E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Anlauf / Nolte Schluss mit Bluthochdruck - Ratgeber von Stiftung Warentest mit Motivationshilfen, Checklisten und kurzen Anleitungen
5. aktualisierte und überarbeitete Auflage 2022
ISBN: 978-3-7471-0620-4
Verlag: Stiftung Warentest
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Vorbeugen, erkennen, behandeln
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
ISBN: 978-3-7471-0620-4
Verlag: Stiftung Warentest
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Prof. Dr. med. Manfred Anlauf war bis 2004 Chefarzt der Medizinischen Klinik II des Zentralkrankenhauses Reinkenheide in Bremerhaven. Seit vielen Jahrzehnten ist er Mitglied der Arzneimittelkommission. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in dem großen Themenspektrum der Erkrankungen, die mit Bluthochdruck einhergehen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Bluthochdruck! Und jetzt?
- Ein fein abgestimmtes System
- Wenn der Blutdruck aus dem Tritt gerät
- Und wenn es andere Umstände sind?
Wie es auch ist: Nehmen Sie es ernst!
- Viele Puzzleteile: Ihr Gesamtrisiko
- Sich vor Folgen schützen
Alles anders? Schritt für Schritt!
- Der Anfang: Selber messen
- Die Macht der Gewohnheit - Gesünder leben – Ihr persönlicher Plan
"Less Stress!" Erfinden Sie Ihren Alltag neu
- Aus der Balance geraten
- Von Atmen bis Taiji: Probieren Sie es aus!
- Die Laster loswerden Das Herz braucht Bewegung
- Anti-Aging-Mittel Nummer eins
- Für jeden etwas: Die besten Sportarten
- Nicht nur was, sondern wie!
Sich herzgesund ernähren
- Zu viel von allem? Prüfen Sie!
- Lecker essen, Vielfalt nutzen
- Abnehmen: Weniger ist mehr
Welches Medikament ist das richtige?
- Das geeignete Medikament aufspüren
- Problem Nebenwirkungen
- Wenn der Druck nicht sinkt
- Irgendwann ohne Medikamente?
Hilfe
- Medikamente im Überblick
- Stichwortverzeichnis
Verantwortung übernehmen
Hand aufs Herz: Haben Sie in den letzten Jahren Ihren Blutdruck regelmäßig überprüft? Oder sind Sie aus allen Wolken gefallen, als bei einer zufälligen Messung hohe Werte herauskamen? Tatsächlich ist Bluthochdruck häufig ein Zufallsbefund. Knapp ein Drittel der Menschen mit einem zu hohen Druck wissen nichts von ihrer Erkrankung. Dabei ist ein Hochdruck kein Kinkerlitzchen – auch wenn es vielleicht so scheint: Denn viele Menschen haben Bluthochdruck und kaum jemand leidet darunter wirklich. Eine Hypertonie – so der fachsprachliche Begriff – macht nämlich meist keine Symptome. Weil Betroffene nichts von ihrer Hypertonie spüren, verdrängen sie oft ihre hohen Werte oder wissen eben gar nichts davon. Jahrelang leben sie mit erhöhten Werten und es passiert erst einmal – nichts.
Doch die Ruhe ist trügerisch. Der hohe Druck schädigt auf Dauer sämtliche blutversorgende Gefäße und damit lebenswichtige Organe, ohne dass wir es zunächst merken. Irgendwann machen sich dann Krankheiten bemerkbar, wie eine Herzschwäche, Nierenschäden oder verkalkte Herzkranzgefäße. Im schlimmsten Fall droht ein Schlaganfall oder Herzinfarkt. Deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Hypertonie zur weltweit größten Gesundheitsgefahr erklärt.
