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E-Book, Deutsch, 101 Seiten

Au Lehrbuch Draußenschulpädagogik

Band 2: Didaktik
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7799-8718-5
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Band 2: Didaktik

E-Book, Deutsch, 101 Seiten

ISBN: 978-3-7799-8718-5
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Draußenschule ist en vogue in Deutschland. In Band 1 erfolgt eine theoretische und empirische Fundierung der Draußenschule. Band 2 baut auf dieser Fundierung auf und liefert didaktische Impulse für den Draußenunterricht. Alle wesentlichen didaktischen Reflexionsfelder - darunter Ziele, Inhalte und Medien - werden aus draußenschulspezifischer Perspektive neu beleuchtet. Das Buch stellt dadurch ein wertvolles Reflexionsinstrument für den Einsatz von vorhandenen Praxisbausteinen und für die Konzeption eigener Draußenunterrichtseinheiten für Studierende, Dozierende und praktizierende Lehrkräfte dar.

Dr. Jakob von Au studierte die Fächer Biologie, Geographie und Sport auf Lehramt. Er promovierte im Bereich Outdoor Education in der Abteilung Biologie an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und ist Dozent, Gymnasiallehrer, Lehrerfortbildner und Autor.
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3.Ziele


Für die Planung von Unterricht – egal ob innerhalb oder außerhalb des Klassenzimmers – spielt die Frage nach den Zielsetzungen eine zentrale Rolle. Dabei kann man zunächst überlegen, welche übergeordneten Ziele mit Schule und Unterricht verfolgt werden sollen. Diese übergeordneten Ziele werden oft als Bildungsziele bezeichnet (3.1). Die übergeordneten Ziele können auf der Ebene von Lernzielen (3.2) und Kompetenzen (3.3) „kleingearbeitet“ und konkretisiert werden. Das Erreichen der Ziele und Fortschritte auf dem Weg dorthin kann durch diverse Formen von Feedback evaluiert werden (3.4).

3.1Bildungsziele


Welche übergeordneten Ziele verfolgen Schule und Unterricht? In deutschsprachigen Ländern nähert man sich dieser Frage häufig aus bildungstheoretischer Perspektive. Ein frühes Bildungskonzept wurde bereits von Comenius in die Pädagogik eingebracht. Comenius vertrat ein umfassendes Verständnis von Bildung, das darauf abzielte, die individuelle Entfaltung des Menschen mannigfaltig zu fördern. Mit Blick auf die Schule forderte er beispielsweise in seinem Buch „Die Schule als Spiel“, dass Unterricht weit über eine reine Wissensvermittlung hinausgehen müsse und Lern- bzw. Bildungsprozesse spielerisch und dramaturgisch angestoßen werden müssten.

Von Immanuel Kant (1724–1804) und Wilhelm von Humboldt (1767–1835) wurde die Idee von einer Bildung, die auf mündige, aufgeklärte und autonome Subjekte abzielt, maßgeblich weiterentwickelt. Bildung in diesem Sinne verstanden kann nur durch die Entwicklung eines vielschichtigen Selbst- und Weltbildes in kritischer Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität gelingen. Es erscheint fraglich, ob dieses freiheitliche Bildungsideal durch „Schulbildung“ verfolgt werden kann, die ausschließlich auf Klassenzimmerunterricht mit standardisierten Lernwegen und Lernprodukten fokussiert.

Besonders eindrücklich beschreibt Berthold Brecht (1898–1956) in seinem Gedicht „Lob des Lernens“ (1932/1988, S. 233), was Bildungsziele sein können und was das für die Schule bedeuten kann:

Lob des Lernens (Berthold Brecht, 1932)


„Lerne das Einfachste!

[…]

Lerne das ABC, es genügt nicht, aber

Lerne es! Lass es dich nicht verdrießen!

[…]

Scheue dich nicht zu fragen, Genosse!

Laß dir nichts einreden

Sieh selber nach!

Was du nicht selber weißt

Weißt du nicht.

[…]“

Brechts, im Ganzen dreistrophiges, Gedicht hat einen emanzipativen Charakter und richtet sich in erster Linie an unterprivilegierte Menschen im aufkommenden Nationalsozialismus. Aus den zitierten Versen lassen sich aber auch „didaktische Prinzipien“ für die Schule ableiten, die einen wesentlichen Unterbau für lebenslange Bildungsprozesse darstellen können. Zugleich können diese Verse einen Ausgangspunkt für die Überlegung bilden, welche übergeordneten Ziele mit (emanzipativem und investigativem) Draußenunterricht verfolgt werden können. Mit dem „Einfachsten“ meint Brecht mutmaßlich etwas Vergleichbares wie das von Klafki als Fundamentales (Vermittlung von Grunderfahrungen und grundlegenden Einsichten) bezeichnete. Exemplarisch führt er auf, dass das ABC natürlich gelernt werden müsse, dass Lernen aber (um bildungswirksam zu sein) weit darüber hinausgehen müsse. Das Lernen selbst solle außerdem ein freudvoller und kein „verdrießlicher“ oder frustrierender Prozess sein.

