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E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Nagel & Kimche

Althaus / Binswanger Macho-Mamas

Warum Mütter im Job mehr wollen sollen
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-312-00533-8
Verlag: Nagel & Kimche
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Warum Mütter im Job mehr wollen sollen

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Nagel & Kimche

ISBN: 978-3-312-00533-8
Verlag: Nagel & Kimche
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Emanzipierte Frauen erwarten heute vom Leben all das, was für Männer selbstverständlich ist: einen befriedigenden Beruf, eine Beziehung mit erfülltem Sexleben, Freizeit und ein anständiges Gehalt. Sobald Paare aber Kinder bekommen, ändert sich alles: Frauen schicken den Mann an die Ernährerfront und geben ihre beruflichen Pläne auf. Wenn eine Frau dagegen trotz Familie Karriere machen will, braucht sie unerschöpfliche Energie, muss sich gegen Machtspiele am Arbeitsplatz durchsetzen - und dabei auch noch attraktiv aussehen. Warum das so ist und warum es nicht sein muss, zeigen die Autorinnen in ihrem provokanten und pointierten Ratgeber.

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1

Generation Golf reloaded oder

Generation Spagat

Macho-Mama ist am Ende. Sie sitzt auf dem Boden, ihre Binde ist voller Wochenfluss, im Bettchen vor ihr wimmert das Baby und verlangt nach ihren wunden Brüsten. Eine innere Stimme sagt: «Steh auf!» Aber die innere Stimme ist nicht mehr vertrauenswürdig. Es ist Dienstagmorgen oder Mittwochnachmittag – die Wochentage haben sich übereinandergeschoben und ihre Bedeutung verloren.

In der Woche sieben post partum, im neuen Leben als Mutter, ist nichts mehr, wie es früher war. Angefangen beim Bauch, der sich einst wie eine doppelspurige Autobahn vom Schambein bis unter die Rippenbögen spannte. Jetzt befinden sich dort Falten aus Haut, weich und fremd und ganz ohne Zentrum. Schlaf ist nurmehr ein leeres Wort, das Dasein eine endlose Abfolge aus Stillen und Wickeln. Das Hirn ist zur Arbeitslosigkeit verdammt, reduziert auf den Instinkt, das Baby achtmal täglich anzusetzen und darauf, die dunkle Ahnung in Schach zu halten, dass Mutterliebe, so überwältigend sie auch hereingebrochen war, nicht reichen könnte – um glücklich damit zu werden, den heutigen Tag morgen zu wiederholen. Niemals zuvor und niemals später hatte Macho-Mama so sehr das Gefühl, dass die Option, die sie gewählt hatte, sie aus dem Leben drängte, auf das sie sich so selbstverständlich verlassen hatte.

Das war im Jahr 2000. Gerade hatte Florian Illies die Generation Golf ausgerufen, und man muss dieser Mutter das Selbstmitleid verzeihen, denn sie gehört zu ebendieser Generation der zwischen 1965 und 1975 Geborenen, die Illies als apolitische und zutiefst hedonistische Kinder der Multioptionsgesellschaft beschreibt. Eine Generation, die vor allem auffiel durch die Perfektionierung der Nabelschau, die sie betrieb. Sie hatte in den achtziger Jahren pubertiert, im «langweiligsten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts», in dem jugendliches Aufbegehren gegen die politische Ordnung nur noch als Anekdote kursierte und die Punkbewegung als zahmes Moderevival wiederkehrte. Ihre Generation hatte nicht gekämpft, sondern gekauft. Die wirklich entscheidenden Fragen lauteten: Prince oder Michael Jackson? Popper oder Indie? Cool oder uncool? Und wie alle jungen Frauen damals wurde sie mit unzähligen Optionen ausgestattet und, eingehüllt in den Slogan «Weil ich es mir wert bin» wie in einen warmen Mantel, ins Erwachsenenleben entlassen.

Doch nun saß sie an der Bruchstelle, an die jede Generation gerät, ob Golf oder Babyboomer – jedenfalls der weibliche Teil: in der Babypause. Weg vom Fenster. Der Unterschied ist nur: In einer Kultur, die das «Ich zuerst» zum Prinzip erhoben hat, ist Mutterschaft nicht mehr bloß eine Herausforderung, sie ist ein Widerspruch zu allen davor gemachten Erfahrungen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Niemand hatte ihr erzählt, wie es sich anfühlt, am Montag im Büro mitzumischen, am Dienstag in den Wehen zu liegen, am Mittwoch zu gebären und am Freitag allein zu Hause zu sitzen. In der Babypause hatte sie plötzlich Pause von allem, was sie kannte: von bezahlter Arbeit, von Anerkennung und Status, von Freunden, Selbstbestimmung, körperlicher Unbekümmertheit.

