E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Allnoch / Bailey / Westphal All I want for Christmas is Love
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8458-6688-8
Verlag: arsEdition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
24 Geschichten für knisternde Momente
E-Book, Deutsch, 384 Seiten
ISBN: 978-3-8458-6688-8
Verlag: arsEdition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mareike Allnoch wurde 1996 in Bad Pyrmont geboren. Seit sie denken kann, ist sie vernarrt in Bücher. Irgendwann reichte ihr das Abtauchen in fremde Lesewelten jedoch nicht mehr und sie begann, eigene Geschichten zu schreiben. Wahre Magie liegt für sie zwischen zwei Buchdeckeln. Wenn sie nicht gerade schreibt, liest oder einer neuen Romanidee hinterherjagt, plant sie ihre nächsten Reiseziele, an die sie irgendwann auch ihre Leser entführen kann. Sie liebt gutes Essen, Zeit mit Freunden und Familie und gemütliche Filmabende auf der Couch.
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Ava, wenn du ihn weiter so aus der Ferne anstarrst, brennst du ihm noch ein Loch in seinen Helm. Was echt schade wäre, weil dann nicht nur sein Team verliert, sondern auch ich.«
Ich wende den Blick von Max ab und schaue Coby, meine beste Freundin Schrägstrich Mitbewohnerin Schrägstrich Kommilitonin mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Hast du etwa schon wieder gewettet?«
Sie streicht sich das glatte, braune Haar über die Schulter und lächelt diabolisch. »Klar. Das ist leicht verdientes Geld. Die Polarfüchse haben in dieser Saison noch kein Spiel verloren.«
Das stimmt. Ich studiere jetzt seit etwas mehr als einem Jahr am Sterling College, und ihre Eishockeymannschaft, die Sterling Arctic Foxes, haben aufgrund ihrer Erfolgssträhne inzwischen im gesamten Bundesstaat von Massachusetts einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt. Ein Großteil der Zuschauenden, die an diesem Samstag durch den ersten Dezemberschnee zur Eishalle gelaufen sind, kommen nur, um das Spektakel eines weiteren Sieges nicht zu verpassen.
Für mich ist das eigentlich nichts. Ich habe von Eishockey keinen blassen Schimmer, egal wie oft ich mir nun schon in der Eishalle den Hintern abfrieren durfte und Coby mir die Regeln erklärt hat. Unter normalen Umständen würde ich nie zu einem Spiel gehen, wäre nicht Max Sloane – Trikotnummer dreizehn – Teil der Mannschaft.
Max kennt mich nicht wirklich. Vermutlich weiß er nicht einmal, dass wir gerade dieselbe Luft atmen. Und das liegt nicht daran, dass er vollkommen auf den Puck konzentriert ist, der schwarz und rund über die Eisfläche schießt, genau auf das Tor zu. Es könnte der entscheidende Punkt sein, und Max dabei zu beobachten, wie er nach vorne prescht, um das blöde Teil endlich zu versenken, ist schon irgendwie faszinierend.
Um uns herum springen die ersten Zuschauenden von ihren Plätzen auf. Sie können es vor lauter Spannung kaum noch aushalten, und sogar Coby, die mit vier älteren Brüdern quasi in den Sport hineingeboren wurde, zerquetscht mir langsam, aber sicher die Hand. Hin und wieder brüllt jemand von den Rängen etwas runter zu den Jungs, die gerade um den Sieg kämpfen, als hinge ihr Leben davon ab. Vielleicht stimmt das sogar. Es wird gemunkelt, dass manche von ihnen nach ihrem Collegeabschluss bereits auf Verträge in der NHL hoffen dürfen. Jedes verlorene Spiel könnte ihre Chancen darauf schmälern.
Der Puck saust in das Tor hinein, noch ehe der Torhüter überhaupt reagieren kann. Für ein paar Sekunden halten Spielende wie Zuschauende die Luft an, ehe es aus uns allen herausbricht.
