E-Book, Deutsch, 368 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 215 mm
Arnold Albert Schweitzer
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-374-06105-1
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Seine Jahre im Elsass (1875–1913)
E-Book, Deutsch, 368 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 215 mm
ISBN: 978-3-374-06105-1
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Matthieu Arnold legt eine gründliche Untersuchung über Albert Schweitzers elsässischen Lebensabschnitt bis zur Ausreise nach Afrika vor (1875-1913). Er stützt sich dabei auf bisher kaum ausgewertete deutsche und französische Quellen sowie unveröffentlichte Dokumente (Briefwechsel). Detailliert wird Schweitzers Entscheidung zum Aufbruch nach Afrika nachgezeichnet. Dabei kommen auch die unverbrüchliche Freundschaft und Unterstützung von Helene Bresslau (seiner späteren Frau), sein langes medizinisches Vollstudium und die – wegen der politischen Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich – aufreibenden Verhandlungen mit der Pariser Missionsgesellschaft zur Sprache.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Europäische Geschichte Europäische Regional- & Stadtgeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtswissenschaft Allgemein Biographien & Autobiographien: Historisch, Politisch, Militärisch
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Deutsche Geschichte Deutsche Geschichte: Regional- & Stadtgeschichte
Weitere Infos & Material
HINFÜHRUNG
Der vertraute und verkannte Albert Schweitzer Meine erste Begegnung mit Albert Schweitzer ergab sich über das Sammeln von Briefmarken (die Philatelie). Ich war 10 Jahre alt, als 1975 die 100-jährige Wiederkehr seines Geburtstages gefeiert wurde. Meine Eltern schenkten mir damals einen »Ersttags-Brief« mit dem Porträt des »großen Doktors« von Lambarene, diesen stattlichen älteren Herrn mit Schnurrbart und weißen Haaren. Dann half mir die Lektüre eines Comicheftes über Schweitzer, meine ersten Eindrücke zu vertiefen. Erst mit Beginn meines acht Jahre später aufgenommenen Studiums der evangelischen Theologie in Straßburg wurde mir in den Vorlesungen von Etienne Trocmé (1924–2002) und über die Lektüre seiner Werke die Bedeutung Schweitzers als Exeget des Neuen Testaments bewusst. Außerdem verdanke ich Gabriel Vahanian (1927–2012) den Zugang zu dem Erkenntnisreichtum seines ethischen Denkens, während mir Marc Philonenko (*1930) die Ästhetik seiner Schriften über den Apostel Paulus erschloss. So trat an die Stelle der Begeisterung des Schülers und dann des Jugendlichen für den nach Afrika aufgebrochenen Arzt das Interesse für das Denken Schweitzers als Theologe und Philosoph. Meine ersten, von Marc Lienhard (*1935) betreuten kirchengeschichtlichen Arbeiten, die sich mit der Geschichte der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Straßburg beschäftigten, brachten dann auch einen erneuten Kontakt mit Schweitzer mit sich. Zum gleichen Zeitpunkt erzählte mir Oscar Cullmann (1902–1999), der zweite große evangelische Theologe des 20. Jahrhunderts aus dem Elsass, nicht nur einmal, wie Schweitzers zweite Reise nach Lambarene verlief: Im Jahre 1924 wohnte Cullmann im Straßburger Thomas-Stift und half mit anderen Studenten bei den Vorbereitungen zu dieser Reise, indem sie das gespendete und gesammelte Material in unzählige Kisten verstauten. Dank der im Jahre 1995 erschienenen, von Jean-Paul Sorg besorgten Anthologie konnte ich mir einen fast vollständigen Überblick zu Schweitzers Werk verschaffen, wobei allerdings sein seelsorgerliches Wirken noch völlig unbekannt blieb. Im Jahre 1997 habe ich den Ruf an die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Straßburg erhalten und ging nach einigen