Alexis | Der Roland von Berlin | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 590 Seiten

Alexis Der Roland von Berlin


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-0459-2
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 590 Seiten

ISBN: 978-3-8496-0459-2
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein historischer Roman aus dem Berlin des 19. Jahrhunderts. Zwischen dem Kurfürsten und dem Städtebündnis Berlin-Köln entbrennt ein Streit um die Herrschaft in der Stadt.

Alexis Der Roland von Berlin jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material



Herr Johannes Rathenow wohnte, Haus und Straße haben uns die Chroniken nicht aufbewahrt, unfern der Kirche des heiligen Nikolaus, so die älteste ist der alten Stadt Berlin. Das Haus, schmal und hoch, mit Schmuck und Zier aus einer vorausgegangenen Zeit, denn es war dazumal schon alt, lag, als zu vermuten, in einem der Winkel um die Kirche, wo heutzutage kein Bürgermeister seine Wohnung aufschlüge, und auch kein Patrizier, so es deren in Berlin gäbe. Doch in den frommen Tagen, als es erbaut wurde, suchten die reichsten Familien ihre Ehre darin, nahe ihrer Pfarrkirche zu wohnen, die engen, kleinen Fenster auf die hochgewölbten des Gotteshauses gerichtet. Ging's jenen an irdischem Lichte ab, dafür strahlte aus den hohen bunten Scheiben mit hundert Heiligenbildern, Glaubenslicht ihnen entgegen. Wahrscheinlich hatten die Rathenow, die in frühern Zeiten reicher waren als in der, wo unsere Geschichte sich ereignet, großen Anteil gehabt an der Erbauung dieser Haupt- und Stadtkirche. Aber in eckigten Winkeln, an abschüssigen engen Gassen zu wohnen, war überhaupt in jenen frühen Zeiten kein Zeichen der Armut und Niedrigkeit. Stürme und Strömungen brachen sich daselbst leichter als in breiten, langen Straßen. Und was war die Geschichte einer Stadt im frühen Mittelalter anders als fortlaufende Reibungen, Stürme und Strömungen zwischen den Gewerken und Geschlechtern, untereinander und gegeneinander, so Rechte suchten, oder die sie hatten, verteidigen und erweitern wollten! Je enger, verschlungener, ineinander genestelt sie wohnten, desto behaglicher, sicherer dünkten sie sich. Die Wohnung, die Stadt war das Nest, das weite Feld umher der Flugkreis für die Emsigen und Mutigen.

Es sagen die Klugen und Gelehrten, daß in alten Zeiten die großen Städte nicht gebaut wurden, sondern daß sie wuchsen wie der Baum am Wasser: hat er viel Wasser, so wird er groß, hat er wenig, bleibt er klein. Aber kein Mensch, und sei er ein großer König und Heerführer, kann sagen: hier soll eine große Stadt stehen, und dann wird sie es. Und wie eitel auch alle Klugheit der Gelehrten ist, als wir wissen, so sprechen hier dafür doch auch die Bücher des alten Bundes, sintemalen der Turmbau zu Babylonien darum nicht zustande kam, weil sie in eitel menschlichem Dünkel eine große Stadt bauen wollten, wo kein Handel war und keine Nahrung für die vielen Menschen. Darum trieb sie der Herr auseinander, und ließ jeden sich ansiedeln da, wo es ihm not that. Also sind entstanden, und nicht von einem gegründet, die großen Städte Paris und Troja und Neapolis und Alt-Brandenburg, Wer sagt's, wer die erbaut hat? – Aber in den Marken gegen die Slaven, sagen sie, ging es anders zu. Da seien die Städte, so wir jetzt kennen, nicht alte Ansiedelungen gewesen und Dörfer, welche allmählich durch großen Handel und Verkehr zu Städten aufwuchsen. Vielmehr es seien Niederlassungen freier deutscher Männer, denen der Landesherr Briefe und Privilegien gegeben, eine germanische Stadt im Lande der Slaven zu gründen. Weiß wohl, daß es Kluge und Gelehrte giebt, die auch das wieder abstreiten – denn um was streiten sich nicht die Gelehrten! – und beweisen möchten, daß auch unsere Städte, so deutsch klingen und es jetzt sind, vordem schon waren, zur Wendenzeit, und groß und reich, und hätten die Deutschen ihnen nur einen deutschen Rock angezogen. Aber da es heißt: Kleider machen Leute, und wir sie nur in dem Kleide kennen, müssen wir sie schon nehmen, wie unsere Väter sie vorfanden und beschrieben haben.