»Gewonnen!«, kreischt Coby und redet dabei vermutlich mehr von ihrer Wette als von den Polarfüchsen. Dennoch reißen wir gleichzeitig die Arme in die Luft und umarmen uns. Um uns herum wird gejubelt und gepfiffen, Menschen springen ineinander, und hier und da sehe ich sogar vereinzelte Tränen – es ist der absolute Wahnsinn. Mit einem Seitenblick bemerke ich, wie sich unten auf dem Eis die Spieler die Helme von den Köpfen ziehen und sich gegenseitig, aber auch von der Menge feiern lassen.
Ich komme her, weil ich den Vibe nach einem Sieg mag – und natürlich wegen Max. Wenn er mit seinen Mannschaftskollegen vor Erleichterung und Stolz über das ganze Gesicht strahlt, dann ist es eine der ehrlichsten Reaktionen, die ich je bei einem Menschen gesehen habe.
Man möchte meinen, dass jemand wie Max so ein klischeehafter Sporthengst ist. Mit seinen über ein Meter neunzig, dem chaotisch-dunklen Haar und den breiten Schultern könnte er das perfekte optische Vorbild dafür sein. Doch so, wie es sich am Campus erzählt wird, ist er ein durchweg guter Kerl. Seine Freunde schätzen seine Loyalität, und wenn er mit einem Mädchen was am Laufen hatte, verliert diese selbst nach der Trennung kein schlechtes Wort über ihn. Abgesehen davon, dass sie es natürlich nie mögen, dass er überhaupt mit ihnen Schluss gemacht hat. Er tut es aber wohl so feinfühlig, dass sie oft noch mit ihm befreundet bleiben.
Ich meine, wie oft gibt es so was? Vermutlich sollte man ihm vielmehr nachsagen, dass er ein Einhorn ist.
Allerdings habe ich wenig Vergleichsmöglichkeiten. Der eine Junge, mit dem ich im Abschlussjahr der Highschool ausgegangen bin, kann mir nach wie vor gestohlen bleiben, nachdem er per Handynachricht mit mir Schluss gemacht hat. Das war einfach furchtbar und hatte mit Feinfühligkeit in etwa so viel gemeinsam wie ein Elefant mit einem Papagei.
Mir ist schon klar, dass ich etwas unheimlich klinge, wenn ich von Max so schwärme, aber es ist eher so, dass sich unsere Wege seit meinem ersten Tag am College immer wieder rein zufällig kreuzen. Bis auf das eine Mal bin ich mir sehr sicher, dass er dabei nie von mir Notiz genommen hat.
Manchmal stehe ich in der Cafeteria hinter ihm an oder wir teilen uns auf einer Party die Tanzfläche. Er hat Vorlesungen genau neben meinem Hörsaal, und ab und zu laufen wir aneinander vorbei. Aber egal wie nah wir uns bei all den Begegnungen kommen – wir wechseln nie ein Wort miteinander.
Was ich von ihm weiß, habe ich nur über den typischen Collegebuschfunk gehört. Wenn eine so breite Masse an Menschen fast nur Gutes über einen Typen zu berichten hat, dann kann doch nichts Falsches an ihm sein, oder?
Coby und ich warten, bis die Unruhe sich langsam legt und die Zuschauenden die Eishalle verlassen. Die Mannschaft ist längst in den Umkleiden verschwunden, und wenn es nach mir und meinem Temperaturempfinden ginge, wäre ich ebenfalls schon raus, aber Coby wollte unbedingt noch einen Moment sitzen bleiben. Jetzt gerade wühlt sie in ihrer Handtasche herum, während ich auf Instagram scrolle. Ich folge sowohl den Polarfüchsen als auch Max selbst. Nahezu das gesamte College, inklusive des Lehrpersonals, hat die Spieler auf seinem Schirm. Sie sind hier der ganze Stolz.
