Alberts | Die  Bremen-Polizei-Serie  1987-1996 | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 114 Seiten

Alberts Die Bremen-Polizei-Serie 1987-1996


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95865-991-9
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 114 Seiten

ISBN: 978-3-95865-991-9
Verlag: 110th
Format: EPUB
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Obwohl einige deutsche KrimiautorInnen Romane mit dem gleichen Personal in Serie haben gehen lassen, ist Jürgen Alberts der erste gewesen, der sich nach dem Modell der Schweden Sjöwall/Wählöö an eine abgeschlossene Zehner-Serie gewagt hat. (Zwischen 1986 und 1996 erschien jährlich eine Folge.) In anderen europäischen und lateinamerikanischen Ländern haben es gleich mehrere Kollegen versucht. In diesem 'elften' Band der Bremen-Polizei-Serie berichtet Jürgen Alberts, wie es zu diesem literarischen Projekt kam, wie die Recherchen zu den brisanten Themen aussahen und welche, oft erstaunlich heftige, Reaktionen es auf das Erscheinen der Romane gegeben hat. Vor dem Hintergrund bremischer Lokal- und bundesdeutscher Geschichte (die Serie umfasst den Zeitraum von 1975 bis 1993) hat Jürgen Alberts die Innenwelten von Polizei und Medien beleuchtet.

Jürgen Alberts lebt als Schriftsteller in Bremen. 1987 wurde er für seinen Roman Landru mit dem »Glauser« ausgezeichnet. 2011 wurde er vom SYNDIKAT mit dem Ehrenglauser ausgezeichnet ('...in Würdigung seines Engagements für die deutschsprachige Kriminalliteratur und für sein bisheriges literarisches Gesamtwerk im Bereich der Kriminalliteratur'). Neben historischen und Reiseromanen (zusammen mit seiner Frau Marita) hat er sich immer wieder dem Krimi-Genre verbunden gefühlt, wie es in dieser 10-Bände umfassenden Bremen-Krimireihe zum Ausdruck kommt. Mehr unter: www.juergen-alberts.de
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Autoren/Hrsg.


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VI.


Der nächste Roman Der Tiermörder war eine Farce. Schon von Anbeginn so angelegt. Eine satirische Abrechnung mit dem Kleinbürgern und Spießertum, mit Denunzianten und Petzern. Auch in den vorherigen 5 Romanen gab es immer mindestens eine Szene mit dem Ehepaar Else und Otto Holzmann, dem Denunziantenpärchen, wie sie genannt werden. Diesmal rückten sie in den Mittelpunkt.

Das Motto des Romans gab die Tonart vor: „Als Frau Herta B. zum dritten Mal durchgerechnet hatte, dass sie auch im Monat August nicht mit der Ratenzahlung für einen Fuchspelz anfangen konnte, schlachtete sie ihren Hund Michael, gerbte sein Feil und schneiderte sich daraus eine Stola.“ Text für eine Pelzwerbung (die jedoch nie erschien.)

Aus diesem Roman habe ich nur ein einziges Mal vorgelesen, weil die zentrale Szene das Publikum derart „vereisen“ ließ, dass ich es trotz größter Anstrengung nicht wieder auftauen konnte. (Meiner Mutter habe ich diesen Roman vorenthalten. Sie hätte mich wohl nie wieder um ein neu erschienenes Buch gebeten.)

***

„Der Tiermörder“ (1992) - 2 Auszüge

Montagmorgen und alle Knochen müde. Die Woche fing mit Tränen an. Als Fritz Pinneberger seine Wohnung in der Feldstraße verließ, musste er ein zehnjähriges Mädchen trösten, dem ein Drogi das Fahrrad gestohlen hatte. Er ließ sich eine Beschreibung des Täters geben. Nachher würde er eine Meldung schreiben.

Wenn bloß diese zickige Alte sein Büro bald verließ. Sie war hereingestürmt und hatte ihn beschimpft: »Wissen Sie, was die Polizei für mich ist? Ein stinkender Sumpf, ein Schmutzkübel. Sie sind wirklich das Letzte. «

Dann hatte sie mit ihrem Schirm auf Pinnebergers Schreibtisch geschlagen, als wollte sie die Akten verhauen.

Karl Schlink hatte nur kurz den Kopf zur Tür hereingesteckt und war von dem Geruch, den die Alte verbreitete, zurückgeworfen worden. »Ich melde mich wieder«, rief er.

