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E-Book, Deutsch, 180 Seiten

Alt Handelt!

Ein Appell an Christen und Kirchen, die Zukunft zu retten
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7365-0267-3
Verlag: Vier Türme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Appell an Christen und Kirchen, die Zukunft zu retten

E-Book, Deutsch, 180 Seiten

ISBN: 978-3-7365-0267-3
Verlag: Vier Türme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Die meisten der großen Probleme dieser Welt sind nicht von Gott zu verantworten, sondern menschengemacht, also können sie auch von Menschen gelöst werden'. Christen und Kirchen verzetteln sich nach Ansicht Jörg Alts derzeit in ihren internen Problemen und Strukturen und vernachlässigen dabei den Einsatz für die großen Herausforderungen unserer Zeit: die realen Gefahren von Finanzkapitalismus und Ressourcenübernutzung sowie technischer Innovation. Jörg Alt zeigt, dass gerade die Katholische Soziallehre uns alles Nötige an die Hand gibt, um unsere Zukunft sozial gerechter und ökologisch nachhaltiger zu gestalten. Er versteht dieses Buch als Weckruf gerade für Christen, sich in diesen Bereich zu engagieren.

Pater Dr. Jörg Alt, geboren 1961, hat Theologie, Philosophie und Soziologie studiert und arbeitete viele Jahre für den Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Seit 2009 ist er als Hochschulseelsorger in Nürnberg tätig. Desweiteren ist er Priester des Jesuitenordens und Mitarbeiter der Jesuitenmission Deutschland in den Bereichen Forschung, Networking und Advocacy.
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Die Probleme: Zweiter Level

Demokratie? Schön wär’s!

Dani Rodrik legte überzeugend dar, dass wirtschaftliche Globalisierung, nationale Souveränität und Demokratie nicht gleichzeitig bestehen können, sondern lediglich zwei der drei auf Kosten des Dritten.2 Entsprechend erzwangen Kapitalmobilität und »die Märkte« ein Bündnis zwischen Wirtschaft und Staaten im weltweiten »Standortwettbewerb«: Die Wirtschaft sagt, welche Standortbedingungen sie benötigt, die Regierungen schaffen diese und die Demokratie gerät selbst dort, wo sie »marktkonform« (Merkel A., 2011) umgestaltet wurde, ins Hintertreffen. Dabei haben gerade die Finanz- und Eurokrise gezeigt, dass Regierungen durchaus handlungsfähig sind und sich gegen »die Märkte« durchsetzen können. Aber auch damals haben sie sich unter dem Druck von »Alternativlosigkeit« über angemessene parlamentarische Verfahren hinweggesetzt: Die Euro-Rettung etwa oder das Vorgehen der Europäischen Zentralbank bei Niedrigzinspolitik und Anleihenaufkauf stabilisierte sicherlich »die Märkte«, wäre aber von den BürgerInnen ebenso sicher nicht mitgetragen worden, weil diese alles mit ihren Steuern und der Entwertung ihrer Sparguthaben bezahlen mussten und müssen. Das schwächste Glied in der Kette ist und bleibt also die Demokratie, die von oben und von unten zunehmend ausgehöhlt wird:

Von oben durch das Top 1 Prozent der privaten, betrieblichen und kriminellen Großvermögen, wobei egal ist, ob man diese Form der Herrschaft wie der US-Milliardär Hanauer als Plutokratie, wie der US-Nobelpreisträger Stiglitz als Erb-Oligarchie, wie der französische Wirtschaftswissenschaftler Piketty als Patrimonialen Kapitalismus oder wie der britische Wirtschaftswissenschaftler Freeman als Wirtschaftlichen Feudalismus bezeichnet: Diese durch persönliche Verbandelung, Lobbyismus, Betrug, Bestechung, Erpressung und Gewalt ausgeübte Herrschaft ist hocheffizient und findet im Verborgenen statt. Selbst die OECD warnt inzwischen vor einer »Policy Capture« (OECD, 2017b).

