E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Babendererde Triff mich im tiefen Blau
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-401-81078-2
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gefühlvoller Liebesroman auf einer rau-romantischen Hebriden-Insel am Rande Schottlands
E-Book, Deutsch, 384 Seiten
ISBN: 978-3-401-81078-2
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Antje Babendererde, geboren 1963, wuchs in Thüringen auf und arbeitete nach dem Abi als Hortnerin, Arbeitstherapeutin und Töpferin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Seit vielen Jahren gilt ihr besonderes Interesse der Kultur, Geschichte und heutigen Situation der Indigenen in Nordamerika, ihre einfühlsamen Romane zu diesem Thema für Erwachsene wie für Jugendliche werden von der Kritik hoch gelobt. In weiteren Romanen entführt Antje Babendererde ihre Leser*innen in ihre thüringische Heimat sowie in die schottischen Highlands, an die sie auf ihren Reisen ihr Herz verloren hat.
Autoren/Hrsg.
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, singt Ariana Grande. . Charlottes Lieblingslied. Meine beste Freundin steht auf Ariana Grande, deshalb ist dieser Song auf meiner Playlist gelandet. Wegen Milo reden Charly und ich nicht mehr miteinander, aber habe ich behalten.
Mein Magen macht einen Hüpfer bis zum Herzen und ich öffne die Augen. Durch Risse in der grauen Wolkendecke unter mir kommt Orasay in Sicht, eine kleine, zerklüftete Insel in Form einer Schildkröte, die in einem grün schäumenden Meer schwimmt. Ich ziehe die Stöpsel von Pas altem MP3-Player aus den Ohren. Wieder sackt die ab und mein Magen hebt sich erneut.
Der kleine Flieger ruckelt und hüpft inselwärts. Es gibt keine richtige Trennung zwischen Cockpit und Kabine, und als ich meinen Kopf verrenke, um einen Blick aus dem Cockpitfenster zu werfen, sehe ich ein paar dunkle Hügel, die vor uns aus den Wolken tauchen. An der Küste verstreut stehen kleine Häuser, dunkle Klippen wechseln sich ab mit von Gischt überzogenen hellen Sandbuchten. Mein Magen tanzt, das Herz klopft schneller. Früher hatte ich nie Angst vorm Fliegen, aber die mit mir und der Handvoll anderen Passagieren an Bord ist klein und wackelt im Wind wie ein Spielzeug. Eine riesige Bucht kommt in Sicht, begrenzt von grasbewachsenen Dünen, in denen ein orangefarbener Windsack leuchtet.
Der Pilot fährt das Fahrwerk aus und beginnt, einen weiten Bogen zu fliegen. Nirgendwo eine feste Rollbahn, keine Markierungen, nur heller, nasser Sand.
Die Hebrideninsel Orasay hat den einzigen Flughafen der Welt, an dem regelmäßig ein Linienflieger auf dem Strand landet und wo Start- und Landezeiten sich nach Ebbe und Flut richten. Ich war nicht wild gewesen auf diese Erfahrung, aber mir war schlichtweg nichts anderes übrig geblieben, denn Ma hatte gemeint, die Fährverbindungen zu den Hebriden würden ständig aus irgendwelchen Gründen ausfallen. Gerade bin ich mir nicht sicher, ob das nicht das kleinere Übel gewesen wäre. Oder ob ich nicht doch besser im sicheren Hafen meines Berliner Zimmers geblieben wäre. Zu Hause, bei meinem Vater und Doreen.
Meine Eltern ließen sich scheiden, da war ich fünf. Pa sagt, wir wären lange Zeit glücklich gewesen zu dritt, aber an ein kann ich mich nicht mehr erinnern. Nur daran, dass ich eine Woche bei meiner Mutter und eine bei meinem Vater wohnte. Das war nicht, was ich mir wünschte, aber ich kam klar. In meiner Klasse war ich nicht die Einzige mit diesem Familienmodell und es hatte durchaus seine Vorteile.
Als ich elf war, erfüllte Ma sich ihren großen Traum und gründete den Reiseblog . Von da an war sie entweder auf Reisen oder megagestresst, denn ihr Blog war supererfolgreich. Ein paar Mal habe ich sie in den Ferien auf ihren Recherche-Reisen begleitet: Rumänien, Korsika, die Kanaren, Norwegen. Das war abenteuerlich gewesen und ich hatte es geliebt. Hatte mir ausgemalt, von nun an würde es immer so sein: Ma und ich und die fremden Länder. Aber meistens erkundete meine Mutter ohne mich die Welt und überließ mich der beständigen Fürsorge meines Vaters.
Pa, der als Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten arbeitet, war fast immer müde und geschafft, wenn er aus dem Büro kam. Aber er sorgte für mich, war immer da und hörte zu. Ich liebte ihn und die meiste Zeit kamen wir gut miteinander aus. Allerdings endete sein väterliches Verständnis, als er herausfand, dass ich jeden Freitag Schule schwänzte, um bei den -Demonstrationen mitzumachen.