Oberkommissar Pinneberger war machtlos. Er sah, wie die Frau beim Reden die Unterlippe vorstülpte, sie anfeuchtete, um weitere Invektiven loszuwerden. Jetzt waren die Ärzte dran. »Wissen Sie, was Ärzte für mich sind? Das sind bezahlte Mörder, gedungene Metzger. Mir wollten sie den ganzen Unterleib rausoperieren, und ein Zahnarzt meinte, am besten würde er alle 40 Zähne ziehen, um dann ein gesundes Gebiss einzusetzen. Das sind Quacksalber! Wissen nichts, aber kassieren. «

Pinneberger sah aus dem Fenster. Die Wallanlagen im schönsten Grau. Die Hansestadt hatte wieder auf Regen geschaltet. Wenn Marianne keinen Dienst gehabt hätte, wären sie am Sonntag zum Wümmedeich geradelt, ganz gemütlich, hätten Bratkartoffeln mit Sauerfleisch gegessen und eine kleine Dosis Alkohol zu sich genommen. Aber Marianne war dienstlich belegt, was dazu führte, dass Pinneberger eine Fahrradgewalttour mit abschließendem gierigem Besäufnis unternahm.

Er hatte es aufgegeben herauszufinden, warum diese übelriechende Alte in seinem Büro saß. Vielleicht ging sie, wie sie gekommen war. Überraschend.

»Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten? « Pinneberger versuchte es mit Freundlichkeit.

»Tee ist gefärbtes Wasser, Junge! Daran kann man sich vergiften. Kein Schnaps da?«

»Wir sind im Dienst«, erwiderte Pinneberger streng. Schon der Gedanke an Schnaps ließ seine Blutbahn aufbrausen.

»Sie sind im Dienst, Junge! Ich hab' Pause.«

Die Alte trug einen Trenchcoat mit seltsamer Verzierung. Auf Flecken und ausgefranste Löcher hatte sie Plastikblumen gesteckt, wie man sie beim Freimarkt schießen konnte.

»Tee oder was? «, fragte der Oberkommissar.

»Schnaps«, beharrte die Alte.

Pinneberger griff nach der Akte XY ungelöst, holte die Kornflasche hervor und goss großzügig ein.

»Hat mich meine Nase nicht getäuscht, Junge! Ich kenn' doch die deutsche Beamtenseele. Wenn die nichts zu saufen hat, kann sie schon gleich gar nichts bewegen. Ohne Schnaps wärt ihr doch ein Haufen von toten Schmeißfliegen. «

Das Telefon klingelte.

Lindow war dran.

»Fritz, ich muss dich erinnern, dass wir den Skatabend verschoben haben, nicht dass ihr es vergesst. Heute Abend wird gespielt, pünktlich um acht. «

Pinneberger hatte es tatsächlich vergessen. Er würde zwei Liter Mineralwasser trinken. Die Verschiebung des Skatabends war der Tatsache zu verdanken, dass das Fußballeuropapokalspiel auf Donnerstag verschoben worden war. Das gehörte zu Lindows Mathematik. Nur Fußballtermine waren in der Lage, den Skattermin vom Heiligen Donnerstag zu verdrängen. Pinneberger legte auf.

»Ich muss gleich rauf zum Chef. « Er zeigte bedeutungsvoll auf das Telefon.

»Noch einen zur Beruhigung, mein Junge. Dann rede ich. « Die Alte, deren Vogelnest auf dem Kopf mit einem Hut wenig Ähnlichkeit hatte, streckte ihm ihr Glas entgegen.

Pinneberger schenkte nach. Dann schraubte er die Kornflasche zu, schob sie zwischen die Aktendeckel, strich sorgsam mit der Hand über die Rücken der Aktenordner. Gerade an so einem Montag brauchte es eine gewisse Ordnung.

Was er dann zu hören bekam, ließ keine weitere Abschweifung zu. Er musste sich konzentrieren, um alles mitzubekommen, weil die Alte ein derartiges Tempo vorlegte, wie ein Maschinengewehr.

»Sie werden ihn nich kennen, Junge, können ihn nich kennen, hat ja die ganze Zeit gesessen, hinter Gittern, was für Gitter, Junge, kann Ihnen sagen, schlimme Gitter, kann man sich den Kopf dran blutig schlagen, Helmut hat sich oft den Kopf dran blutig geschlagen, sieht aus wie ein Gebirge, wenn das Blut sich so verklumpt, hatte die ganze Bande von Wärtern nichts für übrig, haben Helmut nich mal das Blut weggewischt, mein Helmut.«

Dann holte sie Luft und ging zum Du über.