Wer dabei den Ton angibt, wird zunehmend erkennbar, etwa durch den Cum-Ex-Skandal, der erschwindelten Rückforderung von Steuerzahlungen, die nie geleistet wurden. Hier wurde zunächst eine bekannte Gesetzeslücke jahrelang nicht beseitigt, dann ein Gesetzesvorschlag vom Bankenverband übernommen, der (Überraschung!) auch keine Abhilfe geschaffen hat. Die Schäden für Deutschland und Nachbarstaaten: über 55 Milliarden Euro. Oder der massenhafte Dieselbetrug der deutschen Automobilindustrie. Die Schäden für Deutschland und Nachbarstaaten hier aufgrund falsch berechneter KfZ-Steuern: 40 bis 50 Milliarden Euro. Auf diesem Hintergrund fragt man sich, was der Unterschied zwischen »Korruption« in Entwicklungsländern und »Lobbyismus« in entwickelten Ländern ist.

In beiden Fällen werden Marktgesetze ausgehebelt und die Konzerne sowie deren Aktionäre bereichern sich auf Kosten des Gemeinwesens. Ein anderes Beispiel: Die Zerschießung der 2014 vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer, die eine Schieflage in der Besteuerung großer Vermögen korrigieren sollte. Übrigens ganz im Sinne von Artikel 123 der Bayerischen Verfassung, die da sagt: »Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern.« Freilich: Nach erfolgreicher »Überzeugungsarbeit« beispielsweise durch die »Stiftung Familienvermögen« und Blockaden durch Bayern und Baden-Württemberg haben wir nun ein Gesetz, welches unweigerlich wieder beim Bundesverfassungsgericht landen wird. Dass mit beiden Bundesländern ein parteienübergreifendes schwarz-grün-rotes Regierungsbündnis für dieses Reformversagen verantwortlich ist, zeigt, wie wenig politische Überzeugungen gelten, wenn der Lobbyistendruck stimmt. Und so darf man sich nicht wundern, dass die größte »Partei« im aktuellen demokratischen Wettbewerb die der »Nichtwähler« ist.

Diese Schieflage in der demokratischen Beteiligung und Mitbestimmung wird von der Politik eher verdrängt als zugegeben. Oder warum sonst unterdrückte das Bundeskanzleramt bei der Erstellung ihres letzten Reichtums- und Armutsberichts ausgerechnet die Studie, die »eine klare Schieflage in den politischen Entscheidungen zulasten der Armen« herausfand (Elsässer, Hense & Schäfer, 2016)?

Von Brandstiftern und Biedermännern

Und so brauchte man sich auch nicht zu wundern, dass sich Nationalisten und Populisten als aufrechte Anwälte des »Kleinen Mannes« und als Gegenbewegung zum »Altparteien-« und »globalen Elitensystem« etablieren können und demokratische Errungenschaften und Institutionen von unten aushöhlen. Taktiken dabei sind spalterische Hetzreden, die »uns« gegen »die da« in Stellung bringen, das bewusste Ausreizen sprachlicher Grenzüberschreitungen und eine brillant-manipulative Ausnutzung der Social Media.

Das eigentlich Erschreckende ist jedoch, in welchem Ausmaß etablierte Parteien, vor allem CDU und CSU, den Rechten entgegenkommen. Wie viel Zeit wurde inzwischen etwa verplempert, wie viele Menschenleben hat es gekostet, weil es »rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben darf« (F. J. Strauß) und weil sich deswegen Bundesregierung und Öffentlichkeit mehr mit Grenzsicherung als mit Fluchtursachenbekämpfung beschäftigen!

Oder: Welchen Respekt vor engagierten Bürgern verrät Innenminister Seehofer, wenn er sich im Sommer 2019 damit rühmte, er habe ein wichtiges Gesetz seines Migrationspakets »ganz stillschweigend eingebracht, … das erregt nicht so. Ich hab jetzt die Erfahrung gemacht in den letzten fünfzehn Monaten: Man muss Gesetze kompliziert machen, dann fällt es nicht so auf. Wir machen nix Illegales, wir machen Notwendiges. Aber auch Notwendiges wird ja oft unzulässig infrage gestellt.«

Dieses »Hau-ab«-Gesetz Seehofers ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich seit 2015 in der Bewältigung der Flüchtlingskrise engagiert haben und sich immer noch gemeinsam mit Arbeitgebern, Lehrern, Sozialarbeitern und vielen anderen um humane Lösungen bemühen.