Mein Vater verbot mir, dem Unterricht fernzubleiben. Aber inzwischen war ich dreizehn und tat es trotzdem. Pa arbeitete weniger, versuchte, mehr Zeit mit mir zu verbringen. Doch die Fürsorge meines Vaters war wie ein Kokon, aus dem ich mich befreien wollte. Endlich meine Flügel ausbreiten und losfliegen. Es besser machen, richtig, oder einfach nur .
Dann brach die Pandemie über uns herein und der lange Lockdown legte sich wie eine Decke über unser Leben. Ma steckte in Amerika fest und ich quälte mich mit Unterrichtsausfall, Home-Schooling (mehr als und meiner unglücklichen Liebe zu Anton, einem schüchternen Jungen aus meiner Klasse.
Pa datete immer mal wieder jemanden, aber länger als ein paar Wochen hielten diese Beziehungen nie. Als ich ihm das bei einer unserer zahlreichen Reibereien mal unter die Nase hielt, meinte er, zwischen Job und Vatersein bliebe ihm einfach nicht genug Zeit, um sich den Bedürfnissen eines weiteren Menschen zu widmen. Ich würde ihn schließlich gehörig auf Trab halten.
Vor einem Jahr bescherte Pa mir dann doch noch eine Stiefmutter: Doreen, die als neue Mitarbeiterin im Büro des Bundestagsabgeordneten angefangen hatte und die inzwischen bei uns wohnt, denn es ist Nachwuchs im Anmarsch.
Letzten September rief zum Klimastreik auf. Meine Freundin Charly, ich und noch fünf andere aus unserer Klasse waren dabei, als in Berlin hunderttausend auf die Straße gingen, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. , haben wir im Chor der Hunderttausend gerufen. So viele Menschen – und mittendrin sind Milo und ich uns begegnet.
Dass jemand wie Milo Wegener, der so viel älter war als ich, sich für mich interessierte, brachte mein Inneres gehörig durcheinander. Ich verliebte mich Hals über Kopf, weil sich mit Milo eine neue Welt für mich auftat, eine neue Dimension des Kämpfens. Milos Haltung war so unbedingt, dass mir meine dagegen auf einmal nur noch halbherzig vorkam.
Zwei Monate lang gab es nur noch ihn und mich und den Klimaprotest. Jemanden an meiner Seite zu haben, der Antworten auf meine Fragen hatte und der mich an seinen rebellischen Ideen teilhaben ließ, war ein großartiges Gefühl. Ich kam mir ungeheuer frei und erwachsen vor.
Milo und ich diskutierten und küssten und stritten. Auf dem Bett seines chaotischen WG-Zimmers breitete er seine komplexe Weltsicht vor mir aus und dann schliefen wir miteinander. Es war mein erstes Mal und das alles gehörte irgendwie zusammen, das Kämpfen und die Liebe. Ich war ein Teil von Milos Welt – jedenfalls glaubte ich das damals. War wie berauscht von großen Gefühlen und dem Kampf um die Zukunft unseres Planeten.
Pa erzählte ich nichts von Milo, aus Furcht, er würde mir verbieten, mich mit einem jungen Mann zu treffen, der sieben Jahre älter als ich und noch dazu ein radikaler Umweltschützer war. Denn die Demos reichten Milo damals schon nicht mehr, er wollte größere Wellen machen im Meer der Veränderung.
Während Charly und ich und die anderen fünf aus meiner Klasse an einer Klage gegen Deutschland feilten, die wir beim Obersten Gerichtshof einreichen wollten, schmiss Milo sein Lehramtsstudium, schloss sich der Klimabewegung an und klebte sich mit anderen auf der Straße fest. Eine schriftliche Klage wäre keine Option mehr für das Klima, das würde alles viel zu lange dauern, schließlich sei es längst fünf nach zwölf.
Dann kam dieser Montag Ende November. Nach glühenden Diskussionen hatte Milo mich davon überzeugt, bei einer dieser Straßenaktionen mitzumachen. »Bekenne Farbe, Leonie«, hatte er gesagt, »du bist doch eine Kämpferin. Solange wir nur reden, hört niemand zu.«
Ich war da und klebte mit meinen Händen am Asphalt.
Wer nicht kam, war Milo.
Während ich mit den anderen an der Straße klebte, wurden wir von Leuten an den Haaren gezogen, angepöbelt und bespuckt. und waren noch die harmlosesten Beschimpfungen. Aber sie waren wie Gift für mich.
Die Polizei kam, um die Blockade aufzulösen. Der ältere Polizist, der meine Hand mit Nagellackentferner, Öl und einem Strick vom Asphalt löste, rief meinen Vater an. Weil ich noch minderjährig war, wurde ich nicht mit den anderen auf die Wache gebracht. Pa holte mich ab und er tobte. Ich würde seiner Karriere schaden, schrie er, und was ich mir dabei gedacht hätte.
Ich hätte doch Glück. Wäre...




