E-Book, Deutsch, 169 Seiten
Alberts Die Chop-Suey-Gang
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95865-051-0
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 169 Seiten
ISBN: 978-3-95865-051-0
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jürgen Alberts lebt als Schriftsteller in Bremen. 1987 wurde er für seinen Roman Landru mit dem »Glauser« ausgezeichnet. 2011 wurde er vom SYNDIKAT mit dem Ehrenglauser ausgezeichnet ('...in Würdigung seines Engagements für die deutschsprachige Kriminalliteratur und für sein bisheriges literarisches Gesamtwerk im Bereich der Kriminalliteratur'). Neben historischen und Reiseromanen (zusammen mit seiner Frau Marita) hat er sich immer wieder dem Krimi-Genre verbunden gefühlt, wie es in dieser 10-Bände umfassenden Bremen-Krimireihe zum Ausdruck kommt. Mehr unter: www.juergen-alberts.de
Autoren/Hrsg.
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In diesem April zeigte die Hansestadt mal wieder, was sie aus einem Frühlingstag machen konnte: Schmuddelwetter, diesmal in der nassen Variante, und kühl war es dazu.
Den ganzen Tag lang hatte sich Davids mit dem Mordfall Scholz befassen müssen, dreihundert Spurenhinweise und nicht ein brauchbarer. Anknüpfungspunkt.
Ein Mann war in seinem Auto ermordet worden, der Wagen abgeschlossen, keine Spuren von gewaltsamem Eindringen, der Schlüssel steckte im Zündschloss, der Obduktionsbefund ließ auf Vergiftung schließen. Der Wagen stand in der Innenstadt.
Als hätte ihm diese schwierige Aufgabe nicht gereicht, bekam er nachmittags um drei, kurz vor Dienstende, den dienstlichen Auftrag, bei einer abendlichen Durchsuchung im Viertel anwesend zu sein. Er hatte um 22 Uhr anzutreten.
Joe Davids war sauer. Nicht so sehr, weil er Xiao Chen absagen musste, sondern weil diese Doppelschichten zunahmen.
»Was soll ich denn dabei, wenn ihr Razzia fahrt?«, hatte er nachgefragt.
»Man kann nie wissen«, kam die knappe Antwort.
Davids wusste, dass der Landeskriminalrat hinter diesen, wie er sie nannte, Überraschungseinsätzen stand. Denn seine Kampagne >Dealer sind Mörder< war auf Kritik gestoßen, sogar in den eigenen Reihen. Jetzt hoffte er, durch Großeinsätze ein paar von diesen Herrschaften zu fangen.
Kurz vor 22 Uhr stand er auf dem Ostertorsteinweg zusammen mit fünfundsiebzig Beamten, direkt neben dem Wagen des Einsatzleiters, in dem auch der Landeskriminalrat saß, verdeckt hinter einer kleinen Gardine.
»Rapka, Kuhlebert, sperren Sie die Hinterfront ab. Und wehe, wenn da jemand rauskommt! Und dann ein bisschen plötzlich.«.
Der Einsatzleiter gab seine Befehle so laut, dass die ganze Straße mithören konnte.
Die beiden Streifenwagenpolizisten setzten sich in Trab, langsam, als hätten sie die Anweisung nicht gehört.
Der dicke Rapka griff sicherheitshalber noch mal zur Pistole, sie saß stramm an der Koppel.
Der hochaufgeschossene Kuhlebert sah stur geradeaus.
Sie schlenderten um den Häuserblock, nahmen den Durchgang einer Passage und stellten sich auf.
»Kommt doch sowieso keiner«, sagte Rapka, »ich würde zu gern wissen, wie so ein Laden von innen aussieht.«
»Geh doch rein!«, erwiderte Kuhlebert, der mit seinen zwanzig Jahren zwar diesen Teil der Stadt nicht mochte, aber gelegentlich mal so einen Schuppen betrat.
»Biste verrückt, als Polizist«, Rapka schüttelte den Kopf.
