Alberts | Keplers Traum | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Alberts Keplers Traum


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95865-704-5
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

ISBN: 978-3-95865-704-5
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Keplers Traum vom Mond ist die erste deutsche Science-fiction. 'Verjagt man uns von der Erde, so wird mein Buch als Führer den Auswanderern zum Monde nützlich sein können', schrieb der große Astronom bereits mitten im Dreißigjährigen Krieg. In Jürgen Alberts´ Roman wird der prophetische Traum weitergeräumt von einem Auftragsschreiber, der 1930 zu Keplers 300. Todestag eine Rede verfassen soll. Das hat überraschende Folgen.

Jürgen Alberts studierte nach dem Abitur (1966) in Tübingen und Bremen Germanistik, Politik und Geschichte und promovierte 1973 am Fachbereich Kommunikation und Ästhetik der Bremer Universität zum Thema 'Massenpresse als Ideologiefabrik am Beispiel BILD'. Er arbeitete als freier Mitarbeiter für den WDR und das ZDF und lebt heute als Schriftsteller in Bremen. Er schrieb Drehbücher, Hörspiele und 1969 den Roman NOKASCH U.A. sowie 1980 DIE ZWEI LEBEN DER MARIA BEHRENS, bevor er sich auch mit Kriminalgeschichten zu beschäftigen begann. Gemeinsam mit Fritz Nutzke (Pseudonym für Sven Kuntze) veröffentlichte er 1984 den mit Science-Fiction Elementen durchsetzten Kriminalthriller DIE GEHIRNSTATION und ein Jahr darauf als Alleinautor die Fortsetzung DIE ENTDECKUNG DER GEHIRNSTATION. Nach dem Roman TOD IN DER ALGARVE (gemeinsam mit Marita Kipping) schrieb Alberts den Polizeiroman DAS KAMERADENSCHWEIN, in dem es um den Fall eines Bremer Kommissars geht, der sich gegen die Weisungen seiner Kollegen als Nestbeschmutzer betätigt, weil er hartnäckig in einem Fall von Polizeigewalt gegen einen Verdächtigen ermittelt. In seinen weiteren Romanen DER SPITZEL, DIE CHOP-SUEY-GANG und DIE FALLE befasste sich Alberts in den darauffolgenden Jahren immer eingehender mit dem Innenleben der Bremer Polizei und ihrer Führung, bis schließlich mit KRIMINELLE VEREINIGUNG 1996 der zehnte Roman der später so bezeichneten Serie 'Bremen Polizei' vorlag. 1987 veröffentlichte Alberts den semi-dokumentarischen Roman LANDRU, in dem es um mögliche politische Hintergründe zum Fall des französischen Frauenmörders Henri Desire Landru (1869 - 1922) geht, der zu Beginn dieses Jahrhunderts wegen Mordes an zehn Frauen verurteilt und hingerichtet wurde. 1988 erschien Jürgen Alberts' Kriminalroman ENTFÜHRT IN DER TOSKANA, den er gemeinsam mit Marita Alberts schrieb, ebenfalls mit seiner Frau schrieb er den Griechenland-Krimi GESTRANDET AUF PATROS. Von 1990 bis 1991 und von 2001 bis 2005 war Jürgen Alberts einer der Sprecher der 'Autorengruppe deutsche Kriminalliteratur DAS SYNDIKAT' Preise: 1988 Glauser - Autorenpreis deutsche Kriminalliteratur für 'Landru' 1990 CIVIS-Preis des WDR und der Freudenbergstiftung für 'Eingemauert' 1994 Deutscher Krimi Preis für 'Tod eines Sesselfurzers' 1997 Marlowe Preis der Deutschen Raymond Chandler-Gesellschaft für 'Der große Schlaf des J.B. Cool'
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2


Er hatte nicht einschlafen können. Zwei Briefe formulierte er in Gedanken, zwei Anschreiben, deren Worte sich gegenseitig überstürzten. Seine Wohnung in der Kramgasse lag im dritten Stock, nach vorne die Arbeitsstube und die Küche, nach hinten der Schlafraum und das Bad. Im Sommer kam nur frühmorgens Sonne in das Schreibzimmer, und den Rest des Tages blieb es kühl. Der Lärm vom Gemüsemarkt am Domplatz drang durchs offene Fenster.

Dem Rektor wollte er förmlich schreiben, auf seine Verdienste hinweisen, seine Veröffentlichungen, nicht zuletzt auf diejenige über »Die rhetorischen Elemente in Parlamentsreden der Gegenwart«, die immerhin vom Herausgeber der Zeitschrift lobend im Eingangsspruch hervorgehoben war, wollte ohne ein böses Wort auskommen und nach dem Grund der Entscheidung fragen, auf jeden Fall um ein Gutachten von der Friedrich-Alexander-Universität bitten, damit er sich anderen Orts bewerben könne. Federl wollte er wütend schreiben, ohne jede Rücksicht, bitter, der konnte das vertragen, den musste man rütteln, damit er von seiner Sturheit ließ, und das mit dem Zettel hätte er nicht verstanden.