»Du solltest ihn endlich um ein Date bitten«, höre ich Coby neben mir sagen.
Ich brumme nur leise und betrachte ein frisch hochgeladenes Bild von Max und zweien seiner Mannschaftskollegen, wie sie sich in der Umkleide in den Armen liegen. Sie haben ihre Trikots ausgezogen und zeigen dem ganzen Internet, wie sportlich sie unter den Klamotten gebaut sind. Doch alles, woran ich denken kann, ist sein zufriedenes Lächeln. Es war das Erste, was ich an ihm mochte.
»Man bittet jemanden wie ihn nicht einfach so um ein Date.« Ich schließe die App und verstaue das Handy in meiner Jackentasche. »Dafür müsste ich mich in einer verdammt langen Schlange bildhübscher Mädchen anstellen, und er ist in einem halben Jahr sowieso weg.«
Als ich aufschaue, präsentiert mir Coby einen Schokomuffin, in dem eine einzelne, brennende Kerze steckt.
»Happy Birthday!«, ruft sie euphorisch und ignoriert damit unsere Unterhaltung über mein nicht existentes Datingleben.
Ein Ablenkungsmanöver. Natürlich. Das hätte ich mir denken können. Wir hatten das Thema, wieso ich mit Max nicht ausgehe, schließlich schon so oft, und das Ergebnis war für keine von uns beiden sonderlich befriedigend.
»Das wäre doch nicht nötig gewesen.« Ich lächle und nehme ihr den Schokomuffin ab. Es ist die Sorte, bei der obendrauf weiße und dunkle Schokostücke und im Kern eine cremige Füllung eingebacken sind. Mein absoluter Favorit aus der Cafeteria, und Coby muss sich früh dort angestellt haben, um noch einen zu ergattern. Mir wird ganz warm ums fast erfrorene Herz.
»Es ist dein Geburtstag«, entgegnet sie und umarmt mich dabei behutsam, denn in ihren Haaren ist genug Haarspray drin, um bei Kontakt mit der Flamme lichterloh zu brennen. »Eigentlich sollte ich dir eine ganze Schokotorte mit den zwanzig Kerzen schenken, aber leider passt die nicht in meine Handtasche.«
Ich lache und schüttle den Kopf. Dunkelblonde, kinnlange Strähnen piksen mich am Hals. »Mir reicht der hier völlig aus. Vielen lieben Dank. Ich hoffe, du musstest dafür niemanden ermorden.«
Coby grinst und deutet mit dem Zeigefinger, den ein weihnachtsrot lackierter Nagel ziert, auf die Kerze. »Meine Ellenbogen haben für dich gekämpft und gewonnen! Dafür musst du dir jetzt aber etwas wünschen. Etwas richtig Gutes, nur für dich.«
»Und was?« Ich verziehe in gespielter Qual das Gesicht. »Ich bin doch mit dir an meiner Seite wunschlos glücklich.«
»Natürlich bist du das. Wie solltest du das auch nicht sein? Ich bin wunderbar.« Wir lachen, denn obwohl Cobys Selbstbewusstsein von hier bis zum Mond reicht, wissen wir beide, dass sie niemals ernsthaft so von sich reden würde. »Dennoch müssen wir etwas dagegen tun, dass du dauernd aussiehst wie ein geprügelter Hundewelpe, sobald wir mal an Nummer dreizehn vorbeilaufen und du ihn wieder nicht angesprochen hast.«
»Autsch.« Ich greife mir mit der freien Hand theatralisch an die Brust – genau dorthin, wo mein Herz sitzt. »Das tat weh.«
»Ist doch so. Ich kann vieles ersetzen, aber einen heißen Kerl mit dem Charme eines Golden Retrievers? Da halte ich nicht mit.«
Sie hat ja nicht ganz unrecht. Ich könnte die Initiative ergreifen und endlich Nägel mit Köpfen machen, die Wahrheit ist...




