E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Ashford Spiel der Sinnlichkeit
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7515-1295-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7515-1295-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit ihrer Schauspielertruppe reist Deborah durchs Land - bis sie einwilligt, für den unwiderstehlichen Duke of Cirencester zu lügen. Erst hat er sie in der Hand, dann in seinen starken Armen! Und wenn der Duke sie heiß liebt, wünscht Deb, der Vorhang dieses gefährlich sinnlichen Spiels würde niemals fallen ...
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2. KAPITEL
Während Deb durch den Wald lief, wischte sie vom derben Wollstoff ihrer Jacke und den Kord-Breeches die Kiefernnadeln, die seit der Landung auf der anderen Seite der Grenzmauer von Hardgate Hall daran hafteten.
Auf dem Weg zwischen den alten Eichen zu der Lichtung, wo die Pferde warteten, stellte sie sich vor, was für ein Gesicht der Onkel machen würde, wenn er ihren Brief las. Und wenn er sah, welche Seite sie aus einem seiner Bücher entfernt hatte …
Obwohl sie lächeln musste, empfand sie neuen Ekel und sog die frische Waldluft tief in ihre Lungen, um den Abscheu zu verscheuchen, den Hugh Palfreymans lasterhaftes Geheimnis ausgelöst hatte.
Und dann fragte sie sich wieder einmal, warum ihre Mutter so eifrig bestrebt gewesen war, eine Versöhnung mit einem Bruder zu erzielen, der sie so grausam aus ihrem Elternhaus gejagt hatte.
In ihrem neuen Leben war Mama nicht unglücklich gewesen. Sie hatte ihre Tochter innig geliebt, ebenso ihren Ehemann, Gerald O’Hara, den Schauspieler und Leiter der Lambeth-Truppe. Auch Deb hatte ihren klugen, fürsorglichen Stiefvater sehr geliebt. Vor zwei Jahren hatte sie, einige Zeit nach dem Tod der Mutter, einen weiteren Schicksalsschlag verkraften müssen, denn Gerald war einer schweren Lungenkrankheit erlegen. Kurz davor hatte er ihr die Verantwortung für die Wanderbühne übertragen.
„Oh nein, Gerald, diese Pflicht darfst du mir nicht aufbürden. So etwas kann ich nicht, dafür bin ich zu jung.“ Verzweifelt hatte sie neben dem Krankenlager gekniet und sich so schrecklich allein gefühlt. Bitte, stirb nicht, beschwor sie in Gedanken den Mann, der ihr ein so wunderbarer Vater gewesen war. Lass mich nicht auch noch allein …
„Natürlich kannst du es, mein tapferes Mädchen.“ Trotz seiner Schwäche umklammerte er ihre Hand. „Seit mich diese verdammte Krankheit heimgesucht hat, hältst du die Truppe zusammen. Glaubst du, ich merke nicht, wie oft alle Schauspieler zu dir kommen und dich nach deiner Meinung fragen? ‚Gehen wir zu Miss Deb‘, höre ich sie immer wieder sagen, ‚sie wird es wissen.‘“
„Sollte nicht Francis Calladine die Leitung übernehmen? Er hat die meisten Erfahrungen gesammelt. Immerhin ist er in London am Drury Lane aufgetreten.“
„Und er wird nicht müde, uns ständig darauf hinzuweisen.“ Ein ironisches Lächeln verzog Geralds wachsbleiches Gesicht. „Nein. Francis ist ein großartiger Tragöde. Aber die Leute wollen unterhalten werden, und dafür besitzt du genau den richtigen Instinkt. Außerdem bist du eine ebenso gute Darstellerin wie all die eleganten Diven am Drury Lane.“
Deb seufzte tief auf. „Danke für das Kompliment, Gerald. Trotzdem traue ich mir die Rolle der Leiterin nicht zu und …“
„Eines Tages wirst du London im Sturm erobern, mein Mädchen“, unterbrach er sie. „Ja, eines Tages …“
Plötzlich begann er zu husten. Voller Sorge hielt sie ein Glas Wasser an seine Lippen.
