E-Book, Deutsch, 326 Seiten
Reihe: Tiroler Heimat 85/2021
Antenhofer / Schober Tiroler Heimat 85 (2021)
mit zahlr. Abb.
ISBN: 978-3-7030-6576-7
Verlag: Universitätsverlag Wagner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zeitschrift für Regional- und Kulturgeschichte Nord-, Ost- und Südtirols
E-Book, Deutsch, 326 Seiten
Reihe: Tiroler Heimat 85/2021
ISBN: 978-3-7030-6576-7
Verlag: Universitätsverlag Wagner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Christina Antenhofer, Univ. Prof. MMag. Dr., seit 2018 Universitätsprofessorin für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Salzburg; zuvor assoziierte Professorin für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte des Mittelalters und der Renaissance mit Schwerpunkten auf der Geschichte Tirols, des süddeutschen und oberitalienischen Raums. Richard Schober, tit. ao. Univ.-Prof. Dr., 2003-2010 Direktor des Tiroler Landesarchivs. Forschungsschwerpunkte und zahlreiche Publikationen zu den Themenbereichen Neuere Österreichische Geschichte (16.-20. Jahrhundert) und Tiroler Geschichte.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaften: Allgemeines Jahrbücher, Jahresbände und Almanache
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Deutsche Geschichte Deutsche Geschichte: Regional- & Stadtgeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Kultur- und Ideengeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Europäische Geschichte Europäische Regional- & Stadtgeschichte
Weitere Infos & Material
Hermann Wopfners wissenschaftliche Handschrift in der
WOLFGANG MEIXNER
Einleitung
Hermann Wopfner steht ursächlich mit der Gründung und Ausrichtung der Zeitschrift in Verbindung. Die Bedeutung der Person Wopfners für die Zeitschrift kommt auch darin zum Ausdruck, dass Wopfner ab dem siebten Band (1926) zeit seines Lebens als Herausgeber, ab Band zwölf (1948) mit Franz Huter als Mitherausgeber, geführt wurde. Nach seinem Tode (1963) behielt die Zeitschrift mit dem Vermerk „begründet von Hermann Wopfner“ dessen Erinnerung bis heute bei.
Die Bedeutung Hermann Wopfners für die sowie die landesgeschichtliche Forschung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden bislang weitgehend nur im engeren, zeitgeschichtlich motivierten Anlass zu deren Gründung gesehen und der wissenschaftshistorische Kontext, in dem Wopfner sich bewegte und die Zeitschrift etablierte, blieb unterbelichtet.1 Dieser bestand in einem volkstumsgeschichtlichen Fokus, der sich in der Zeitschrift, neben mehr landesgeschichtlich orientierten Beiträgen, findet.2
In seiner Selbstdarstellung führt Wopfner als Motiv für deren Gründung die „Förderung und Forschung auf dem Gebiet tirolischer Geschichte, Volks- und Heimatkunde“ an.3 Franz Huter zufolge firmierte die Zeitschrift als Nachfolgeorgan der von 1904 bis 1920 erschienenen landesgeschichtlichen , die vom Innsbrucker Statthaltereiarchiv herausgegeben worden waren.4 Diese Verbindung erscheint plausibel, stand Wopfner doch ab 1900 in den Diensten des Statthaltereiarchivs und (ehemalige) Mitarbeiter des Archivs, etwa Hans Voltelini, Karl Klaar, Otto Stolz oder Karl Moeser, publizierten ab Erscheinen in der Zeitschrift.5
Der erste Untertitel der , , zeigt aber, dass die inhaltliche Ausrichtung der neuen Zeitschrift eine andere als die der war.6 Im Mittelpunkt stand nicht nur die bloße Vermittlung von Kenntnissen der Tiroler Landes- und Heimatgeschichte, sondern deren im Sinne der Hervorhebung der Wurzeln der Tiroler Geschichte, insbesondere der Südtiroler Geschichte im . Im nicht namentlich gekennzeichneten Vorwort des ersten Heftes der , das Laurence Cole Hermann Wopfner zuschrieb, wurde postuliert, „daß Südtirol seit vielen Jahrhunderten deutscher Boden ist und zum unveräußerbaren deutschen Besitz gehört“.7 Im Vorwort zum zweiten Heft steigerte sich diese Ansicht in das Diktum auf ein „deutsche[s] Recht auf Südtirol und der Unhaltbarkeit der italienischen Fremdherrschaft“.8 Der nicht genannte Autor bzw. die Autoren des Vorworts verkürzte(n) die Folgen des Ersten Weltkrieges drei Jahre nach Kriegsende und zwei Jahre nach den Friedensverhandlungen von Saint Germain zur , wonach die südlichen Teile Tirols „als Judaslohn für den Verrat an seinen Bundesgenossen“ nicht durch den Sieg auf dem Schlachtfeld, sondern „betrogen von dem amerikanischen Schwindler Wilson“ an Italien abgegeben werden mussten.9 Grund für diesen Unmut war die Teilung Tirols entlang der Wasserscheide, mit Ausnahme des neu geschaffenen Bezirkes Lienz (Osttirol),10 als Folge der Niederlage Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg und des Friedensvertrages von Saint Germain.11 Die komplexen Ereignisse, die zum Kriegseintritt Italiens 1915 und zur Kapitulation der Donaumonarchie geführt hatten, sowie die lange Vorgeschichte der Entstehung des Nationalismus zwischen deutsch- und italienischsprachiger Bevölkerung im Kronland Tirol blieben zugunsten einer Kampfrhetorik ausgeblendet.12 Wopfner fungierte auch als Verfasser einer im Dezember 1918 erschienenen und vom Akademischen Senat der Universität Innsbruck herausgegebenen Denkschrift zur Einheit Deutschtirols und hatte dafür das umfangreichste Kapitel mit dem Titel verfasst.13