Jahren regelmäßig auf Schweitzer in meinen Vorlesungen zur Geschichte des Christentums ein. Schweitzer als Prediger rückte mit der Edition neuer Quellen (2001) immer stärker ins Blickfeld. Bereits beim ersten Lesen erkannte ich den Wert seiner einfachen wie tiefgründigen Predigten, denen jedes übertriebene Pathos abging, die aber überreich an christlicher Erkenntnis und geistlichem Zuspruch waren. Ab 2005 konnte ich unmittelbar den Fortgang der umfangreichen Edition von Schweitzers Briefwechsel mit Helene Bresslau, seiner späteren Ehefrau, verfolgen. Aus der Lektüre dieser in die Hunderte gehenden Predigten und Briefe, denen ich mehrere Aufsätze widmete, gewann ich die Überzeugung, dass eine Biographie über Schweitzer diese außerordentlich wertvollen Quellen nicht mehr übergehen kann, auch wenn ihre Auswertung eine immense Arbeit darstellte. So hat mich der christliche Denker Albert Schweitzer nach dem Reformator Martin Luther (1483–1546) die letzten zwanzig Jahre am meisten beschäftigt. Schweitzer ist vier Jahrhunderte nach dem Reformator geboren und steht uns als Zeitgenosse mit seiner geistigen Universalität verständlicherweise näher als Luther. Und doch lassen sich Beziehungen zwischen ihm und dem Begründer des Protestantismus herstellen: ihre jeweilige Biographie zeigt zwei unabhängige Männer, die sich von oft materialistischen Urteilen und Wertvorstellungen ihrer Zeitgenossen gelöst haben, weil sie in Jesus Christus ihren alleinigen Herrn erkannt haben. In ihrem Denken wurde ihnen von Jesus Christus ein Auftrag zuteil, und nur er allein hat ihr Handeln bestimmt. Mit dem vorliegenden, die Jahre 1875 bis 1913 umfassenden Buch verfolge ich die Absicht, weniger bekannte Facetten Schweitzers im Hintergrund des Porträts eines willensstarken älteren Herrn aufzudecken: das zurückhaltende Kind, den eher als Sonderling geltenden jungen Mann, dessen »bester Freund« eine … Freundin war, und der seine Nächte am Schreibtisch verbrachte. Ich will ins Gedächtnis rufen, dass der »große Doktor« vor allem Pfarrer, Universitätsdozent und Musiker gewesen ist, bevor er Mediziner wurde. Das intensive Quellenstudium hat mich zur Überzeugung gebracht, dass dieser geschätzte Seelsorger, glänzende Theologe und gefragte Konzertorganist nicht unbedingt Straßburg im Frühjahr 1913 verlassen musste. Es taten sich nämlich für ihn andere Berufsfelder auf. Für mich war es wichtig, gerade diese äußerst faszinierende Zeitspanne näher zu erhellen, weil sich darin Schweitzers Jahre des Suchens, Fragens, ja sogar des Zweifelns über seinen beruflichen Lebensweg spiegeln. In diesen an Perspektiven und Möglichkeiten so reichen Jahren stellten sich auch seine ersten Erfolge ein: in der »Kunst« (Musik) und der »Wissenschaft« (Philosophie und Theologie). Last but not least begann damals seine Freundschaft mit Helene Bresslau, die sich dann zu einer Liebesbeziehung entfaltete. Ergriffenheit und Bewunderung hat sich beim Schreiben dieses Buches zuweilen bei mir eingestellt. Mich ergriff dieser junge Mann, der mit Herannahen seines 30. Lebensjahres immer fieberhafter den Weg suchte, mit dem er Jesus in einem »rein menschlichen« Werk dienen könne. Ergriffen war ich auch von der beständigen Zuversicht Helene Bresslaus, die viel früher als ihr »Béry« von ihrem gemeinsamen Lebensweg überzeugt war. Bewundert habe ich die zupackenden Predigten des jungen Vikars, der ein starkes Mitgefühl für die Leiden der Afrikaner entwickelte und die verheerenden Schäden des Nationalismus beim Namen nannte. Bewundert habe ich zudem seine brillanten wissenschaftlichen Schriften, seine tiefen persönlichen Beziehungen zu seinen Gemeindemitgliedern und zu seinen Studenten. Nicht zuletzt hat mich seine Schaffenskraft und seine Entschlossenheit