»Musst dir vorstellen, Junge, der Helmut hat seit 33 Jahren da gesessen, 33 Jahre, weißte, wie lang das is? Ne, kannste nich wissen, weil du ja nicht da gesessen hast. Der Helmut wollte immer raus, wollte raus aus diesem Bau, ham ihn nich gelassen, war ihnen zu müpfig, zu frech, nur weil er einem Wärter mal in die Hand gebissen hat, die Narbe hat der heute noch. Und warum hat mein Helmut gebissen? Weil diese Sau von Wärter ihm die Zwangsjacke für die Elektroschocks anlegen wollte. Armer Helmut, was sie dem angetan haben. Musst mal hingehen dahin, musste mal machen, sieh dir das mal an, was die mit einem anstellen. Elektroschocks, Spritzen, dicke Hämmer, Chemoscheiß, festbinden, verprügeln. Nach außen immer alles blitzeblank, aber drin wird aufgeräumt, da wird nich lang gefackelt. Mein Helmut ist tot, aber Selbstmord war das nie und niemals. «

»Moment«, unterbrach Pinneberger den ungestümen Redefluss, »wollen Sie sagen, dass Ihr Helmut ermordet wurde? «

»Soweit gehe ich, jawoll, soweit muss ich gehen. Hat sich doch nie jemand um ihn gekümmert, außer mir, ich hab' ihn immer besucht, nich oft, aber wenigstens zu den Feiertagen und bestimmt einmal im Monat. Manchmal hab' ich gefragt, war denn deine Mutter mal da, Vater ist schon lange tot, oder dein Bruder. Dann war Helmut immer still, hat in die Ecke geguckt, nie, die haben den vor 33 Jahren entmündigt, haben dafür gesorgt, dass er in die Geschlossene kommt und fertig, war der Fall für die gelöst, kein Helmut mehr, kein Sohn mehr da, ein Fresser weniger. Ich hab' meiner Schwester das ein paarmal an den Kopf geschmissen, dass sie ihren Sohn umkommen lässt, aber die Helga ganz abgebrüht. Wenn die Ärzte ihn entlassen tun, dann nehm' ich ihn wieder auf, aber keine Sekunde früher. Und die Ärzte haben ihn festgehalten, eingesperrt, Eisengitter, Köpfe blutig schlagen. «

»Wann ist denn Helmut gestorben? « fragte Pinneberger.

»Letzte Woche ...«, die Alte krallte ihre Hände ineinander, »letzte Woche ham sie ihn umgebracht. Ich kriegte die Nachricht erst, als er schon abtransportiert war, durfte ihn nicht mehr sehn, meinen Helmut, ham ihn weggeschafft wie einen Hundekadaver, weiß bis heute nich, wo er hinsoll. «

Pinneberger ließ sich den Namen der Klinik nennen und den des behandelnden Arztes. Obwohl er nicht danach gefragt hatte, zählte die Alte ihm die ganze Hierarchie der Nervenklinik auf. Sie kannte jeden Wärter, jede Schwester, den Chefarzt, seine beiden Therapeuten, alle, die mit ihrem Helmut zu tun hatten.

»Das ist so, als wenn man zur Familie gehört, die Gesunden da betrachten einen immer so, als sei man die schlechte Verwandtschaft, aber gesund, sie reden mit mir, als müsste ich sie verstehen, und nich meinen Helmut, weil wir ja alle gesund im Kopf sind, sie schließen einen mit ein. Ham Sie doch Verständnis, denken Sie mal mit, wir tragen die Verantwortung, wenn Helmut draußen was anstellt, wie der Mistkerl das schon sagte, anstellt, als wenn mein Helmut aus der Anstalt gerannt wäre, und hätte gleich jemand vergewaltigt, so sehen die das. Und wenn ich was gesagt hab', um Helmut in Schutz zu nehmen, ham sie mir das Wort im Mund rumgedreht, ich hätte keine Ahnung, das soll ich lieber den Spezialisten überlassen, sie sind darauf geschult. Wissen Sie, auf was die geschult sind? «

Diesmal ließ die Alte die Frage unbeantwortet, aber nur deswegen, weil der Regen so heftig gegen die Scheibe schlug. Als spüre sie die Gewalt des Unwetters, wand sie sich auf dem Stuhl, hin und her, die Unterlippe kam nicht zur Ruhe. Jetzt bäumte sich der Körper auf.

»Einen Schnaps?«

»Nein, jetzt nicht.« Mit Mühe schaffte es die Alte, sich auf dem Stuhl festzuhalten. »Es war kein Selbstmord, und wenn das tausend Engel behaupten. Die haben ihn umgebracht. «

Fritz Pinneberger war lange genug bei der Mordkommission, um sich nicht von diesem Auftritt beeinflussen zu lassen. Nur eines war ihm noch...



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