Diese beunruhigenden Nachrichten sind jedoch kein Grund zur Panik. Jede und jeder kann selber viel dafür tun, dass die Werte wieder in Ordnung kommen oder bleiben. Angefangen mit dem regelmäßigen Blutdruckmessen zu Hause (siehe S. 60). In vielen Fällen lassen sich zu hohe Werte regulieren, indem man seinen Lebensstil etwas umstellt. Und wenn das nicht reicht, steht eine Vielzahl von gut untersuchten Medikamenten zur Verfügung. Wenn Bluthochdruck rechtzeitig erkannt und bekämpft wird, stellen sich die bösen Folgen gar nicht erst ein. Es heißt also, Verantwortung für das eigene Wohlergehen zu übernehmen. Und diese Verantwortung sollten Sie in der Arztpraxis nicht abgeben. Sie können zum Beispiel mit Ihrem Arzt diskutieren, ob wirklich ein Medikament nötig ist. Und wenn ja, welches. Je besser Sie informiert sind, desto eher können Sie mit Ihrem Arzt eine gemeinsame Strategie entwickeln. Falls Sie Tabletten nehmen müssen: Die Senkung des Blutdrucks sollten Sie nie alleine den Medikamenten überlassen, sondern weiterhin klug für sich sorgen. Mit Bewegungs-, Ernährungs- oder Entspannungsmaßnahmen stehen die Chancen gut, dass die Dosis der Medikamente herabgesetzt werden kann.
EINMAL IM JAHR: Die Blutdruckwerte sollten mindestens einmal im Jahr überprüft werden. Ab dem 50. Lebensjahr besser halbjährlich. Je älter Sie werden, desto höher ist das Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre die Kosten für einen „Gesundheits-Check-up“. |
Allein die Zahlen sind Grund genug, die Blutdruckwerte im Auge zu behalten: 20 bis 30 Millionen Bundesbürger haben eine Hypertonie, also fast jeder dritte Erwachsene. Unter den 70- bis 80-Jährigen sind sogar drei von vier Menschen betroffen. Bluthochdruck ist die Volkskrankheit Nummer eins in Deutschland.
Ein fein abgestimmtes System
Unser Blut braucht Druck, sonst
kann es im Körper nicht zirkulieren.
Und wir könnten dann nicht
denken, handeln, leben.
Über das Blut werden die Organe, das Gewebe und die Zellen im Körper mit lebenswichtigen Substanzen versorgt: mit Sauerstoff, Fetten, Eiweiß, Kohlenhydraten, Mineralstoffen, Vitaminen und Hormonen. Neben der Versorgung erledigt das Blut die Entsorgung: Abfallprodukte, wie das Kohlendioxid, transportiert es zur Lunge, wo wir es als Gas ausatmen. Beim Einatmen tanken wir das Blut mit Sauerstoff auf. Dieses Blut fließt dann zum Herzen weiter. Dort beginnt der Kreislauf von vorn: Das Herz pumpt Blut in die Adern – durchschnittlich fünf Liter Blut mit 60 bis 80 Herzschlägen in der Minute. Vom Herzen gelangt das Blut zunächst über die Hauptschlagader, die Aorta, in die großen Schlagadern. Diese verzweigen sich in unzählige kleine Arterien, die sich wiederum millionenfach verästeln in winzige, feine Haargefäße, die Kapillaren. Kapillaren sind für den Austausch von Sauerstoff und anderen Stoffen zuständig. Weil sie durchlässig sein müssen, sind ihre Wände sehr dünn. Dagegen haben die vorgelagerten kleinen Arterien, auch Arteriolen genannt, eine sehr kräftige Wandmuskulatur, die es ihnen ermöglicht, sich sehr stark zusammenzuziehen und zu erweitern. So können sie den Blutfluss bedarfsgerecht steuern und die Haargefäße davor schützen, dass das Blut mit zu starkem Druck einströmt. Hauptsächlich in der Hauptschlagader, der Halsschlagader und in den Nierenarterien sitzen Messfühler in der Gefäßwand. Sie können die Dehnung der Arterienwand und damit den Druck des Blutes wahrnehmen. Diese Messstellen sind über Nervenbahnen mit dem vegetativen Nervensystem verbunden, das den Druck regulieren kann.