Er ging in die Küche, um sich einen Tee zu machen. Er schloss das Fenster, setzte Wasser auf. Der Kessel war stumpf, seine Oberfläche brauchte dringend eine Politur.

Ich müsste dem Rektor wütend schreiben, nicht förmlich, nicht zurückhaltend, der müsste entsetzt den Brief fallen lassen, nachdem er ihn gelesen hat, schließlich kann er mich nicht behandeln wie einen Studenten, derlei Entscheidungen bedürfen einer ausführlichen Begründung, welche Entscheidungen denn, ich müsste dem Rektor zeigen, aus welchem Holz einer aus meiner Familie ist, mit meinem Vater hätte er sich das nicht erlaubt, und mit mir auch nicht.

Der Kessel pfiff. Vorsichtig, um sich nicht zu verbrennen, goss Seidenschwarz das Wasser in die bereitgestellte Kanne. Dann stopfte er das Tee-Ei. Er mochte Tee nur, wenn er besonders stark war.

Raffel bekommt einen sanften Brief, ich bin sein Freund, er ist mein bester Freund, ich muss ihn sanft behandeln, fragen, warum er das tut, es geht ihm vielleicht nicht so gut, er will etwas ausdrücken, das ist keine Laune gewesen, nicht bloß ein Scherz, merkwürdig nur, wie laut er am ersten Mai getönt hat, mit Bier im Blut, getönt von starken Zeiten, und jetzt schweigt er, ich will ihn ruhig angehen, ihn nicht übertölpeln.

Seidenschwarz goss den Tee in ein großes Glas, legte zwei Stück Zucker auf die Untertasse und ging in sein Arbeitszimmer. Ein quadratischer Raum, nur an der Fensterwand hingen zwei Bilder. Das eine zeigte seinen Vater, wie er am Katheder stand, das andere zeigte ihn selbst, bei der Verleihung des Doktorhutes. Die anderen Wände waren mit Büchern bedeckt, in Regalen bis zum Fußboden.

Er saß an seinem Schreibtisch, von draußen die warme Luft, starrte in den Tee und fand keinen Anfang, weder für den einen noch für den anderen Brief. Was soll ich dem Raffel schreiben, mit dem muss ich reden, der wird doch keinen Brief wollen. Während er darüber nachdachte, klingelte es an der Haustüre. Seidenschwarz sah aus dem Fenster.

Unten stand ein älterer Herr, in dunklem Anzug, der seinen Namen sagte. Ob er hinaufkommen könne? Seidenschwarz erwiderte, dritter Stock. Der ältere Herr, der genauso schmächtig wie Seidenschwarz war, nur zwanzig Jahre älter, sein schütteres Haar hätte gut eine Kopfbedeckung vertragen, war außer Puste, als er die schmale Stiege erklommen hatte.

»Doktor Adam Seidenschwarz?«

»Arnold, bitte, Arnold Seidenschwarz«, sagte der Privatdozent, amüsiert bei der Vorstellung, er könnte auch Adam heißen. Er bat den Mann einzutreten.

»Oh, entschuldigen Sie bitte, Herr Doktor. Das ist ein wenig peinlich.«

»Ich nehme es nicht krumm.«

Seidenschwarz holte einen Stuhl aus der Küche und stellte ihn neben den Schreibtisch.

»Ich habe ihren Namen vorhin nicht verstanden.«

»Berthold Müller«, sagte der ältere Mann, ohne ihn anzusehen. Er stand vor den hohen Bücherregalen, »die haben Sie alle gelesen, Herr Doktor?«

Seidenschwarz kannte die Frage: »Vielleicht die Hälfte, ja.«

»Alle Achtung«, der Mann nahm Platz.

»Was kann ich für Sie tun?« Vielleicht schreibe ich keinen von beiden Briefen, dachte Seidenschwarz.

»Herr Doktor, Sie werden sicherlich wissen, dass dieses Jahr ein wichtiges Jubiläum zu feiern ist, der dreihundertste Todestag des verehrten Sohnes unserer Stadt, Johannes Kepler.« Der Mann machte eine kleine Pause. Seidenschwarz wusste nichts von diesem Jubiläum.

»Zu diesem Tag sollen in Regensburg einige Feierlichkeiten und Festivitäten stattfinden und natürlich auch die dementsprechende Würdigung Keplers Platz haben. Aus diesem Grunde komme ich zu Ihnen.«

»Aha«, sagte Seidenschwarz, der sich nicht vorstellen konnte, was er in einem Festkomitee zu tun hätte.

»Ich möchte Sie hiermit beauftragen, eine Rede zu diesem Todestag zu verfassen, eine Rede auf den wichtigsten Vertreter Regensburgs in der Geistesgeschichte.«

»Moment«, warf der Privatdozent ein, »wieso Geistesgeschichte? Der Kepler war Naturwissenschaftler.« »Gleichwohl, Herr Doktor, er gilt unumstritten als wichtigste Größe in unserer Stadt, und das allein zählt.« Arnold Seidenschwarz fand die Idee nicht schlecht: eine Rede verfassen, warum nicht?

