E-Book, Deutsch, 2250 Seiten
Alexis Gesammelte vaterländische Romane: Cabanis + Der Roland von Berlin + Der falsche Woldemar + Die Hosen des Herrn von Bredow + Der Werwolf + Ruheist die erste Bürgerpflicht + Isegrimm
1. Auflage 2015
ISBN: 978-80-268-2965-2
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Chronik Preußens
E-Book, Deutsch, 2250 Seiten
ISBN: 978-80-268-2965-2
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Gesammelte vaterländische Romane: Cabanis + Der Roland von Berlin + Der falsche Woldemar + Die Hosen des Herrn von Bredow + Der Werwolf + Ruheist die erste Bürgerpflicht + Isegrimm' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Willibald Alexis (1798-1871) war ein deutscher Schriftsteller, der als Begründer des realistischen historischen Romans in der deutschen Literatur gilt. Willibald Alexis gilt als Begründer des historischen Realismus in der deutschen Literatur, der durch Theodor Fontane zum Höhepunkt geführt wurde. Neben den Romanen verfasste Alexis zahlreiche kleinere Erzählungen und Geschichten, Gedichte und Balladen, Reiseschilderungen und biographische Abrisse und gab mit Hitzig ab 1842 den Neuen Pitaval heraus, eine Sammlung von authentischen Kriminalgeschichten, wobei die Autoren ihren Schwerpunkt auf die Psychologie der Verbrecher legten und durch spannungsgeladene Darstellung unterhalten wollten.In den Vaterländischen Romanen behandelte Alexis nach und nach die wichtigsten Abschnitte der brandenburgisch-preußischen Geschichte vom 14. Jahrhundert bis zur Hälfte des 19. Jahrhunderts in großer Ausführlichkeit, akribischer Genauigkeit in der Detailschilderung, ständeüberschreitend und eindeutig patriotisch. Inhalt: Cabanis Der Roland von Berlin Der falsche Woldemar Die Hosen des Herrn von Bredow Der Werwolf Ruhe ist die erste Bürgerpflicht Isegrimm
Autoren/Hrsg.
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Zweites Buch
Der Deserteur
1. Der Kammerherr
Der Abendwind regte sich in den Alleen des Parks, und die Schatten der herbstlichen Baumkronen traten immer tiefer in den Gartensaal. Die Gräfin legte das Buch weg und trat an das Fenster.
»Der arme große Florentiner!« sagte das Fräulein in etwas spöttischem Ton, das herabgefallene Buch auflangend; »hat er aufgehört groß zu sein?«
»Wer kann jetzt im Dante lesen!«
Der Wind wurde heftiger, er warf sich in die hohen Ahornbäume der Allee und schüttelte die Jalousien der Fenster. Eugenie schien einen Gegenstand zu verfolgen, so unverwandt war ihr Blick nach einem Punkte gerichtet, als sie die Freundin durch die Frage erschreckte: »Glaubst du, daß der König von Preußen ins Fegefeuer kommt?«
»Was geht mich der König von Preußen an!« erwiderte die Gesellschafterin verwundert. »Der König von Preußen hat noch weit bis dahin.«
»Wenn er nicht soweit hätte, wie du meinst!«
»Um des Himmels willen keine Ahnungen, und den Dante verschließ’ ich Ihnen, denn aus seiner Hölle und aus seinem Fegefeuer steigen allein alle die trüben Gedanken auf, die sich allerwärts besser hinpassen, als für unsere schon trübe Winterquartierung!«
»Besorge Licht!« Die Gesellschafterin verstand den Wink und verließ das Zimmer. Die Gräfin ging auf und ab. Der schwere Atlas ihres faltigen Kleides rauschte durch den weiten Saal, die Zugluft warf sich in die Damastgardinen der Fenster, sie weit aufbauschend, und die Schatten der gewichtigen Goldtroddeln spielten über das Täfelwerk hin und her. Aber die Geister der Dämmerung beschwichtigten nicht ihre Unruhe. Mit untergeschlagenen Armen blickte sie hinaus auf die bewegte Landschaft. Eine trübe, gedämpfte Mondscheibe erhellte spärlich die Teiche und überschwemmten Wiesen. Wenn der Wind einen Augenblick schwieg, schallten von der Dorfschenke preußische Soldatenlieder herüber.