Macho-Mama und ihre Zeitgenossinnen waren die ersten Frauen, zu deren normaler Planung es gehörte, den Arbeitsplatz wegen der Geburt nur für kurze Zeit zu verlassen. Sicher, der Mutterschaftsurlaub war ein Gebot der Gleichstellung, für den ihre Mütter, für den auch sie noch gekämpft hatten. Eine Errungenschaft, die in der Schweiz dreimal vor dem Volk scheitern musste, bis eine Mehrheit sich mit der Idee anfreunden konnte, dass Frauen nicht mehr nur heiraten, kündigen und ein Kinderzimmer einrichten.

Gesellschaftspolitisch betrachtet, war der Mutterschaftsurlaub ein Fortschritt. Privat aber, das wurde Macho-Mama jetzt klar, als sie mit dem Kind an der Brust auf dem Boden saß, zementierte er das, was sie längst überwunden glaubte: die traditionelle Rollenverteilung. Besonders, wenn die Babypause, wie in Deutschland, Jahre dauert oder, wie in der Schweiz, auch im neuen Jahrtausend die Väter weiterhin außen vor lässt.

Die Mutterschaft zerstörte eine Illusion, an der die Generation Golf im Kindesalter mit Playmobilfigürchen exzessiv gebaut hatte: die Illusion, dass das Geschlecht für eine Biographie endlich nebensächlich geworden sei. Die Plastikmenschen, die in den siebziger Jahren die Kinderzimmer dieser Welt eroberten, verkörperten selbst den Siegeszug der Emanzipation: Ob blond oder dunkel-, ob lang- oder kurzhaarig, ob in Rock oder mit Hose – die kleinen Fraumännchen waren austauschbar und für jede Rolle offen. Den kurzhaarigen lächelnden Männchen konnte man den Kinderwagen in die Hände drücken, die bezopften Frauen ans Steuerrad des Piratenschiffs stellen. Macho-Mama hatte diese Symbole der Gleichberechtigung verinnerlicht. Schließlich war sie selbst wie eine Playmobilfigur durchs Leben gekommen, ohne Einschränkung durch ihr Geschlecht. Bis zu dem Tag, als sie Mutter wurde.

Es lohnt sich heute, ein gutes Jahrzehnt später, den Blick nochmals auf diese hedonistische und apolitische Generation zu richten, zu der die Macho-Mamas gehören. Einen weiblichen Blick. Und deshalb beginnt dieses Buch genau dort, wo die Beobachtungen von Florian Illies endeten: wo die Frauen dieser Generation ihr Golf Cabrio aus der Garage der Kleinfamilie fuhren und bemerkten, dass mit Kindern auf dem Rücksitz der Wind der Freiheit, der ihnen bisher um die Ohren pfiff, bei dem gedrosselten Tempo nur noch ein laues Lüftchen war.

Der Wind der Freiheit


Es stimmt natürlich: Das Tempo hat jede Müttergeneration davor auch schon drosseln müssen. Schließlich ist Mutterschaft keine Lifestyle-Option, die man ausprobieren kann wie einen Yogakurs oder einen Auslandsaufenthalt und auch wieder ablegen, wenn man sich darin nicht gefällt. Aber die Frauen der Generation Golf waren die Ersten, die sich ganz selbstverständlich hinters Lenkrad des eigenen Lebens klemmten, die auch mal auf der Autobahn unterwegs waren und sich nicht mehr mit angezogener Handbremse von einem Regelwerk leiten ließen, das nur Dorfstraßen für sie vorsah.

Und diesen neuen Wind der Freiheit spürten wir schon als Mädchen. Als wir in den Siebzigern eingeschult wurden, durften unsere Mütter zum ersten Mal an die Wahlurne. Die beliebteste Familiensendung des Schweizer Fernsehens hatte zwar noch ein männliches Maskottchen, den Teleboy, aber schon zwei Jahre nach unserem Eintritt ins Fernsehalter wackelte das Girl dazu vergnüglich über den Bildschirm und läutete den Samstagabend ein. «Mädchen sind auch wer» lautete die Botschaft, mit der wir zu Hause und in der Schule imprägniert wurden. Wenn wir die Stufen des Terrassenbaus aus Sichtbeton erklommen und unsere Schülertheks neben den Pulten abstellten, waren wir voller Zuversicht und Zukunftsglauben.

