Allen | Ballsaison in London | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Historical

Allen Ballsaison in London


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7337-6929-1
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Historical

ISBN: 978-3-7337-6929-1
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wer ist diese bezaubernde Schönheit mit den silberblonden Locken und der grazilen Figur? Interessiert zieht Nicholas Stangate, Earl of Arndale, Erkundigungen über sie ein. Und nur Ehrenwertes erfährt er über Talitha Grey: Sie ist eine Hutmacherin, die ein Vermögen geerbt hat und nun in Begleitung der fürsorglichen Lady Parry ihre erste Saison in London mitmacht. Doch je häufiger Nicholas die junge Dame sieht, je inniger sie miteinander tanzen und je leidenschaftlicher die Küsse werden, die er ihr raubt, desto größer wird seine Gewissheit: Talitha hat nicht die ganze Wahrheit über ihre Vergangenheit gesagt ...



Louise Allen lebt mit ihrem Mann - für sie das perfekte Vorbild für einen romantischen Helden - in einem Cottage im englischen Norfolk. Sie hat Geografie und Archäologie studiert, was ihr beim Schreiben ihrer historischen Liebesromane durchaus nützlich ist.

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1. KAPITEL

London, 1819

Miss Talitha Grey überlief ein Frösteln. Sie riskierte einen Blick nach unten. Der Überwurf aus weißem Leinen, der über ihre Schulter drapiert worden war, reichte zwar bis auf den Boden, bedeckte sie allerdings lediglich auf Vorder- und Rückseite. Ihre nackte Haut darunter wies bereits einen bläulichen Schimmer auf, und Talitha hatte das ungute Gefühl, am ganzen Körper von Gänsehaut entstellt zu sein.

Resigniert seufzend spannte sie die Finger um den goldfarbenen Bogen in ihrer linken Hand und richtete den Blick wieder auf den Wandschirm aus mottenzerfressenem blauem Brokat, der als Himmel über dem klassischen Griechenland seinen Dienst tat. Wenn sie sich nur genug bemühte, schaffte sie es vielleicht, sich in Gedanken in die Hitze der antiken Sonne zu versetzen. Sie stellte sich vor, wie sie die Strahlen genoss, während der sanfte Hauch warmer Mittelmeerwinde über ihre Haut strich – und nicht die pfeifenden Zugwinde, die durch jede Tür und jeden undichten Fensterrahmen in die Dachkammer eindrangen.

Talitha ließ ihrer blühenden Phantasie freien Lauf. Die entfernten Klänge einer Hirtenflöte schwebten über Olivenhaine und übertönten den Lärm der streitenden Kutscher unten am Panton Square. Sie konzentrierte sich darauf, den Duft von Holzfeuern und Kiefernwäldern heraufzubeschwören, um den erstickenden Gerüchen nach verstopften Abflüssen und Kohlenfeuern entgegenzuwirken. „Miss Grey! Sie haben sich bewegt!“, ertönte eine gereizte Stimme hinter ihr.

Sorgsam darauf bedacht, ihre Pose zu halten, und ohne den Kopf zu drehen, erwiderte Talitha: „Ich versichere Ihnen, dass ich das nicht getan habe, Mr Harland.“

„Etwas hat sich aber verändert“, beharrte der Sprecher. Talitha hörte das Knarren des hölzernen Gerüstes, auf dessen schmale Plattform sich Mr Harland zwängen musste, um an die obere Hälfte der gewaltigen Leinwand zu gelangen. Darauf dargestellt war eine epische Szene aus dem antiken Griechenland, mit der Figur der Göttin Diana im Vordergrund, die dem Betrachter allerdings den Rücken zuwandte. Ihr Blick streifte über die bewaldeten Hügel und entfernten Tempel bis zu der in dunkles Burgunderrot getauchten Ägäis am Horizont.

Erneutes Knarren, dann ein gereiztes Brummeln – Mr Harland brachte seine Gedanken zum Ausdruck. Über die protestierenden Bodendielen hinweg gelangte der Künstler zu Talitha und betrachtete sie eingehend. „Die Farbe Ihrer Haut hat sich verändert“, stellte er mit leicht tadelndem Unterton fest.