Eugenie drückte ihr Gesicht an die Scheibe, eine Gestalt schwebte die verwachsene Allee herauf. In dunklen Umrissen, solange es sich im Schatten bewegte, mochte man es für ein Spiel des Windes in den bewegten Gesträuchen halten; wenn es über eine mondhelle Stelle ging, wurden die Formen eines Mannes deutlicher. »Ist es ein Spiel meiner Phantasie oder wer … Es ist Albernheit und doch – es soll nicht sein.« – Sie riß heftig das Fenster auf, aber in dem Augenblick warf eine vorüberziehende Wolke ihren Schatten auf den mondhellen Fleck, alles war verschwunden, keine Spur zu entdecken. »Ein Geist, der durch eine klirrende Fensterscheibe verscheucht wird, ist bedenklich!« rief sie und schellte. – Betroffen, etwas blaß, trat nach einer Weile die Freundin ein, das Wachs von den Kerzen des Armleuchters in ihrer Hand war heruntergeträufelt.
»Der Kammerherr ist hier.«
»Der Kammerherr!« rief die Gräfin, in raschem Übergange von gespannter Erwartung zu zürnender Gleichgültigkeit. »Was will der Kammerherr hier!«
Der Angemeldete schlüpfte herein, in einer Kleidung, welche seinem Stande nicht entsprach und ihn doch nicht verborgen hätte, denn aus dem Kittel blickte das Jabot, unter dem Ärmel die Manschette und aus der Pudelmütze, die er abzog, kam, wenn auch in Unordnung, die Frisur zum Vorschein. Leichtfüßig flog er auf die Gräfin zu und faßte, das Knie beugend, ihre Hand zum Kusse.
»Was soll diese Mummerei, Herr von Kurz?«
»Alles, nur meinen Namen nicht. Die Wände haben Ohren.«
»Mein Gott, wer kann Ihnen etwas abhören wollen.«
Die Gräfin hatte sich nachlässig auf dem Kanapee niedergelassen. Der Kammerherr ergriff ihre Hand und mit einer Bewegung, sie ans Herz zu drücken, begann er: »Sie werden erstaunen.« – Eugenie entzog sie ihm. –
»Gab es neue Polonaisen in Warschau?«
»Man tanzte im Sommer nicht.«
»Sonderbar! Aber man ließ sich doch die italienische Oper nicht entgehen. Die Sänger aus Dresden haben durch die Güte des Königs von Preußen Pässe erhalten und sind dem Hofe gefolgt.«
»Wir brauchen bald nicht mehr diese Güte!« sagte der Kammerherr, indem er den Kopf bedeutungsvoll aufrichtete.
»Das wolle der Himmel!«
»Er wird es zur Abwechslung auch einmal wollen müssen.«
Die Gräfin blickte ihn an.
Er fuhr mit sicherer Stimme fort. »Der fürchterliche Krieg, der in der Welt entbrannt und unser schönes Sachsen zu seinem wildesten, unglücklichen Tummelplatze erwählte, hat in den sieben großen Schlachten des vergangenen Jahres seine Kraft ausgetobt. Tage wie bei Prag, Kollin, Roßbach, Breslau und Leuthen können nicht mehr in ein Jahr fallen. Die nächste große Bataille entscheidet, und die Welt erfährt, ob der Monarch an der Spitze der Potsdamer Wachtparade unüberwindlich ist – und wenn er es ist, muß man sich in die Zeit schicken, und es ist Zeit, an seine Großmut zu appellieren, oder der Schlag fällt wider ihn aus, und dann sind wir es, die die Schadenrechnung schreiben, und die Großmut ist an uns.«
»Dasselbe hat man schon oft gesagt«, entgegnete die Gräfin in dem Tone bleierner Gleichgültigkeit von vorhin, »ich weiß nicht, wohin das führt und was es zwischen uns soll.«
Der Kammerherr lächelte: »Wenn man einem solchen entscheidenden Tage zuvorkäme, wenn geschickte Hände die Karten mischten vor der Bataille, wenn ein glücklicher Coup vorbereitet wäre, wenn – Ihre Augen glänzen, Ihre Lippen bewegen sich, Komtesse, Sie wissen mehr, als Ihr Vater mir vertraute – wenn ich es nun wäre, der die Karten gemischt hätte, wenn ich dann vor Ihnen niederknien, diese schöne Hand an meine Lippen drücken und ausrufen könnte …«
»Halten Sie inne« – rief die Gräfin aufspringend. Der Kammerherr, schon halben Weges, vor ihr auf ein Knie zu sinken, fuhr, sich ängstlich umblickend, drei Schritte zurück.