beeindruckt, trotz vielfältiger und verschiedenartigster Hindernisse, die sich ihm entgegenstellten, den Aufbruch nach Afrika zu wagen. Wenn auch meine Ergriffenheit und Bewunderung gewiss an manchen Stellen des nachfolgenden Textes aufscheinen, so meine ich doch, dass mich die kritische, ohne jedes Vorverständnis auskommende Auswertung der gedruckten wie ungedruckten Quellen davor bewahrt hat, in hagiographische Verehrung zu verfallen. An keiner Stelle habe ich mich bewusst von der Verpflichtung des Historikers entfernt, die für mich darin besteht, zu verstehen und verständlich zu machen. Mit Blick auf die gebotene Beschränkung des Umfangs dieses Buches, das ein breiteres Lesepublikum erreichen will, musste ich eine Auswahl aus dem immensen Schrifttum Schweitzers treffen. Der Leser soll vor allem Bekanntschaft machen mit den von mir zitierten Texten. So kann er meine oft überraschenden Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auch mit Schweitzers jederzeit anregendem und in vieler Hinsicht so aktuellem Werk vertraut machen. Dass ich in vorliegendem Buch auf viele unveröffentlichte Quellen zurückgreifen konnte, verdanke ich vor allem der Mithilfe, die mir im Zentralarchiv Albert Schweitzer (Günsbach) zuteil geworden ist: Damien Mougin, Vorsitzender des Französischen Freundeskreises Albert Schweitzer (AFAAS), und Nicolas Guhring, dann Christoph Wyss, Präsident der Internationalen Vereinigung des Werks von Dr. Schweitzer in Lambarene (AISL), Romain Collot (Archivleiter), dann Jenny Litzelmann, Direktorin des Schweitzer-Hauses und Pascale Kientz. Sie alle haben mir bereitwillig und wiederholt ihre Zeit in Günsbach geopfert. In Paris haben mir Claire-Lise Lombard und Jeanne Blanche als Mitarbeiterinnen in der Bibliothek der Missionsgesellschaft Zugang zum Briefwechsel zwischen Schweitzer und der Pariser Mission gewährt. Dem Generalsekretär der UEPAL (Union des Eglises protestantes d’Alsace et de Lorraine/ Union der protestantischen Kirchen von Elsass und Lothringen) ist zu verdanken, dass ich den Pfarrakt von Schweitzer (Archiv der Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Elsass und Lothringen) einsehen konnte. Überaus freundliche Aufnahme erfuhr ich in der protestantischen Mediathek, im Departement-Archiv des Unterelsass (Bas-Rhin) und in der National- und Universitätsbibliothek (BNU, Strasbourg), vor allem von Laura Blasutto, Noémie Mérieau und Madeleine Zeller. An der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Straßburg hat mir Dekan Rémi Gounelle erlaubt, die Protokollniederschriften zu den Sitzungen des Fakultätsrates einzusehen. Die Forschungsgruppe der protestantischen Theologie unter der Leitung meines Kollegen Christian Grappe hat mehrmals die Finanzierung meiner Reisen nach Günsbach und Paris übernommen. Corine Defrance, Forschungsdirektorin am CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique) und Spezialistin für Geschichte der Gegenwart, sowie René Heyer, Prof. an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Straßburg, haben es sich nicht nehmen lassen, mein Manuskript vollständig durchzulesen und haben mir wertvolle Hinweise gegeben. Benoît Wirrmann (BNU) und Jonathan Nubel haben meine Kenntnisse über Schweitzer als Biographen Bachs dankenswerterweise vertieft. Wertvolle Hinweise verdanke ich zudem Honorardekan Marc Lienhard, Christian Wolff, dem ehemaligen Konservator am Departement-Archiv des Unterelsass, sowie den Pfarrern Pierre Michel und Gustave Koch. Mein Vater, Dr. Pierre Arnold, hat mir als ehemaliger Abteilungsleiter der Kardiologie am Krankenhaus Pasteur (in Colmar) die große Freude bereitet, das Kapitel über Schweitzers Medizinstudium kritisch zu lesen. Der in der Schweitzer-Forschung bekannte Jean-Paul...