Atlas | Die Femminielli von Neapel | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 4, 212 Seiten

Reihe: Transkulturelle Studien

Atlas Die Femminielli von Neapel

Zur kulturellen Konstruktion von Transgender
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-593-40869-9
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Zur kulturellen Konstruktion von Transgender

E-Book, Deutsch, Band 4, 212 Seiten

Reihe: Transkulturelle Studien

ISBN: 978-3-593-40869-9
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Femminielli werden als Jungen geboren, nehmen später weibliche Namen an, kleiden sich und formen ihre Körper nach weiblichen Vorbildern. Sie bilden damit eine lokale Form von Transgender aus, die sich von derjenigen trans- und intersexueller Menschen unterscheidet. Marco Atlas ist dem Alltag von Femminielli in Neapel gefolgt: In seiner Studie untersucht er die hundertjährige lokale Geschichte sowie die heutigen Lebensverhältnisse dieser Gruppe, ihre Arbeit als Prostituierte, ihre familiären Beziehungen und ihre sozialen Funktionen. An ihrem Beispiel zeigt er, dass diese Geschlechtervariante auch Ergebnis kultureller Konstruktion und Zuschreibung ist, die von Bewunderung bis Abwehr reichen.

Marco Atlas, Dr. phil., ist Ethnologe und Anglist. Er arbeitet als Lehrer im Emsland.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Inhalt;8
2;Danksagung;10
3;Einleitung;12
4;Italiensehnsucht und Mythos eines homophilen Neapels;22
4.1;Reisen ins Land freizügiger Körperlichkeit und Sexualität;22
4.2;Homophiles Neapel: Künstlerischer Gegendiskurs und Mythos;27
4.3;Für eine neue Süditalienethnologie;33
5;Repräsentationen von Femminielli: Zum Forschungsstand;36
5.1;Schreibweisen des Begriffs und ihr grammatikalisches Geschlecht;39
5.2;Analyse einzelner Femminielli-Repräsentationen;43
5.2.1;De Blasio: Kriminologische Anthropometrie und frühe Anthropologie;43
5.2.2;Malaparte, Patroni Griffi und De Crescenzo: Literatur und Stadtfotografie;48
5.2.3;Cederna, Vastano und Paliotti: Touristische Stadtbeschreibungen;56
5.2.4;Pardo: Neuere Stadtethnologie;61
5.2.5;Browning: US-Amerikanische Schwulenbewegung und -forschung;65
5.2.6;D’Agostino: Religionswissenschaftliche Transvestismusstudien;70
5.2.7;Haller: Queere Kulturkritik;75
5.2.8;Repräsentationen von Femminielli-Hochzeiten und la figliata;76
5.2.9;Zwischenfazit;83
6;Ergebnisse der Feldforschung;86
6.1;Zur Ethnografie;87
6.2;Erste Eindrücke: Die schwul-lesbische Subkultur hinter dem Mythos vom homophilen Neapel;91
6.3;Zwei verschiedene neapolitanische Identitätsangebote: Gay und Femminiello;97
6.4;Vorstellungen über Femminielli als Intersexuelle, Transvestiten und Transsexuelle;99
6.5;Die changierende Geschlechtskonstruktion von Femminielli im binären Geschlechtersystem;102
6.6;Die Quartieri Spagnoli als sozialer Raum von Femminielli;105
6.7;Gigi: Meine Hauptgesprächspartnerin;108
6.8;Femminielli und ihre Vernetzungen in die Alltagskultur Neapels;116
6.8.1;Gigis basso als multifunktionaler Frauenraum im Viertel;117
6.8.2;Femminielli und Prostitution als Einkommensquelle;132
6.8.3;Valerias Gelderwerb in der Via Cavone;145
6.8.4;Lellas tombolella;154
6.8.5;Femminielli, die Sphäre des Heiligen und die Institution Kirche;175
6.8.6;O’Rus und Tanias frivole Wallfahrten;181
7;Resümee;200
8;Literatur;208




Als Forschungsstand werden hier alle schriftlichen und visuellen Darstellungen von Femminielli zusammengefasst, die im Rahmen bisheriger Recherchen auffindbar waren. Das schriftliche Material umfasst sowohl kurze Erwähnungen als auch längere Artikel oder Kapitel in Texten verschiedener Genres, von wissenschaftlichen Arbeiten und literarischen Werken bis zu touristischen Stadtbeschreibungen. Zu den bildlichen Medien zählen vereinzelte Fotos. In diesen Darstellungen werden Femminielli aus sehr verschiedenen Perspektiven der jeweiligen Autorinnen und Autoren beschrieben beziehungsweise abgebildet. Im Folgenden erläutere ich zunächst meinen theoretischen Umgang mit den Sekundärmaterialien bevor dann in den anschließenden Unterkapiteln die einzelnen Femminielli-Darstellungen anderer AutorInnen ausführlich diskutiert werden.