Am Ende jeder Strophe des Gedichts steht die Aufforderung „Du mußt die Führung übernehmen“. Dadurch wird die eigenaktive, emanzipatorische Komponente von Lernen und Bildung betont. Im Gegensatz zu Erziehung kann Bildung nicht von außen herbeigeführt werden. Bildung muss immer vom Subjekt selbst initiiert und verfolgt werden (ausführlich z.B. bei Gudjons & Traub, 2020, S. 183ff). Dies führt zu einem veränderten Selbst- und Weltverhältnis und ist die Grundlage für Selbstbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit.

Aus draußenschuldidaktischer Perspektive erscheint die Aufforderung, selbst zu fragen und selbst nachzusehen, besonders relevant. Ein übergeordnetes Ziel von Draußenunterricht kann es sein, dass den Lernenden keine Fragen vorgegeben und „übergestülpt“ werden, sondern dass die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass zumindest ein Teil der Lernfragen selbst entwickelt werden kann. Das setzt Freiräume und eine Lernumgebung mit hohem Aufforderungscharakter voraus. Bestenfalls können die Lernenden dann „selbst nachsehen“ im Sinne von entdeckenlassenden und experimentellen Zugängen (vgl. Kolbs Lernzyklus, Band 1). Laut Brecht ist beständiges Fragen und Hinterfragen ein wichtiger Teil von Lern- und Bildungsprozessen, und Wissen aus Sekundärquellen (z.B. Buch, Video) ist nicht so wertvoll wie selbst entwickeltes oder erprobtes Wissen. Gefordert wird der Wille und die Möglichkeit, stets hinter die Kulissen der vorgegebenen Theorien, Lehrmeinungen oder Ideologien zu schauen und diese durch eigene Lernerfahrungen zu bereichern, zu hinterfragen und subjektiv mit Sinn zu füllen.

Damit Lernende Bildungsinhalte mit Sinn belegen können, ist laut Gebhard (2020, S. 64ff) besonders für Naturerfahrungen außerhalb des Klassenzimmers wichtig, dass sowohl Raum für Subjektivierung als auch für Objektivierung von Lerngegenständen gewährt wird (vgl. Abb. 4).

Abb. 4:Die Grundkonstellation der Sinnkonstitution zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Subjektivierung und Objektivierung (Leicht verändert nach Gebhard, 2020, S. 68).

Aufbauend auf Boesch (1998, in Gebhard, 2020, S. 65) beschreibt Gebhard eine Objektivierung als einen Weltzugang (bzw. eine Wirklichkeitskonstruktion), der instrumentell geprägt ist und eine Veränderung der Realität im Sinne des Menschen darstellt. Als Beispiel wird der Hausbau aufgeführt, der eine Schutzfunktion erfüllt. Im Kontext von Schule könnte ein Blumenstrauß im Klassenzimmer als Beispiel dienen, mit dessen Hilfe Pflanzenarten beschrieben werden. Die Dinge der Welt bleiben für uns ausgehend vom Modell in Abb. 4 im ungünstigsten Fall jedoch fremd und sinnlos, wenn sie nur als Objekt behandelt werden (bzw. wenn der objektivierende Zugang in der Schule stark dominiert).

Deshalb ist es wichtig, Lerngegenstände auch zu subjektivieren. Das heißt, dass Gegenstände auch subjektiv-funktional erfasst werden. Dazu gehört beispielsweise, dass die Handlungen und die Dinge mit Werten, Fantasien oder Ästhetisierungen verknüpft werden (Gebhard, 2020, S. 65). Im Beispiel des Hausbaus wäre ein subjektiv-funktionaler Zugang, dass das Haus zum Zuhause wird. Allerdings ist auch ein rein subjektivierender Zugang im Unterricht nicht zielführend. Abb. 4 zeigt, dass nur eine Verknüpfung von beiden Zugängen zu einer Sinnzuschreibung führen kann und dass Dinge nur so zu Bildungs- und Lerngegenständen werden können. Die Artnamen der Pflanzen im Blumenstrauß können also durchaus ein wichtiges Lernziel darstellen. Allerdings sollte im Lernprozess unbedingt Raum für fantasievolle Geschichten und Erfahrungen gelassen werden. Und wo könnte dies besser gelingen als am Wuchsort der Pflanzen? In der natürlichen Umgebung können die Pflanzen am besten als etwas Sinn(en)volles und subjektiv Bedeutsames erfahren werden. Dies fördert zugleich das Interesse an einer Bestimmung und Objektivierung der Pflanzen.

Im Kontext von subjektivierenden und objektivierenden Zugängen kann die Frage nach dem Sinn und Zweck von subjektiven Weltzugängen gestellt werden, die anthropomorphe ...



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