UNSER KÖRPER MISST DEN DRUCK: Wird signalisiert, dass der Druck die Wände dehnt, senkt sich die Aktivität des Sympathikus (siehe S. 76). In der Folge erschlaffen die Gefäße, das Schlagvolumen und die Schlagfrequenz des Herzens sinken und der Blutdruck fällt ab. Bei zu niedrigen Blutdruckwerten verläuft es umgekehrt: Die sympathischen Impulse verstärken sich, die Gefäße ziehen sich zusammen, das Herz pumpt schneller und kräftiger, der Blutdruck steigt. |
Sowohl das Herz als auch die kleinen Arterien (Arteriolen) spielen eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Blutdrucks. Genau genommen handelt es sich bei den Blutdruckwerten um den arteriellen Blutdruck: Arterien heißen die Blutgefäße, die das Blut vom Herzen wegbefördern. Adern, in denen das Blut aus dem Körper zum Herzen hinströmt, werden als Venen bezeichnet. Der Druck in den Venen ist sehr niedrig und reicht so eben mal aus, eine Strömung zum Herzen zurück aufrechtzuerhalten.
Beim Bluthochdruck geht es auch nur um den Druck in denjenigen Arterien, deren Blut von der linken Herzkammer in den Körperkreislauf fließt. Bei einer Druckerhöhung in Arterien, die von der rechten Herzkammer in die Lunge führen, handelt es sich um eine wesentlich seltenere andere Erkrankung. Bei diesem sogenannten Lungenhochdruck ist der Blutdruck im Lungenkreislauf zu hoch (siehe Grafik, S. 9). Ursache kann eine Lungenerkrankung oder zum Beispiel ein Herzklappenfehler sein. Dieses Krankheitsbild hat also mit dem herkömmlichen Bluthochdruck nichts zu tun.
Das Auf und Ab des Blutdrucks
Der Blutdruck sorgt also dafür, dass das Blut alle lebendigen Strukturen des Körpers in Ruhe und unter Belastung erreicht. Für die bedarfsgerechte Verteilung sorgen die Arteriolen. Beim Aufstehen aus dem Liegen erhöht sich der Blutdruck nach kurzem Absinken meist schlagartig, damit das Gehirn ausreichend durchblutet wird. Denn gegen die Schwerkraft muss das Herz das Blut nach oben in den Kopf pumpen.
HOCH HINAUS: Warum haben Giraffen einen wesentlich höheren Blutdruck als der Mensch? Weil ihr Hals so lang ist! Ohne einen hohen Druck würde das Blut nicht so weit nach oben in den Kopf gelangen. |
Sind wir körperlich aktiv, benötigen bestimmte Muskeln mehr Blut, sodass auch hier die Herzarbeit und der Blutumlauf beschleunigt werden müssen: Der Blutdruck steigt an, die Durchblutung in den Muskeln nimmt zu. Auch Stress und Aufregung sowie andere Gefühle beeinflussen den Blutdruck, denn sie wirken sich auf die Spannung der Blutgefäße aus, die sich dadurch erweitern oder verengen. Und mit steigendem Herzschlag wird mehr Blut in die Arterien gepumpt. Vor einer Prüfung zum Beispiel geht ein hoher Blutdruck mit einem Höchstmaß an Wachheit und Konzentration einher.
Der Blutdruck hängt zudem von der Tageszeit ab: Nachts, wenn wir schlafen, sinkt er normalerweise ab und erreicht häufig gegen drei Uhr morgens einen Tiefpunkt – so auch die Körpertemperatur und Verdauungsprozesse. Danach steigt er wieder an, um uns auf das Aufwachen vorzubereiten. Wenn der Wecker klingelt, klettert er sofort in die Höhe, damit wir aufstehen und rasch aktiv werden können. Den ganzen Morgen über sind wir in der Regel sehr leistungsfähig, der Blutdruck bleibt auf hohem Niveau. Nach dem Mittagessen werden wir müde, der Druck sinkt, denn nun wird Blut für die Verdauung gebraucht. Ein Mittagsschläfchen kann den Druck weiter sinken lassen. Am späten Nachmittag erreichen Blutdruck und Leistungsfähigkeit einen zweiten Höhepunkt. Danach fällt er wieder ab und wir werden wieder müde.
Auch die Temperatur in unserer Umgebung spielt eine Rolle: Bei Kälte ziehen sich die peripheren Blutgefäße zusammen, um...