„Mir ist kalt“, erwiderte Talitha ruhig, noch immer, ohne den Kopf zu bewegen. Frederick Harland, so hatte sie festgestellt, interessierte sich für ihren nackten Körper so viel oder so wenig wie für Farbe, Form oder Beschaffenheit einer Obstschale, einer antiken Urne oder einer Länge Stoff. Sobald seine Muse ihn in den Fängen hielt, war er zerstreut, unaufmerksam und zeitweilig recht gereizt, doch ebenso war er stets freundlich und entlohnte sie gut. Außerdem fühlte sie sich in seiner Gegenwart sicher, auch wenn sie mit ihm alleine war – ob sie nun Kleider am Leib trug oder nicht.

„Kalt? Ist denn das Feuer ausgegangen?“

„Ich denke, es ist heute noch kein Feuer gemacht worden, Mr Harland.“ Talitha wünschte, sie hätte darauf bestanden, dass ein Span ans Feuer gehalten wurde, bevor sie mit der Sitzung begannen, doch ihre Gedanken waren anderen Dingen zugewandt gewesen. Erst als sie ihre Pose eingenommen hatte und der Künstler auf sein Gerüst geklettert war, hatte sie bemerkt, dass es in der hochgelegenen Dachkammer kalt war.

„Oh. Hmm. Nun gut, zehn Minuten noch, dann beenden wir die Sitzung für heute.“ Wieder ächzten die Dielenbretter, da er sich zurück an seine Leinwand begab. „Ich benötige jedenfalls mehr von diesem Rot für die Hautfarben und Azur für den Himmel. Und Ultramarinblau ist so maßlos überteuert …“

Talitha hörte nicht weiter zu, wie er vor sich hin murmelte; seine Worte waren sowieso nicht mehr verständlich. Sie hing wieder ihren eigenen Gedanken nach, wobei jetzt eine leichte Sorgenfalte ihre Stirn furchte. Nun ja, zumindest musste sie in dieser Pose nicht auf ihren Gesichtsausdruck achten. Nur die Andeutung ihrer rechten Gesichtshälfte war von hinten sichtbar und ihr langes, leicht gewelltes, hellblondes Haar, das ihr offen bis zur Taille fiel.

Ihre Füße waren bloß, ihre Stirn zierte ein dünnes, goldfarbenes Band, dessen lose Enden einen hübschen Kontrast zu ihrem Haar bildeten. Der leinene Überwurf entblößte ihre linke Seite mit den Rundungen von Hüfte und Gesäß sowie ein langes, schlankes Bein. Im Moment war jedes dieser normalerweise hübsch anzuschauenden Körperteile unübersehbar von Gänsehaut verunziert.

Dennoch, bei einer halben Guinee pro Sitzung konnte Talitha sich schlecht beklagen, sie musste für ihren Lebensunterhalt schließlich wohl oder übel alleine aufkommen. Mit den Guineen von Mr Harland beglich sie die Kosten für ihre Unterkunft. Die Tatsache, dass sie bei dem Künstler einer Arbeit nachging, die sich für eine junge Dame absolut nicht schickte und die von beinahe jeder rechtschaffenen Person für kaum besser als Prostitution angesehen wurde, bekümmerte sie nicht.

Sie vertraute vollkommen auf Mr Harlands Anständigkeit ihr gegenüber. Es war, das spürte sie, nicht einmal so, dass er sich bemühen musste, sich durch und durch redlich zu verhalten, nein, er war tatsächlich nicht im Geringsten an ihr interessiert – wie anscheinend auch an keiner anderen Frau. Sie hatte davon gehört, dass manche Männer ihr eigenes Geschlecht bevorzugten, doch auch dies schien nicht der Fall zu sein. Seine Obsession galt offensichtlich allein der Kunst, für anders geartete Gefühle bot sich kein Raum.

