Antz / Bartsch / Hofmeister | »Ich bin dann mal auf dem Weg!« | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 312 Seiten

Antz / Bartsch / Hofmeister »Ich bin dann mal auf dem Weg!«

Spirituelle, kirchliche und touristische Perspektiven des Pilgerns in Deutschland

E-Book, Deutsch, 312 Seiten

ISBN: 978-3-7398-0183-4
Verlag: UVK
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



„Pilgern: Die Suche nach Richtung und Halt im Leben!“

Die Welt ist im permanenten gesellschaftlichen und technischen Wandel begriffen. Zudem hat hierzulande jeder Mensch unzählige Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten. Im Zuge dessen fällt es dem Einzelnen oft nicht leicht, die Orientierung zu behalten. Viele suchen daher nach Richtung und Halt im eigenen Leben. Immer mehr Menschen greifen dabei auf eine Glaubenspraxis zurück, die Jahrtausende alt ist: sie pilgern.

Zahlreiche Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis beleuchten interdisziplinär die spirituellen, kirchlichen und touristischen Perspektiven des Pilgerns in Deutschland. Sie schaffen damit eine eindrucksvolle wissenschaftliche Grundlage zum Thema und Setzen dabei theologische, soziologische, psychologische und touristische Maßstäbe.

Das Buch richtet sich gleichermaßen an Wissenschaftler, Kirchen und Praktiker.
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Spirituelle Reisen:
Können Kirchen und Tourismus gemeinsam Gäste finden?
von Christian Antz
Abstract Spiritueller Tourismus bettet sich in die parallelen Entwicklungen auf dem Reisemarkt ein, die durch Individualisierung, Hybridität und Markenorientierung geprägt sind. Dabei spielt die Sinnorientierung vor dem Hintergrund der globalen Krisen in Natur, Wirtschaft oder Politik eine entscheidende Rolle. Nur so sind die divergierenden Entwicklungen des spirituellen Reisens zu verstehen. Einerseits hält die Welle der Kirchenaustritte bei den christlichen Kirchen seit Jahren weiter an, so dass allein 2013 die katholische Kirche 180 Tsd. und die evangelische Kirche 150 Tsd. Mitglieder verloren hat. Die Kirchenabstinenz beruht u. a. auf dem Wunsch, sich nicht mehr längerfristig zu binden, der Mobilität der Bevölkerung und der Unzufriedenheit mit der Institution Kirche. Trotzdem sind 2011 noch 28 % der Deutschen in Berlin und sogar 76 % in Bayern Mitglieder der christlichen Kirchen. Andererseits bezeichnen sich nach dem Bertelsmann Religionsmonitor 2008 noch überwältigende 70 % der Deutschen als religiös. Und Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“, mit dem 2006 der Pilgerhype in Deutschland so richtig einsetzte, war im säkularen Ost- wie im christlichen Süddeutschland gleichermaßen das meistverkaufte Sachbuch mit insgesamt 3 Mio. Exemplaren 2006/2007. Daraus entstand ein Paradigmenwechsel auch im Reisemarkt, auf den Kirchen und Tourismus noch unzureichend reagieren. Deshalb wurde auch die Begrifflichkeit in der Forschung 2006 von Religionsgeografie in den Containerbegriff des Spirituellen Tourismus verwandelt. Denn der Gast von heute ist immer noch unterwegs zu heiligen Orten (Suche nach Gott und Glauben), mehr jedoch zu sich Selbst (Sinnreise ins eigene Ich). Die unterschiedlichen Suchbewegungen der Menschen in Urlaub und Freizeit können somit nicht in der emotionalen Nachfrageransprache, aber bei der internen Anbieterkommunikation begrifflich unter dem Dach des Spirituellen Tourismus gebündelt werden. In Mitteleuropa steht das Christentum als gemeinsames kulturelles Orientierungssystem im Fokus des Spirituellen Reisens. Da deren 2.000 Jahre