Noch regierte zwar die alte Schule weiblicher Zurichtung – die Lehrerin war «das Fräulein Meier», und wenn das Fräulein Meier weggeheiratet wurde, rückte ein Fräulein Müller nach. In den Schulbüchern wimmelte es von mutigen Polizisten, Lokführern, Bauarbeitern, Bankern und von unbremsbar emsigen Müttern, und das entsprach ganz dem Bild, das wir antrafen, wenn wir unsere Schulkameraden zu Hause besuchten. Es gab die Kinder aus den Blocksiedlungen und die Kinder, die am Berg in Einfamilienhäusern wohnten, es gab die Bauernkinder und jene, die in den Mehrfamilienhäusern an der Transitstraße groß wurden.

Aber in allen Wohnungen wurde man von Müttern empfangen. Von netten Müttern, die literweise Coca-Cola und Sinalco hinstellten – Getränke, die zu Hause verboten waren. Von erschöpften Müttern, die in ungelüfteten Wohnungen vor sich hin welkten, aufopfernden Müttern, die mit einem Kind auf der Hüfte im Haus herumwirbelten. Und von alleinerziehenden Mütter, die ihren Kindern den Schlüssel um den Hals hängten und die wir früh schon bemitleiden lernten. Der Vater rollte, wenn überhaupt, erst gegen sieben Uhr mit seinem Golf oder Volvo oder Mercedes in die Garage, aber da saß man schon wieder bei der eigenen Familie am Tisch. Die Mütter waren fürs Haus zuständig, und von den Vätern wusste man wenig. Aber uns betraf das nicht, wir waren ja keine Mütter, sondern Mädchen, und wir standen den Jungs in nichts nach. Wir würden alles, aber sicher das Frausein einmal anders angehen.

Die Lehrerinnen belohnten durchschnittliche Leistungen mit einem Häkchen im Heft, eine Sonne gab es für hervorragende Bemühungen, und es war für uns selbstverständlich, so viele Sonnen wie möglich zu sammeln. Wir begannen das Zeitalter der Alpha-Mädchen, lange bevor der Begriff erfunden wurde: Wir waren die letzten Mädchen in Schweizer Schulen, die noch stricken und flicken mussten, während die Buben geometrisch zeichneten, und wir waren die ersten, die nach der Revision des Lehrplans in den Siebzigern gemeinsam mit den Buben «werken» durften. Als schließlich der Gleichstellungsartikel 1981 tatsächlich bis in die Schweizer Bundesverfassung vordrang, spürten wir pubertierenden Mädchen die Konsequenzen: Wir kochten in der Hauswirtschaftsschule das Süppchen nicht mehr allein. Das prägte. Auch die Jungs.

Die Versuchskaninchen der Emanzipation


Die Geschichte der Generation Golf ist, wenn man sie heute nochmals aufrollt und aus Frauenperspektive weiterschreibt, noch immer keine Geschichte der Revoluzzer. Wir hatten zwar dieselben Forderungen wie unzählige Frauengenerationen vor uns: Recht auf Freiheit, auf Bildung und Erwerbstätigkeit, auf gleiche Chancen. Aber wir hatten nie dafür kämpfen müssen. Die Mauern hatten andere für uns niedergerissen. Wir mussten nur noch aufräumen. Und das tun wir bis heute. Das bedeutet nichts weniger als:...


Binswanger, Michèle
Michèle Binswanger, geboren 1972, studierte in Basel Philosophie und Germanistik. Sie arbeitete als Journalistin für verschiedene Zeitungen und Magazine, war Kulturredaktorin der Basler Zeitung, der Zeitschrift Facts und Leiterin des Mamablog. Heute ist sie Online-Redaktorin beim Tages-Anzeiger. Sie lebt mit ihrer Familie in Basel.

Althaus, Nicole
Nicole Althaus, geboren 1968, ist Journalistin. Nach dem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte arbeitete sie als Kultur- und Gesellschaftsredaktorin für die Zeitschriften Annabelle und Facts. Sie initiierte und leitete den Mamablog bis Herbst 2010. Heute ist sie Chefredaktorin des Schweizer Familienmagazins Wir Eltern. Nicole Althaus lebt mit ihrer Familie in Zürich.



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