»Ja, mit gezogener Pistole, Hände hoch, alles an die Wand, und dann sich mal ganz ruhig umsehen.«
Kuhleberg wusste, was er an seinem Kollegen hatte den altmodischsten Gesprächspartner, den ihr Revier bieten konnte. Und planmäßig fuhr Rapka aus der Haut, er solle diesen Quatsch lassen, schließlich seien sie im Dienst.
Joe Davids vertrat sich die Füße.
Er stand rum. Blickte in die Straße, während im Lokal ein mächtiges Gezeter losging.
»Was soll ich denn tun?«, fragte er den Einsatzleiter.
»Abwarten«, gab der zurück, »stören Sie jetzt nicht. Ich hänge am Kabel.« Über Kopfhörer hatte der Einsatzleiter Verbindung mit einem Polizisten, der aus dem Lokal einen Lagebericht gab.
Joe Davids steckte seinen Kopf in den Einsatzwagen. Der Landeskriminalrat legte den Finger auf den Mund und grinste ein wenig. Auch er hörte mit.
Es hatte etwas von einem Indianerspiel mit elektronischem Gerät, zwei hochbesoldete Männer auf der Lauer.
Ein Polizist riss die eichene Lokaltür auf.
»Drei Mann durch den Hinterausgang verschwunden.«
Sofort sprach der Einsatzleiter Rapka an. »Bitte kommen.«
»Ja, Rapka.«
»Melden Sie sich das nächste Mal anständig, Kollege. Haben Sie die drei Männer gesehen, die durch den Hinterausgang entwischen wollen?«
»Hier ist alles ruhig«, erwiderte Rapka.
»Das kann doch nicht sein.«
»Kommen Sie her und überzeugen Sie sich selbst.« Der Einsatzleiter schickte Davids los: »Tempo, Mann, das sind die Gesuchten, bestimmt!«
Joe Davids lief los, wenigstens eine Betätigung bei diesem Einsatz. Drei Minuten später fand, er die beiden Streifenbeamten, die an die Hauswand gelehnt rauchten.
»Seid ihr noch ganz dicht? Ihr sollt den Hinterausgang observieren, verdammte Scheiße, und der ist dahinten!« Davids rannte weiter.
Standen die beiden Schupos an der falschen Ecke. Immerhin liefen sie jetzt hinter ihm her.
Die drei Männer konnten sich überall verstecken, war gar keine Schwierigkeit. Jedes dieser Häuser hatte einen Keller, eine offene Tür, und schon waren sie verschwunden.
Da hätte eine Hundertschaft nicht ausgereicht. Joe Davids gab auf.
Er blies die Jagd ab.
»Volltrottel«, zischte er.
»Langsam, langsam, Herr Obermotz«, erwiderte Rapka keuchend, »wenn keine klaren Befehle kommen, dann ...«
»Aber Sie wussten doch, welches Lokal wir einsatzmäßig im Auge hatten?«
»Die sind aber rückwärtig nicht bezeichnet, nicht wahr?« Diesmal entschuldigte sich Kuhlebert.
Joe Davids wusste genau, worauf die beiden hinauswollten.
Er hatte keine Lust, sich mit ihnen anzulegen. Sie kamen ihm irgendwie bekannt vor, aber er konnte sich nicht erinnern, wo er dieses Gespann schon mal getroffen hatte.
»Ich halt die Klappe, o.k.?«
»Recht so«, gab Rapka zurück.
Dann liefen sie zurück zum Einsatzwagen.
Polizeipräsident Mantz saß zur gleichen Zeit in seinem Büro und pfiff leise vor sich hin. Die Passage, die er gerade diktiert hatte, gefiel ihm gut. Irgendwie, dachte er, hätte ich auch eine Karriere als Schreiberling machen können.