Die sehr verschiedenen Darstellungen verstehe ich, einem konstruktivistischen Ansatz, wie ihn die Cultural Studies anwenden, folgend, als Repräsentationen und damit als konkrete Bedeutungszuschreibungen an Femminielli. Stuart Hall (1997) sieht Repräsentationsprozesse ausschlaggebend dafür, wie Bedeutungen hergestellt werden und zwischen den Mitgliedern einer Kultur kursieren.20 Es sei der symbolische Gehalt von Zeichen, der den Objekten, Personen und Ereignissen durch Repräsentationsprozesse Bedeutung verschaffen kann. Hall (1997: 21) schreibt:

»The meaning is not in the object or person or thing, nor is it in the word. It is we who fix the meaning so firmly that, after a while, it comes to seem natural and inevitable. The meaning is constructed by the system of representation.«

Da einzelne Repräsentationen stets bestimmten historischen Kontexten entspringen, welche das repräsentierte Phänomen zusammen mit speziellen Perspektiven der Repräsentierenden vorstrukturieren, müssen diese naturalisierenden Kontexte und Perspektiven kritisch dekonstruiert und als Repräsentationssysteme innerhalb eines Diskurses analysiert werden. Unter Dekonstruktion verstehe ich nach Birgit Wartenpfuhl, die (2000: 132–135) den Begriff ausführlich im Kontext der Arbeiten Derridas erläutert, »Aufmerksamkeit für den Kontext« (ebd.: 133) und Reflexion über das Perspektivische jeglichen Wissens. Foucaults Diskursbegriff beschreibt Hall (1997: 44) als:

»a group of statements which provide a language for talking about – a way of representing the knowledge about – a particular topic at a particular historical moment.«

Nach Hannelore Bublitz (2000: 10) meint Diskurs bei Foucault nicht nur die Rede über etwas, sondern schließt die produktive Macht dieses »Redens « ein, das, von dem gesprochen, geschrieben oder was abgebildet wird, mit zu erzeugen. Foucaults Diskurs wirkt auch auf Individuen produktiv. Er sagt (1978: 34f.):

»Der Grund dafür, daß die Macht herrscht, daß man sie akzeptiert, liegt einfach darin, daß sie nicht nur als neinsagende Gewalt auf uns lastet, sondern in Wirklichkeit die Körper durchdringt, Dinge produziert, Lust verursacht, Wissen hervorbringt, Diskurse produziert; man muß sie als ein produktives Netz auffassen, das den ganzen sozialen Körper überzieht, und nicht so sehr als negative Instanz, deren Funktion in der Unterdrückung besteht.«

Damit stehen Diskurse und soziale Wirklichkeit in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander, und beim Reden über sozial Wirkliches darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dieses sozial Wirkliche über Diskurse entsteht. Paradoxer Weise stellen Diskurse nicht nur her, sie grenzen auch aus, sie sind produktiv und repressiv zugleich. Laut Judith Butler (1997: 173) bedeutet Anrufung die soziale Formierung zum Subjekt innerhalb von Diskursen. Anrufung sei (ebd.: 174) »eine einfache performative Äußerung «, ein »[Akt] des Diskurses, ausgestattet mit der Macht, das zu erschaffen, von dem die Rede ist.« Wie wir sehen werden, produziert der Diskurs Femminielli und ihre Geschlechtlichkeit, indem er sie wahrnimmt und repräsentiert. Im Sinne Halls steckt auch das Geschlecht nicht in einer Person, sondern es wird in Wahrnehmungs- und Repräsentationsprozessen von ihr selbst und anderen hergestellt.


Marco Atlas, Dr. phil., ist Ethnologe und Anglist. Er arbeitet als Lehrer im Emsland.



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