»Ich möchte Ihnen zu diesem Auftrag ein monatliches Salär von 1000 Mark anbieten, das Sie erhalten, bis die Rede fertiggestellt ist.«

»Oh, so viel!« Seidenschwarz verglich dieses Angebot erstaunt mit seinen Einnahmen an der Erlanger Universität.

»Wie lang soll die Rede sein?« Er überspielte sein Erstaunen mit einer Frage, die ihm selbst dümmlich vorkam. Eine Rede war so lang, wie sie gut war.

»Das liegt ganz an Ihnen, Herr Doktor. Ich vergebe nur den Auftrag. Wenn Sie damit einverstanden sind, lasse ich eine Anzahlung für die ersten beiden Monate gleich hier.« Der Mann griff in seine Brieftasche, holte umständlich einen bläulichen Umschlag hervor und zählte zweitausend Mark auf den Schreibtisch. »Wenn Sie dann hier quittieren möchten!«

Der Privatdozent geriet aus der Fassung. »Ich hab noch gar nicht ja gesagt zu Ihrem Auftrag, Herr Müller.«

»Ach, ich dachte, wir seien handelseinig.« Der Mann ließ das Geld auf dem Schreibtisch liegen.

»Wie kommen Sie gerade auf mich?« fragte Seidenschwarz.

»Sie sind mir als guter Stilist genannt worden. Jemand, der mit der Sprache umgehen kann wie andere mit dem Stichel, jemand, der sich auszudrücken vermag in einer Zeit, in der alles der Verrohung entgegengeht - das sind Qualitäten, die zählen. Außerdem haben wir in unserer Stadt keine Gelehrten von Ihrem Rang.«

»Zuviel der Ehre.« Da saß ein Mann in dunklem Anzug, die Krawatte in gedecktem Blau, schütteres helles Haar, und da lag das Geld, soweit gab es keine Zweifel.

»Ihre Doktorarbeit über Leichenreden im 16. und 17. Jahrhundert ist ein ebenso guter Ausweis, dass die Wahl richtig getroffen wurde.«

»Haben Sie die gelesen?«

»Nein«, der Mann lachte, »ich habe sie in der Hand gehabt. Verzeihen Sie ...«

»Sie sind nicht der einzige, der sie nur von außen angesehen hat.«

Diese Offenheit freute Seidenschwarz, es gab ganz andere Figuren in seiner Bekanntschaft, die ihm vorgaukelten, sie hätten einen seiner Aufsätze oder gar seine Dissertation gelesen.

»Wann soll die Rede fertig sein?«

»Kepler ist im November gestorben, ich denke, dass dann auch die Feierlichkeiten sein werden. Aber darüber lasse ich Ihnen noch Mitteilung machen.« Seidenschwarz sah aus dem Fenster, die Sonne warf lange Schatten in der Kramgasse, die Tauben flogen zwischen Hell und Dunkel, Kinder spielten Räuber und Gendarm. Sechstausend Mark, nicht zu verachten, dachte er.

»Also gut, einverstanden.« Der Mann zog eine Quittung unter dem letzten Geldschein hervor und zeigte auf die Stelle für die Unterschrift. Schwungvoll setzte der Privatdozent seinen Namen auf das Papier. Dann sah er, dass die Quittung schon mit Schreibmaschine auf ihn ausgestellt war.

»Woher wussten Sie, dass ich den Auftrag annehmen würde, Herr Müller?« Der Mann lächelte verschmitzt.

»Wer wird sich so eine Gelegenheit entgehen lassen? Ich glaube, die Bezahlung ist recht ansehnlich, wenn Sie es mit den kümmerlichen Honoraren vergleichen, die Sie für eine wissenschaftliche Veröffentlichung bekommen.«

»Allerdings.« Seidenschwarz hätte gerne das Geld in die Hand genommen und nachgezählt, aber er wusste, das passte nicht zu einem Wissenschaftler. Und als solcher war er soeben beauftragt worden.

»Sie hören von mir«, sagte der Mann und stand auf.

»Also, eine Lobrede auf Kepler?«, vergewisserte sich Seidenschwarz .

»Richtig, Herr Doktor. Bemühen Sie sich nicht, ich weiß den Ausgang.«

»Nein, warten Sie.«

Seidenschwarz öffnete schnell die Tür vor seinem Gast und verabschiedete ihn an der Stiege. Soviel Geld für eine Rede! Das erlaubte ihm, sich sorg-fältig nach einer neuen Dozentur umzusehen, nicht das erste Angebot nehmen zu müssen. Zwar besaß er Privatvermögen aus der Erbschaft, doch das reichte nicht länger als ein Jahr. Am liebsten wäre er sofort zu Rafael Federl gelaufen, um ihm die gute Nachricht mitzuteilen.

Seidenschwarz ging an seinen Schreibtisch. Zweitausend Mark, in neuen Scheinen. Er roch daran. Die Druckerfarbe noch frisch. Ich muss herausfinden, wer dieser Berthold Müller ist, dachte er, dass er es sich leisten kann, eine derart teure Rede zu bestellen.

»Der ductus simplex besteht in der Übereinstimmung zwischen...



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