Seit Jahren träumten sie von einem eigenen Theater in London. Wenn die Lambeth-Truppe einen reichen, großzügigen Gönner fände, betonte Gerald immer wieder, könnten sie das mühsame Dasein einer Wanderbühne aufgeben. Ein kleines Theater am Stadtrand würde ihnen genügen. „Stell dir vor, was für großartige Stücke wir in unserem eigenen Haus aufführen würden, Deb …“
Die anderen Mitglieder der Truppe gaben sich mit den alljährlichen Rundreisen zufrieden. Auf Jahrmärkten und vor Pferderennbahnen errichteten sie ihre Bühne und amüsierten das Publikum erfolgreich mit verschiedenen Komödien, Singspielen und Dramen. Shakespeare war Geralds Favorit. Aber ein altes Gesetz verbot kleinen Theaterkompanien die Aufführung ganzer Shakespeare-Stücke. Deshalb studierte Gerald mit seinen Schauspielern einzelne Szenen ein: Macbeth und die drei Hexen, die Rede Henrys des Fünften vor der Schlacht von Agincourt, Romeos und Julias Balkon-Szene.
„Irgendwann, Deb“, hatte er einmal zu ihr gesagt, „wenn wir unser eigenes Theater haben, führen wir die ganzen Shakespeare-Dramen auf, und die Londoner Gesellschaft wird uns zu Füßen liegen.“
Doch dann war er gestorben. Die Mutter in so jungen Jahren zu verlieren, hatte Deb das Herz zerrissen. Nun musste sie auch noch ohne den geliebten Stiefvater in die Zukunft blicken, ohne ihren Beschützer und Lehrer, dem sie so viele geistige Anregungen verdankte. Am Tag nach der Beerdigung hatte sie vor dem Grab gekniet und geflüstert: „Ich kann unmöglich deine Nachfolge antreten, Gerald. Mit meinen zwanzig Jahren bin ich viel zu jung dafür.“
Das hatte sie noch am selben Abend den Lambeth-Schauspielern zu erklären versucht. Um nach Geralds Tod über die gemeinsame Zukunft zu beraten, hatten sie sich in einer Taverne versammelt. Und es war Francis, der loyale Francis, der sich für sie eingesetzt hatte. „Natürlich muss eine O’Hara das Zepter schwingen.“
Ihre Weigerung war entschieden ignoriert worden, alle hatten ihr uneingeschränktes Vertrauen ausgesprochen. Da war ihr nichts anderes übriggeblieben, als Geralds Wunsch zu erfüllen. Gerührt hatte sie sich geschlagen gegeben und beschlossen, ihr Bestes zu tun, um den Fortbestand der Lambeth-Truppe zu sichern.
Und heute war ihr ein verheißungsvoller Anfang gelungen. Frohen Mutes eilte sie durch den Wald zur Lichtung und konnte es kaum erwarten, Francis und Luke von ihrem Erfolg in Palfreymans Bibliothek zu erzählen.
Als es zwischen den Bäumen etwas heller wurde, beschleunigte sie ihre Schritte. Mittlerweile hatte es zu regnen aufgehört. Bald sah sie Francis und Luke, die ihr den Rücken zuwandten, in ein lebhaftes Gespräch vertieft.
Etwas abseits grasten die alte Stute und die beiden Ponys – und …
Verwirrt hielt Deb inne. Neben den Pferden stand ein viertes, das sie nie zuvor gesehen hatte: ein großer, schöner Brauner mit einem weißen Fleck auf der Stirn. Ein kostbares Tier. Seltsam … Und dann sah sie etwas, das ihr das Blut fast gefrieren ließ. Mitten auf der Lichtung lag ein regloser Mann, an den Handgelenken und Beinen mit Stricken gefesselt. Ein seidenes Halstuch war benutzt worden, um ihm die Augen zu verbinden.
Großer Gott, atmet er noch?
Ganz langsam wandte Deb sich zu ihren beiden Gefährten, die sie entdeckt hatten und zu ihr rannten. „Francis! Luke! Was, um Himmels willen …“
„Wir haben ihn, Miss Deb!“, jubelte Luke.