Bereits vor und im Zuge der Friedensverhandlungen waren zahlreiche politische, diplomatische und wissenschaftliche Stellungnahmen von Expert*innen zur befürchteten und letztendlich eingetretenen Teilung des Landes abgegeben worden. Diese bewegten sich zwischen geographisch-strategischen Gesichtspunkten und den Forderungen nach einer ethnisch-sprachlich ausgerichteten Grenzziehung. Dabei zeigte sich, dass die Einschätzungen jener Sachverständigen, die Präsident Wilson näherstanden, einflussreicher waren als die „teilweise schon im Laufe des letzten Kriegsjahres erarbeiteten Dossiers eher politikferner Wissenschaftler-Experten“.14 Letztendlich hatte Wilson die Brennergrenze schon sehr früh in den Verhandlungen akzeptiert.15 Wie Oswald Überegger überzeugend formuliert hat, darf die „Konstellation eines regionalen Grenzproblems im Kontext der Pariser Friedenskonferenz nicht losgelöst von seinen internationalen und globalen Zusammenhängen und Verflechtungen gesehen werden – auch und schon gar nicht die Tiroler Frage 1919“.16
Nachdem die Landeseinheit auf dem politischen Feld verloren und ihr Erhalt von Anbeginn an aussichtslos gewesen war, verlagerten sich die Auseinandersetzungen nach innen, zu einem Abwehrkampf gegen die sowie zu einer Ertüchtigung des historischen Bewusstseins im Lande selbst. Dies betraf nicht nur die damalige Zeitgeschichte und deren Deutung des Kriegsendes, sondern auch andere Gebiete der Geschichtswissenschaften, allen voran die Mediävistik, worauf Giuseppe Albertoni hingewiesen hat: „Die historische Forschung wandelte sich hier zu einem Instrument der politischen Auseinandersetzung.“17 Dies wird deutlich, wenn Wopfner in seinem Beitrag im ersten Band der im Kapitel über festhält, dass die „Verwandtschaft der italienischen und ladinischen Sprache […] keine Verwandtschaft der Völker“ beweise:18 „Ladiner und Italiener stehen einander ebenso ferne wie ein englisch sprechender Ire und ein Engländer.“19 Auch zwölf Jahre später, 1933, zu einer Zeit, als sich einige durch Hitlers Machtübernahme in Deutschland wieder Hoffnung auf die Beseitigung des machten,20 formulierte Wopfner in seinem populärwissenschaftlich gehaltenen Beitrag in diese Feststellung, vornehmlich an die Gegenwart und deren politische Verhältnisse gerichtet: Die romanische Sprache der Ladiner „ist nicht – wie wohl von italienischer Seite behauptet wird – ein italienischer Dialekt, sondern – wie unter anderem auch unbefangene, schweizerische Sprachforscher dargetan haben – ein selbständiger Zweig der romanischen Sprachenfamilie“.21
In diesem Kontext erfolgte die Gründung der Zeitschrift , und Hermann Wopfner gehörte zu jener Gruppe von Wissenschaftlern,22 die die offizielle Erinnerungskultur in den 1920er-Jahren mitprägten und ihre wissenschaftliche Publikationstätigkeit fortan in den Dienst für „den Kampf für […] Freiheit und Selbstbestimmung“ sowie zur Stärkung des „Bewußtsein[s] des […] angetanen Unrechtes“ vor allem in der „heranwachsenden Jugend“ stellten.23 Ziel ihres Wirkens und damit auch der ersten Nummern der war der „Nachweis der Einheit Tirol, der Einheit seiner Geschichte, seiner natürlichen Beschaffenheit, seines Volkstums und seiner eigenartigen Kultur“.24
In seinen Erinnerungen schildert Wopfner die Ausrichtung vieler Wissenschaftler25 auf eine politische und kulturelle Auseinandersetzung mit der neuen Staatsmacht südlich des Brenners quasi naturhaft:
„Das traurige Kriegsende forderte von den Lehrern an unserer Universität Mitarbeit an den Versuchen zur Rettung Südtirols, das der italienische Imperialismus von der alten, organischen Einheit Tirol losreißen und seiner Herrschaft unterwerfen wollte. Geographen, Historiker, Romanisten, Germanisten erbrachten den freilich nicht schwer zu erbringenden Nachweis vom alten deutschen Charakter Südtirols und widerlegten die von einer politisierenden italienischen Wissenschaft behauptete alte Italienität Südtirols und den offenkundigen Schwindel von der Naturgrenze Italiens am Alpenhauptkamm.“26
Rückblickend resümierte er jedoch, dass dieses Ansinnen von Anfang an wenig Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Zwar sah und erkannte Wopfner die nationalistischen Prozesse, die im 19. Jahrhundert begonnen hatten und ihren Höhepunkt mit dem Ende des Ersten Weltkriegs erreichten, blieb aber auch dreißig Jahre nach den Friedensverhandlungen bei seiner Erklärung, den Grund der Abtrennung Tirols ausschließlich bei den Staatsmännern der Siegermächte, die nicht sachlich, sondern aus „kriegspolitischer Zwecksetzung“ gehandelt hätten, zu sehen.27
Diese nationalistischen Prozesse waren Folge der wirtschaftlichen Integration des...




