 Jahren wird er doch allein entscheiden dürfen. «

»Nichts! Der wird mir zu fett. Ich will ihn später nicht im Rollstuhl schieben müssen. «

Zwanzig Minuten später traf die Streifenbesatzung ein.

Marianne Kohlhase setzte die Dienstmütze auf. Sie war zum ersten Mal in diesem Neubauviertel. Rote Klinkerbauten, wie an einer Perlenkette aufgereiht, in Sicht- und Hörweite des Autobahnzubringers. Hier würde sie nicht wohnen wollen.

Ihr Kollege Helmut Kremer blieb am Steuer der Funkstreife sitzen. Er trommelte auf dem Lenkrad den Takt des Beatles-Titels: When I'm sixty-four. Auf der Hansa-Welle war Oldie Time. Ein ruhiger Sonntagnachmittag. Als hielten sich die Ganoven an die feiertägliche Ruhe. »Wenn's keine Banditen gäbe«, sagte Kremer in seinem breiten Ruhrgebietsslang, »könnte man als Polizist tatsächlich ein nettes Leben haben. «

Marianne Kohlhase klingelte. Sofort wurde die Tür aufgemacht. Else Holzmann zog sie, nachdem sie die Begrüßung gemurmelt hatte, an der Uniformjacke durch das deutsche Wohnzimmer. »Kommen Sie, kommen Sie! Es ist hier draußen. «

Dann stand die Polizistin auf der Terrasse, wünschte der Kaffeerunde einen guten Tag.

»Riechen Sie nichts? «

Else Holzmann schnupperte aufgeregt in die Luft.

»Was soll ich riechen? « fragte Marianne Kohlhase.

»Es stinkt«, rief Frau Holzmann laut.

»Ruhe!“ kam es vom Nachbargrundstück herüber.

»Kann man nicht mal am Sonntag seine Ruhe haben? «

»Das ist Herr Hassel von nebenan. Gar nicht ignorieren. « Otto Holzmann stand auf und zeigte in die Richtung, aus der sie den Gestank vernommen hatten.

»Ich rieche nichts«, sagte Marianne Kohlhase freundlich.

Sie musste ernst bleiben, sonst würde es gleich einen Aufstand geben. Wie gut, dass Kremer nicht mitgekommen war. Wenigstens hatten sie gleich im Wagen etwas zu lachen. Kremer konnte Witze erzählen, da lachte halb Bottrop.

»Vorhin war es stärker«, sagte Elsbeth, die sich ebenfalls erhoben hatte. Immerhin war eine Uniform anwesend. Nur der Vermessungsbeamte lehnte sich in dem weißrosa-gestreiften Polsterstuhl zurück. Als wollte er prüfen, wie sich die junge Beamtin verhielt. Schließlich war er länger auf dem Dienstweg als sie.

»Nach was hat es denn gerochen? «fragte Marianne, bemüht, etwas in Erfahrung zu bringen.

»Gerochen, sagen Sie? Es hat gestunken«, rief Else Holzmann, »und das ist schon das dritte Mal. «

»Und wie stinkt es? «

Die Kaffeerunde sah sich an. Else zuckte mit den Schultern, Otto verdrehte die Augen, Elsbeth schnippte mit den Fingern, wie in der Schule, wenn einem die richtige Antwort nicht einfallen wollte. Nun kam der Einsatz von Günter Wohlsorge, der sich für den Intellektuellen in dieser Runde hielt.

»Ich würde sagen, es hat nach verbranntem Fleisch gerochen. Wissen Sie, wenn Haare versengt werden, mit einem Schuss ins Bittere, oder sagen wir lieber, es roch wie Müllkippe ganz unten. «

»Aha«, sagte die Polizistin, die ihr schwarzes Notizbuch zückte. Sie notierte zwei Worte. Dann schloss sie es wieder.

»Also, jetzt ist der Geruch vorbei. Wenn es wieder mal passiert, dann melden Sie sich. «

»Das ist sehr zuvorkommend«, sagte Otto, »wir haben mit Ihren Kollegen in Tenever auch nur die besten Erfahrungen gemacht. Wir sind...



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