„Ja“, bestätigte Francis und zeigte auf den Gefangenen. „Wir mussten uns beeilen, denn er galoppierte durch den Wald. Direkt in die Richtung von Hardgate Hall! Da wussten wir, dass wir etwas tun mussten, Deborah. Sonst wärst du ihm begegnet.“
In wachsendem Entsetzen musterte sie wieder den offenbar bewusstlosen Gefesselten. „Und … und was glaubt ihr, wer das ist?“, stammelte sie.
„Natürlich Hugh Palfreyman!“, verkündete Luke triumphierend.
Deb starrte den Fremden sprachlos an. Um die Dreißig, schätzte sie, groß und schlank, wie ein reicher Gentleman gekleidet. Unter dem aufgeknöpften Mantel trug er einen geöffneten Reitrock aus edlem Tuch und ein feines Leinenhemd mit spitzenbesetzten Rüschen an den Handgelenken. Der Hut war ihm vom Kopf gefallen, sein dichtes schwarzes Haar glänzte vom Regen.
Und sein Gesicht … Wegen des Seidentuchs sah sie seine Augen nicht – aber ein markantes Kinn und eine ebenso prägnante Nase. Beides schien auf Arroganz und Dominanz hinzuweisen. Das steigerte ihre Angst. Gleichzeitig weckte es ihren Zorn. „Das ist nicht Hugh Palfreyman!“, erklärte sie ihren Gefährten.
Lukes Kinnlade klappte nach unten. „Aber er muss es sein, Miss Deb.“
„Warum?“, fragte sie in täuschend ruhigem Ton.
„Weil er auf Palfreymans Pferd saß. Da drüben sehen Sie’s. Erst heute Morgen haben Francis und ich es am Rand von Oxford bewundert, während es vor der Schmiede beschlagen wurde. Zwei Burschen mussten das lebhafte Tier festhalten. Danach erzählte uns einer, wem es gehört …“ Lukes Stimme erstarb, als er sah, wie Deb ihn anfunkelte.
„Glaubst du wirklich, in ganz Oxfordshire gibt es nur einen einzigen Braunen mit einem weißen Fleck auf der Stirn, Luke?“ Ebenso wie Francis schwieg der Junge. Seufzend wies Deb auf den Gefangenen. „Das ist nicht Hugh Palfreyman. Dem sieht er nicht einmal ähnlich. Und außerdem – selbst wenn er es wäre? Seit wann sind wir Wegelagerer? Wieso musstet ihr ihn bewusstlos schlagen?“
„Das haben wir nicht getan!“, protestierte Francis gekränkt. „Wir wollten nur sein Pferd aufhalten, damit du ihm nicht über den Weg läufst. Aber er ritt sehr schnell, und da … und da …“
„Da stürzte er auf den Boden, Miss“, ergänzte Luke.
„Und dann?“ Deb erschauerte.
„Dann dachten wir natürlich“, fuhr Francis fort, „wir sollten ihn besser fesseln und ihm die Augen verbinden. Denn er durfte dich nicht sehen, wenn du hier auftauchen würdest, nicht wahr?“
„Wird er jemals wieder zu sich kommen?“, murmelte sie. Wie konnten sie nur so eine Riesendummheit machen?
Nun wurde Luke nervös. „Er atmet noch. Das haben wir festgestellt.“
Deb lief zu dem ohnmächtigen Mann, kniete neben ihm nieder und neigte sich zu ihm hinab. Prüfend strich sie über seine Gliedmaßen. Anscheinend war er nicht schwer verletzt, die Knochen wirkten weder gebrochen noch verrenkt, und sie sah kein Blut. Als sie die Innenseite eines Handgelenks berührte, spürte sie starke, gleichmäßige Pulsschläge. Aber – oh Gott, was würde geschehen, wenn er erwachte und seine Fesseln bemerkte? Und wer um alles in der Welt ist er?
Vorsichtig griff sie in die Tasche seines...