alten Werte, Bräuche und Riten – man denke nur an die Feier- und Namenstage – auch unterbewusst unser tägliches Leben prägen, sind sie mehr als eine Alternative zu außereuropäischen Religionen. Entscheidend für das christliche Angebot scheint jedoch gerade heute der Heilige Ort zu sein, der als authentischer Anziehungspunkt für Touristen des spirituellen wie kulturellen Reisens unabdingbar ist. Ziel aller Bemühungen ist es, sich über den engen Kreis der christlichen Nachfrager den gesamtgesellschaftlichen Kundengruppen europäischchristlicher Tradition zu öffnen. Denn in Österreich firmieren diese vernetzten Angebote unter dem Slogan „Energie für die Seele tanken“ und in Deutschland noch grundsätzlicher unter dem Titel „Atem holen“. Und diese Angebote gilt es weiterhin im gesamten Spektrum des Spirituellen Tourismus zu heben, am Gast orientiert aufzuarbeiten und zeitgemäß verpackt zu vermarkten. Darin besteht eine große Chance für den Zugang zu den Nachfragern bei Kirche wie im Tourismus. 1 Was ist und von was handelt Spiritueller Tourismus?
Kommt beim säkularen und rationalen Menschen des 21. Jahrhunderts der Wunsch nach Geborgenheit und Aufgehobensein zurück? Nach allen Analysen wird die deutsche Jugend auf der einen Seite immer kommerzialisierter, egoistischer und werteferner und auf der anderen Seite keimt in ihr eine Sehnsucht nach Sinn und Sinnlichkeit. Auf der einen Seite verlieren die christlichen Kirchen kontinuierlich ihre Mitglieder und auf der anderen Seite steigt die Nachfrage nach Traditionen und Ritualen, Gottes- und Nächstenliebe. Liefern die zweitausend Jahre alten, traditionsgeladenen oder familienorientierten Regeln des Christentums Antworten auf die Fragen unserer Zeit? Lassen sich daraus in Freizeit und Tourismus entsprechende Angebote entwickeln, die von unterschiedlichen Zielgruppen nachgefragt werden? Die Fakten sprechen dafür. Die von dem evangelischen Hamburger Pastor Hinrich Westphal 1997 gegründete ökumenische Aktion „Andere Zeiten“ will beispielsweise „einer kommerzialisierten Gesellschaft etwas Spirituelles entgegensetzen“. Auf der einen Seite soll das Leben und sollen die Jahre durch das Christentum, durch Sonn- und Festtage, wieder Rhythmus, Ordnung, Ritualität bekommen; auf der anderen Seite bietet das Christentum konzentrierte Mystik, Sinnlichkeit, Emotionalität. Nur über das anonyme Internet und persönliche Kontakte wurden unter anderem von 2000 bis 2009 von Hamburg aus eine Million kleiner, gemeinsam mit dem Benediktinerkloster Maria Laach hergestellter Bronzeengel verkauft – es scheinen eben „Andere Zeiten“ zu sein und zu kommen. Fast sechs Jahre lang haben Kirchen und Tourismus in Sachsen-Anhalt um den Begriff einer sich neu entwickelnden Lebens- und Reiseform gerungen, bis als gemeinsamer Nenner 2006 das Begriffspaar des Spirituellen Tourismus herauskam.1 Allein über die Definition von Spiritualität gibt es innerhalb und zwischen den christlichen Kirchen sowie zwischen anderen Wissenschaftsdisziplinen keine einheitliche Deutung. Im Kern des Wortes findet sich der Begriff Geist, wobei die biblische und frühchristliche Auslegung die Lebensausrichtung auf den Heiligen Geist meinte. Heute wird Spiritualität vor allem als gesellschaftliches Modewort gebraucht, das gerade in seiner verheißungsvollen Unbestimmtheit keiner Ausrichtung auf ein religiöses Bekenntnis bedarf. So werden in dem Wortpaar Spiritueller Tourismus zwei auf den ersten Blick widersprüchliche Strömungen zusammengefasst: Geist und Materie, Religion und Wirtschaft, Kirche und Welt. Dieser