»Sie bemerkten doch nichts?« flüsterte er italienisch.
»Hat mein Vater Sie zum Vertrauten gemacht?«
»So sind Sie bereits seine Vertraute«, war die Antwort.
Die Gräfin suchte einige Augenblicke in dem von Wichtigkeit strahlenden Gesichte, dann forderte eine hastige Bewegung ihn auf, wieder neben ihr Platz zu nehmen.
»Zur Sache, Baron, was haben Sie mir mitzuteilen, was wissen Sie von Plänen?«
Der Kavalier fuhr in französischer Sprache fort, die er bei gefährlichen Stellen mit der italienischen vertauschte.
»Ihr Vater, Komtesse, dieser unermüdliche Geist in feinen Plänen, der würdige Günstling, Schüler und Freund unseres erhabenen Ministers, ist seit vorgestern im Lager des Königs von Preußen.«
»So mußte ich vermuten; ich wünschte, er wäre nie dorthin gekommen.«
»Keine Sorge für seine teure Sicherheit! Sein Ansehen steigt im preußischen Feldkabinett, wie es in Warschau durch Brühls Freundschaft fest gesichert ist. Sein Name wird nie genannt; außer mir und einem weiß niemand um seine Teilnahme, bis es gelungen ist.«
»Was?« –
»Meine Gnädigste, wie Sie mich da so wild ansehen …«
»Zweifeln Sie, Baron, daß ich mein Vaterland liebe!« rief sie heftig. »Ich will nicht hoffen, daß jemand zweifelt! Mein Vater verschwieg mir, womit er umging, aber es handelt sich um Friedrichs Person. Ich weiß es; lernt Euch besser verstellen, schafft Euch biegsamere Larven an.«
»Was konnte vor Ihrem Scharfblick verborgen bleiben! So schwinden auch diese letzten Zweifel.«
»O, zweifeln Sie, Ihnen erlaube ich, soviel zu zweifeln, als Sie wollen.«
Der Kammerherr ließ sich nicht stören. »Die holde Laune sagt mir alles; ich darf Ihnen alles vertrauen. Ja, Komtesse, seit vorigem Winter arbeiten einige Stillverbündete an einem Schluß des Krieges, der Sachsen volle Genugtuung für alles Unglück, für das grausame Unrecht verspricht. Man weiß, wie Friedrich seine Person exponiert, er hält das unerhörte Glück für seine eiserne Leibwache. Wie leicht wäre es längst den ungarischen Parteigängern geworden, ihn zu fangen, hätte man Winke gehabt, und wäre unter den Österreichern noch ein Genie wie Trencks. Man hat mancherlei Verbindungen in Berlin und Potsdam, was konnten sie aber voraussagen, wohin es an dem und dem Tage dem Könige gefallen würde, auszureiten, wieviel er mitnehmen, wann er umkehren würde. Ein ganz zufälliger Umstand soll uns aber auf den feinsten Plan leiten. Unsere tätige Freundin in Dresden, das alte Fräulein Klinkauf, hat Freundschaften und Bekanntschaften, die bis in die äußersten Winkel der Erdgeschosse des Berliner Schlosses dringen. Jede Äußerung des Königs im letzten Winter kam uns von da zu Ohren.«
»Ganz gewiß«, schloß die Gräfin rasch, »wie Voltaire sagt, daß kein großer Mann es vor seinem Kammerdiener ist. Was schlägt das aus? Die Politik hat nichts mit Kammerdienern zu tun.«
»Doch, Gnädigste, ein Kammermädchen hat im Zimmer etwas zu tun, als der König mit seiner Schwester sich über eine Schilderei streitet. Es ist die Skizze eines Wandgemäldes im Brühlschen Schlosse … Die Prinzessin Amalie behauptet, Kupido könne im Original nur im blauen Hintergrunde stehen, der König will auf grauem. Sie geraten in einige Heftigkeit, wobei die Prinzessin im Ärger das Schnupftuch auf die Erde wirft. Der König notiert sich etwas und sagt, das könne entschieden werden. Prinzeß Amalie entgegnet ihm spöttisch, das sei unmöglich, da er das Schloß habe niederbrennen lassen, etwas, woran Friedrich nicht gern erinnert ist. Er erwidert, die Mauern würden doch noch stehen, und verläßt in einer Art Ärger das Zimmer. Das wußten...