>Gerade im Ordnungsbereich verlassen wir immer mehr den gesetzlichen Spielraum. Zweifellos sind Ordnungsnormen zeitlich und örtlich wandelbar. Nur diese Wandelbarkeit kann von den zuständigen Behörden nicht hingenommen werden, wo die Ordnungsnorm gesetzlich ihre Ausprägung gefunden hat. Hier wird nur auf einige Probleme hingewiesen. Ungelöst ist z. B. immer noch die Frage des Aufstellens von Stellschildern (ökonomischer, wirtschaftlicher, politischer, kultureller Inhalt). Verwiesen wird ferner auf die Tatsache, dass in der Hansestadt ca. 4 Tonnen Hundekot täglich niedergehen, ohne dass es möglich ist, auch nur annähernd die damit verbundenen Widrigkeiten abzustellen. Die Modeerscheinung, Straßenfeste abzuhalten, bringt insbesondere alternativ lebende Gruppen dazu, die Straße für sich in Anspruch zunehmen. Zu den Straßenfesten geht die Anregung in der Regel nur von einer kleinen Gruppe aus, die in einer Unterschriftensammlung die umliegenden Bürger zum Mitmachen auffordert. Diese wiederum scheuen sich, ihre eigene Unlust zum Ausdruck zu bringen, machen' Miene zum bösen Spiel und unterschreiben Anträge, die dann an die Behörde gerichtet werden, von der erwartet wird, dass sie dann dieses Straßenfest in der Weise schützt, dass zumindest der Verkehr aus der Straße herausgenommen wird.<
Mantz sah von seinen Notizen auf, weil er eine Sirene hörte. Es war nie zu unterscheiden, ob es ein Rettungswagen des Krankenhauses oder ein Streifenwagen war. Auch da musste er Abhilfe schaffen, die konnten doch nicht mit den gleichen Signalen operieren.
Er stopfte seine dritte Pfeife an diesem Abend, nicht ohne die Hälfte auf seiner Hose zu verstreuen, und lehnte sich zurück.
Der ganze Tag war mit Besprechungen vergangen. Aber eine davon machte ihm wirklich zu schaffen.
Anfang Mai stand das Gelöbnis der Rekruten an, im Weser-Stadion. Mit Bundespräsident und anderen hohen Tieren. Ganz große Sache. Und er wusste, dass eine Menge Arbeit auf sie zukam.
Als der Polizeipräsident im Februar davon erfuhr, hatte er überlegt, ob er in diesem Jahr ganz außerplanmäßig seinen Urlaub im Mai nehmen sollte. Aber der Bürgermeister hatte allen deutlich zu verstehen gegeben, dass er jeden Mann an Bord wünsche. Und wenn es auf einer Krankentrage sei.
In der Besprechung am Nachmittag war deutlich geworden, dass bereits Erkenntnisse vorlagen, die auf Störung der Veranstaltung hinausliefen. Der Verfassungsschutz sprach von extremistischen Kreisen, die Störabsichten hätten, verschiedene Flugblätter und Informantenberichte wurden zitiert; glücklicherweise zeichneten sich mehrere Demonstrationszüge ab und mindestens zwei separate Kundgebungen. Die Vertreter des 2. Feldjägerbataillons 720 waren empört, erregten sich über diesen zentralen Angriff auf die Bundeswehr; da musste Mantz abwiegeln. Die Herren Militärs waren der Meinung, dass sie durchaus zwei bis drei Züge ausrücken lassen könnten, um das Weser-Stadion abzuriegeln. Der Polizeipräsident erwiderte: »Das ist nun doch unsere Aufgabe, meine Herren.«
Die Sitzung war hektisch verlaufen, unangenehm. Nicht die gewohnte Ruhe, in der Mantz seine Entscheidungen zu treffen liebte.
Aus der Bundeshauptstadt war eine fernschriftliche Mitteilung eingetroffen, die ebenfalls diskutiert werden musste: >Da es unter den sich abzeichnenden Umständen voraussichtlich unumgänglich wird, zu der Veranstaltung im Weser-Stadion die Bürger Bremens in großer Zahl einzuladen, den Zugang zum Stadion jedoch aus...