scheinbare Dualismus bringt aber letztendlich den Inhalt dieser Reiseform auf den Punkt. Die scheinbare Interpretationsvielfalt macht den Spirituellen Tourismus zu einem Containerbegriff für verschiedene Tendenzen auf dem heutigen und künftigen Reisemarkt, die sonst schwer zu definieren wären. Bislang wurden Formen des spirituellen Reisens, vor allem die Pilgerreise als älteste Form des Tourismus, unter dem Begriff des Religionstourismus zusammengefasst. Dieser auf religiöse Reisemotive beschränkte Begriff vernachlässigt aber den aktuellen Trend zur allgemeinen Sinnsuche und entpuppt sich damit als eher begrenzender Schubladenbegriff. Während im Religionstourismus die (Volks-)Frömmigkeit, die Gemeinschaft, die Außengerichtetheit im Vordergrund steht, sind es beim Spirituellen Tourismus heute eher die Gegenwelt zum Alltag und die Innengerichtetheit. Die Offenheit und Anwendbarkeit des Dachbegriffes Spiritueller Tourismus dokumentiert sich auch in der Entwicklung des gesamten Reisemarktes. Während die Themen des spirituellen Reisens noch 2006 klar dem Kulturtourismus zuzuordnen waren, haben sich bis 2015 die Angebote als Mischformen von Kultur-, Natur-, Aktiv- oder Gesundheitstourismus neu entfaltet. Im endkundenorientierten Tourismusmarketing hat dieser unemotionale Terminus technicus jedoch nichts zu suchen; er fasst nur die Phänomene für die (Tourismus-)Wissenschaft und die (Tourismus-)Wirtschaft backstage zusammen. Vorsicht ist auch bei der Überforderung des Begriffs geboten. Mittlerweile ist der Spirituelle Tourismus zu einem Vehikel gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen geworden, bei denen es insgesamt um die Vermittlung von spirituellen und religiösen Inhalten mit anderen Methoden geht. Diese Gefahr birgt der Begriff selbst in sich, da seine Definition so weite Interpretationsmöglichkeiten zulässt. Spirituelles Reisen nach der in Sachsen-Anhalt entstandenen Definition füllt die Bandbreite von einer gesamtgesellschaftlichen Reise ins Ich (Selbsttranszendenz) bis hin zu einer speziell touristischen Reise an die Grenzen seiner selbst (Heilige Orte) aus.2 Damit sind auch die künftigen wissenschaftlichen Verfahren festgelegt. Nur in einem interdisziplinären Forschungsansatz zwischen Theologie und Tourismus, Soziologie und Ethnologie, Geographie und Philosophie sowie weiteren Wissenschaften lassen sich die Phänomene dieses zukunftsträchtigen Reisemarktes erschließen und analysieren. Allein mit der Festlegung auf die Religionsgeographie sind die Fragen der Kunden nicht zu beantworten. Dies hat auch die erste große wissenschaftliche Tagung zum Thema gezeigt, die die Deutsche Gesellschaft für Tourismuswissenschaft unter dem Titel „Spiritualität und Tourismus. Perspektiven zu Wandern, Wellness und Pilgern“ 2009 in Eichstätt ausgerichtet hat.3 Die Tourismuswissenschaft und die -wirtschaft haben das wirtschaftliche Potenzial des Spirituellen Tourismus bislang als nicht marktrelevantes Nischenthema noch vielfach unterschätzt; Theologie und Kirche stehen diesem neuen Reisetrend wegen seiner ökonomischen Ausrichtung und seinem breiteren, nicht nur auf die Religion ausgerichteten Ansatz eher skeptisch gegenüber. Beide könnten mit ihrer defensiven Haltung eine wichtige Handlungschance verpassen. Bayern wird dagegen seiner Vorreiterrolle im Deutschlandtourismus weiter gerecht, indem Bayern Tourismus Marketing und Kirchen...


Dr. Georg Hofmeister ist Geschäftsführer der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen.


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