Der zweite Grund für Talithas Sorglosigkeit in Bezug auf ihre Beschäftigung war die Tatsache, dass keines von Mr Harlands Werken, in denen sie abgebildet worden war, jemals die Wände einer Ausstellung zieren würde. Es war nicht etwa so, dass seine Liebe zur Antike dem modernen Geschmack zuwiderlief, dies zeigte die allgemeine Begeisterung über die Ausstellung der Elgin Marbles, die demnächst gezeigt werden sollte – es handelte sich hierbei um griechische Marmorskulpturen, die der Staat einem gewissen Lord Elgin abgekauft hatte. Nein, Frederick Harlands Leinwände waren einfach zu gewaltig, sein Perfektionismus zu übermächtig. Es würde ihm niemals gelingen, je ein Werk fertig zu stellen, geschweige denn, es kritischen Blicken darzubieten.

Das Bild der Diana war das vierte, für das Talitha Modell stand: Die drei ersten hatten bereits einen Zustand der Beinahe-Fertigstellung erreicht, doch stets hatte der Künstler seine Pinsel verzweifelt von sich geworfen und verkündet, niemals fähig zu sein, seine inneren Visionen manifestieren zu können. Alle Werke wurden sicher verwahrt, denn von Zeit zu Zeit holte er eines hervor, fuhrwerkte ein oder zwei Tage lang wild daran herum und gab schließlich niedergeschlagen wieder auf. Zum Glück – sowohl für den Künstler als auch für Talitha – war er nicht nur Nutznießer einer bescheidenen Erbschaft, sondern besaß darüber hinaus ein lukratives und blühendes Geschäft für Porträtmalerei, obgleich er diese Kunst als reines Handwerk verachtete. Drei Tage der Woche lebte er seine Passion für die klassische Malerei, die restliche Zeit schuf er in dem vornehm ausgestatteten Atelier im ersten Stock des heruntergekommenen Hauses Porträts von Mitgliedern der besseren Gesellschaft. Es zeugte von einem Tribut an seine Arbeit, dass die Angehörigen der Oberschicht sich für ein Abbild ihrer selbst auf die Reise zu seinem Haus begaben, das sich, entschieden abseits gelegen, einen Steinwurf vom Leicester Square entfernt befand.

Im Geiste überschlug Talitha ihre Barschaft. Würde ihre andere, öffentlich anerkannte Beschäftigung die Investition in eine neue Garderobe verlangen?

Die gedankliche Überprüfung ihrer Finanzen war mehr als Grund genug für die Furche zwischen ihren Brauen, doch das Stirnrunzeln verschwand plötzlich, um von einem Ausdruck echter Furcht ersetzt zu werden. Vier Stockwerke unter ihr wurde der Klopfer an der Tür betätigt, und einen Augenblick später konnte sie eine Anzahl männlicher Stimmen ausmachen, die durch das teppichlose Stiegenhaus emporschallten.

Mit einem Ausruf des Unmutes ob der Unterbrechung ließ Mr Harland klappernd seine Palette fallen, kletterte von seinem Posten herab und riss die Tür zur Dachkammer auf.

Den fadenscheinigen Überwurf um sich gewickelt, lief Talitha ihm hinterher und hinaus auf den winzigen Stiegenabsatz. Klar und deutlich hörte sie durch das Treppenhaus von unten herauf die Stimme von Peter, Mr Harlands Farbmischer. Dieser bewohnte das Erdgeschoss, zusammen mit seinen Töpfen und Tiegeln, den Taschen mit Pigmenten und den Ölflakons. Aus allerlei fremdartigen Substanzen mischte er dort auf magische Weise seine leuchtenden Farben.

„Mr Harland empfängt mittwochs keine Kunden, meine Herren. Dienstag und Donnerstag sind seine Tage. Bitte, Sir, Sie können jetzt nicht dort hinauf!“

„Verdammt, ich habe eine Nachricht geschickt und mein Kommen angekündigt. Ich will die Arrangements für das Porträt meiner Tante vereinbaren, und ich habe beileibe nicht die Absicht, mich noch einmal hierher zu begeben, nur, weil es Mr Harland heute gerade nicht passt.“ Arrogant überging die schleppende Stimme Peters erneuten Protest. „Wollen Sie etwa behaupten, er sei nicht hier?“

„Ja, Sir, ich meine, nein, Sir, er ist hier, aber er …“

...



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