Wo Biedermänner auf diese Weise Brandstiftern einen roten Teppich ausrollen, braucht man sich nicht zu wundern, wenn sich bislang »staatstragende« Gruppen wie Christen und Humanisten enttäuscht von der Politik abwenden!

Damit verbunden ist der Zerfall des Multilateralismus unter dem Einfluss von Nationalisten und Populisten wie Trump, Putin, Duterte, Bolsonaro und Salvini. Dabei ist China, seit Trumps Präsidentschaft ein großer Verfechter der globalen multilateralen Ordnung, keine Alternative: Verfolgt es doch mit seinem »Staatskapitalismus« selbst sehr egoistische und hegemoniale Interessen, während der Mensch in China von individuellen Rechten nur träumen kann. Und das alles ausgerechnet in einer Zeit, in der globale Probleme globale Lösungen erfordern.

Anonymität und Zeitdruck

Erschwert wird die Situation durch die Anonymität globaler Strukturen und Marktakteure: Einen König, der sein Volk hungern ließ, konnte man früher köpfen, aber wer ist schuld an den heutigen Krisen? Blackrock? Glencore? Nestlé? Aber was ist mit deren Aktionären? Oder sind es jene cleveren Experten, die einerseits am Verfassen von Gesetzen beteiligt werden, dann ihre Kunden darin beraten, wie diese Gesetze unterlaufen werden können und schließlich, wenn sie erwischt werden, stets behaupten, dies geschehe alles im Rahmen der geltenden Gesetze (z. B. die »Big Four«-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften)? Ein anderes Beispiel: Unser Verbrauch von Erdöl befördert nicht nur den Klimawandel, sondern stabilisiert auch autoritäre Regime, die ihrerseits anti-demokratische islamistische Strömungen weltweit und auch in unserem Land finanzieren. Bei allem darf nicht übersehen werden: Solche »Strukturen der Sünde« sind nicht vom Himmel gefallen, sondern von Menschen geschaffen worden. Papst Johannes Paul II. betont, dass sie »in persönlicher Sünde ihre Wurzeln« haben und »daher immer mit konkreten Taten von Personen zusammenhängen, die solche Strukturen herbeiführen, sie verfestigen und es erschweren, sie abzubauen. Und so verstärken und verbreiten sie sich und werden zur Quelle weiterer Sünden, indem sie das Verhalten der Menschen negativ beeinflussen« (SRS Nr. 36).

Schließlich leiden wir zunehmend unter Zeitdruck. Anders als beim Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft, bei der Zeit keine Rolle spielte, ist dies beim Klimawandel durchaus der Fall: Werden bestimmte Schwellen (»Kipppunkte«) überschritten, kann es zu unaufhaltsam-unumkehrbaren Entwicklungen kommen, etwa, wenn der Permafrostboden auftaut und das Jahrtausende dort gebundene Methan in die Atmosphäre abgibt. Und gerade hier scheint es, dass die Prognosen der Forscher durch den Gang der Dinge noch überholt werden. So wurde das im Sommer 2019 erreichte Ausmaß an auftauendem Permafrostboden in der Arktis eigentlich erst für 2090 vorhergesagt. Ergo: Wenn nicht sehr bald sehr deutliche Veränderungen im globalen Maßstab erfolgen, dürften kritische Entwicklungen außer Kontrolle geraten. Gleichzeitig birgt der Zeitdruck das Risiko, dass technische Innovationen nicht gründlich genug auf potenzielle Folgewirkungen geprüft werden und schlussendlich Nebenwirkungen die intendierten Wirkungen übersteigen.

Anonymität und Zeitdruck verschärfen schließlich Probleme im »Cyberspace«, wo Raum und Zeit entgrenzt sind. Zugleich belegt das Abhören des Handys von Kanzlerin Merkel durch die NSA ebenso wie das Ausspähen deutscher Konzerne durch China, dass in diesem Raum bislang respektierte Grenzen durch staatliche Souveränität und »rule of law«...


Pater Dr. Jörg Alt, geboren 1961, hat Theologie, Philosophie und Soziologie studiert und arbeitete viele Jahre für den Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Seit 2009 ist er als Hochschulseelsorger in Nürnberg tätig. Desweiteren ist er Priester des Jesuitenordens und Mitarbeiter der Jesuitenmission Deutschland in den Bereichen Forschung, Networking und Advocacy.



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