Diese freien und guten Leute nun, denen die Landesherren Briefe geschenkt, baueten in Frankfurt und Prenzlow und in Berlin ihre Wohnhäuser eng zusammen um das gemeinsame Gotteshaus, das, auf einem hohen Punkte gegründet, weit hinausschauen mußte ins flache Land, und weit gesehen werden von den zerstreuten Landbewohnern. Die Ehre einer germanischen Stadt im Mittelalter war mit ihrem Münster eins; es war ihr Dom, ihre Kathedrale das Kleinod der Stadt. Je höher er leuchtete im Morgenlicht und Abendschein, je weiter seine hellen Glocken schallten, je größere Ströme Andächtiger seine wunderthätigen Bilder, seine ehrwürdigen Hallen anzogen, um so größer das Ansehen der Stadt. Mit ihren Priestern zankten sich die Bürger unterweilen, schlugen sie auch wohl tot und verbrannten sie, wenn ihre Habgier ihnen verdrießlich, ihr unzüchtig Leben ihnen ärgerlich wurde. Ruhm und Ansehen der Kirche minderte das nimmer. Mit dem Besten, Silber, Gold, Kerzen, Decken und kostbaren Steinen statteten sie die Dome aus, die herrschenden Familien und Zünfte gründeten Altäre und bestellten und besoldeten Altaristen, und Ländereien und Renten wurden diesen Altären geschenkt; alles zu Ehren Gottes und der Heiligen, zu Gunsten des Seelenheils und der Geschenkgeber, aber noch mehr zu Ehren der Stadt selbst. Und was mehr an Bedeutung hatten diese deutschen Kirchen im Lande heidnischer Wenden, die vom Glanz geblendet, von den Glocken bekehrt, von der Würde, Pracht und Ordnung des Baues selbst zur Sittigung und zu bürgerlicher Ordnung geleitet werden sollten.

So die Wohnhäuser um diese Kirche nur warm waren und sicher, und groß genug für das Nötigste; mehr sollt es nicht zum alten Berlin. Anders in Köln. War es als wendisch Dorf älter, so war es als deutsche Stadt doch jünger. Die deutschen Kolonisten, so sich da des Herrenrechtes bemächtigt und reich wurden, oder es schon waren, suchten ihren Reichtum in stattlichern und geräumigern Wohnhäusern auszulegen, und darum mußte es auch davor räumlicher sein. So schossen in die Höhe die ansehnliche Breite- und Brüderstraße; obschon die wenigsten der heut alten Gebäude darin selbst nur auf die Zeit unserer Geschichte zurückreichen. Johannes Rathenows Haus an der Nikolai-Kirche war eng und düster, Bartholomeus Schumms Wohnhaus in der Brüderstraße war groß, geräumig und für jene Zeit auch hell. Ein weiter Flur, eine breite, eichene Treppe, ein Hofraum mit Speichern, Ställen und Kranen; Ballen, Tonnen, Leitern, Keller, geschäftige Diener, deuteten darauf, daß außer dem Landgüterbesitz auch noch der Handel im großen die Quelle war, aus der der Reichtum des Hauses noch immer sprudle. Aus Reichtum entsteht Macht, das ist ein uralt Gesetz, und hat's gegolten bei Heiden und Christen. Aber wie einflußreich die Schumms diesseits wie jenseits der Spree auch waren, dennoch haftete ein gewisses Etwas auf dem Hause und seinen Herren, was bei allem dem schlechtern, düstern Hause der Rathenows größer Ansehen gab. Solange man denken konnte, und das reichte weiter zurück als man in Berlin schreiben konnte, galten die Rathenows als freie, unabhängige Männer, so nur von Grund und Boden gelebt, der ihr eigen war, und an ihren Händen war keine Schwiele vom Pfriem, vom Meißel und der Bürste, noch von der Elle und dem Meßstock. Die Schumms waren große Handelsherren, Was ihrer patrizischen Würde zwar keinen Eintrag that; aber es schlich die leise Sage um, daß ihre Vorvorväter in Hamburg und Rostock durch Bierbrauerei den Grund gelegt zu ihrem Reichtum. Ein Familienfluch schleicht fort, von Geschlecht zu Geschlecht, ohne daß eine Lippe ihn ausspricht; eine dunkle Erinnerung läßt sich durch den Glanz der Gegenwart in die Rumpelkammer schieben; vernichtet kann sie nicht werden.

Darum aber denke Dir das Haus, in welchem der Bürgermeister wohnte, nicht als unansehnlich und unbehaglich. Grad im Gegenteil, es hatte so viel Behagliches, als niedrige Stuben, kleine Thüren, Treppchen und Gänge, die dazwischen laufen, nur gewähren mögen; und das fühlt sich zu Winterszeiten am besten heraus. So war auch das kleine Zimmer, in welchem am kalten Februarmorgen heut Herr Johannes Rathenow im Lehnstuhl saß, ganz wohnlich angethan. Zwar war es nur so hoch, daß seine Tochter, wenn sie auf den Zehen stand, die Balken mit der Hand berühren konnte. Aber die Balken waren wie die Lehmdecke sauber beklebt mit bunten Bilderbogen aus Nürnberg, Städte und Gegenden, Helden und Heilige vorstellend. Die Wände des Zimmers waren zwar nur übertüncht; doch war kaum ein Fleck, wo man den weißen Kalk durchschimmern sah. So besetzt waren sie mit zierlichen Tischen und Schränken und Ebenholz und Nußbaum, ausgelegt mit kostbaren Figuren von Elfenbein und Perlmutter. Unterschiedliche Uhren und alte Schildereien hingen darüber, und in zwei gewölbten Nischen standen in Holz geschnitzte Bilder der Jungfrau Maria und des heiligen Nikolaus. Auf dem Boden lag eine prachtvolle, bunte Decke aus Brügge, darauf zu sehen war mit lebensgroßen Figuren, wie Gottfried von Bouillon barfuß zum heiligen Grabe in Jerusalem wallfahrtet. Die Hauptzierde der Wohnstube aber blieb der mächtige schwarze Ofen, vielfach ausgeschweift mit Eckchen und Türmchen und bunten Kacheln, darauf der Bau des Turms von Babylon verzeichnet stand. Das Beste indes an diesem kalten Morgen war das helle, frische, prasselnde Feuer, welches aus der geöffneten Thür in die Stube leuchtete.

Sein roter Schein fiel auf die hohe Stirn des Hausherrn, der in seinem Sammetpelze am Fenster saß, in Gedanken versunken. Die gruben manche tiefe Runzeln auf seine Stirn. Welche städtische Sorgen auf ihm lasten konnten, davon sprachen die besiegelten Pergamente, die Skripturen und Bücher vor ihm auf dem ebenholzenen Tische; wohl noch nicht Berge, wie heut auf dem Tische eines Bürgermeisters, doch beträchtliche Hügel, welche, angesehen, daß man damals schwerer schrieb und mit mehr Mühe Geschriebenes las, ebenso drücken mochten. Doch war Herrn Johannes Auge nicht darauf gerichtet; vielmehr schweifte es zum Fenster hinaus, und schien die Schneemassen zu erwägen, welche auf den Kirchendächern, den Strebepfeilern lasteten, und die steinernen Schultern des...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.