Barth / Korsch | Dialektische Theologie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 3, 176 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

Reihe: Große Texte der Christenheit (GTCh)

Barth / Korsch Dialektische Theologie

E-Book, Deutsch, Band 3, 176 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

Reihe: Große Texte der Christenheit (GTCh)

ISBN: 978-3-374-05628-6
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Im Jahr 2018 jährt sich der Todestag Karl Barths zum fünfzigsten Mal. Der große Theologe hat im 20. Jahrhundert Kirche und Theologie in Deutschland und darüber hinaus wesentlich bestimmt. Barths kritischer Aufbruch ist 1919 mit seinem Kommentar zum Römerbrief öffentlich geworden. In diese Phase seiner 'Dialektischen Theologie' gehören auch die zwei hier abgedruckten und von dem bekannten Systematiker Dietrich Korsch für den Gebrauch in Kirche und Schule kommentierten Aufsätze aus dem Jahr 1922: 'Not und Verheißung der christlichen Verkündigung' und 'Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie'. Sie widmen sich der Situation der Verkündigung, wie sie sich im Gottesdienst konzentriert, und den Folgerungen für die Theologie, die sich daraus ergeben. Sie lassen erkennen, wie die religiöse Lage die Theologie herausfordert, und helfen dazu, Verantwortung für den christlichen Glauben im eigenen Leben zu übernehmen.

[Dialectical Theology]
The year 2018 marks the 50th anniversary of the death of Karl Barth. In the 20th century the great theologian had a significant impact on the church and theology in Germany and beyond. His commentary on the Epistle to the Romans, published in 1919, made his critical approach known to the public. This phase of his 'Dialectical Theology' includes also two articles from 1922 that are reproduced here, with a commentary by the well-known systematic theologian Dietrich Korsch for use in church and school: 'Need and Promise of the Christian Proclamation' and 'The Word of God as a Task of Theology'. They address the situation of proclamation as constuting the focus of worship and the implications for theology. They show how the religious situation challenges theology and they are helpful for taking responsibility for the Christian faith in personal life.
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Das Wort Gottes
als Aufgabe der Theologie I. Wir Theologen sind durch unsern Beruf in eine Bedrängnis versetzt, in der wir uns vielleicht vertrösten, aber sicher nicht trösten lassen können. Wir ahnten es ja schon als Studenten dunkel, daß es so kommen werde; wir wurden älter, und es war schwerer, als wir je geahnt hatten. Wir sind Pfarrer, oder wir sind Dozenten; es ist immer die gleiche Bedrängnis, die Einen können ihr so wenig ausweichen wie die Andern. Ich wundere mich, daß es noch Theologen gibt, die in katholische Kirchen und wer weiß noch wohin gehen, um das sogenannte Numinose kennen zu lernen31, als ob es nicht um uns wäre, sehr uninteressant, aber dafür real, wenn wir an unserm Schreibtisch sitzen, wenn wir uns niederlegen und wieder aufstehen, bevor wir wieder einmal unseres Amtes walten und nachdem es wieder einmal geschehen ist, einfach und ohne alle weitern Erlebnisse kraft der Tatsache, daß wir Theologen sind. Die Bedrängnis, die aus dieser Tatsache kommt, ist von den Umständen, in denen wir uns befinden mögen, ganz unabhängig. Sie ist, um das gleich vorwegzunehmen, mit den Mitteln der Psychologie sicher zu illustrieren, aber von daher so wenig zu erklären wie die allen Menschen durch ihren sicher bevorstehenden Tod irgendwie in die Seele geschriebene Frage. Das seltsame Schaukelspiel des seelischen Lebens, dem wir Theologen natürlich unterworfen sind so gut oder so schlimm wie jedermann, geht neben unsrer Bedrängnis her seinen eigenen Weg und hat mit ihr wesentlich nichts zu tun. Aber auch die Problematik der mechanischen Seite unsres Berufes geht ihr wohl immer zur Seite und ist doch nicht ihre Ursache. Das theologische System z. B. ist nun schon reichlich oft verbessert und gänzlich umgebaut worden, die theologische Praxis gleichfalls, und auch an Variationen in der persönlichen Stellung zu unserm Beruf ist wohl längst versucht und erprobt worden, was da überhaupt zu versuchen ist. Bedeutet das Alles etwa mehr, als wenn man einen Kranken zur Abwechslung von der einen auf die andere Seite legt? Haben wir noch nicht gemerkt, in der Kirche wie auf der Universität, daß, was gestern uns Ruhe war, morgen sicher uns Unruhe sein wird, daß vom Wechsel der Methoden und Orientierungen, so unvermeidlich er uns immer wieder wird, eine Beseitigung dessen, was uns bedrängt, jedenfalls nicht zu erwarten ist? Es kann sich auch wirklich nicht etwa um eine eigentümliche Verlegenheit gerade der Gegenwart handeln. Darum nicht, weil die Theologen so ziemlich jeder Zeit gemeint haben, gerade zu ihrer Zeit sei es besonders schwer, diesen Beruf zu versehen. Von unserer Zeit wäre sogar zu sagen, daß es heute insofern leichter ist, Theologe zu sein, als vor zehn Jahren und hier in Deutschland leichter als etwa im neutralen Ausland, weil die allgemeine Auflockerung des Bodens infolge der Ereignisse, von denen wir herkommen, dem, was wir nun zu tun hätten, unvergleichlich viel günstigere Aussichten eröffnet. Und auch daran kann es nicht liegen, daß unsere Stellung in der Gesellschaft so fraglich ist: daß wir bei der Mehrzahl der Menschen jedenfalls als Theologen nicht eben beliebt und geachtet, sondern von jenem Duft von Mißtrauenswürdigkeit umgeben sind, von dem Overbeck so viel zu sagen wußte.32 Denn erstens dürften wir uns nach dem Evangelium darüber nicht wundern, wenn wir im übrigen unserer Sache ganz sicher wären, und zweitens steht es ja auch damit so schlimm nicht; war es doch auch im neuen Deutschland immer noch ein unerhörter Fall, als neulich die Möglichkeit auftauchte, unsereinem gegenüber die sogenannte Bedürfnisfrage aufzurollen. Im Ganzen haben wir uns über die uns widerfahrene Behandlung durch das gebildete und ungebildete Publikum sicher nicht ernstlich zu beklagen. Die wirkliche und besorgniserregende Bedürfnisfrage ist uns von ganz anderer Seite gestellt. Unsere Not kommt aber auch nicht von der Kirche, von dem rückständigen Geist ihrer Leitung, von ihrer Bureaukratie, von ihrem Bekenntniszwang. Ich komme aus dem paradiesischen Lande, wo die Theologen vom Universitätsprofessor bis zum einfachen Dorfpfarrer ungefähr in jeder Beziehung machen können, was sie wollen, wo es keine Präambeln gibt und wo die mildeste und dehnbarste Vermittlungstheologie ungefähr in allen Kirchenregimentern das Szepter führt, und kann nur warnen vor der Illusion, als ob dadurch die Last, die auf die Theologen gelegt ist, auch nur im Geringsten erleichtert wäre. Im Gegenteil: Wenn einmal alle Kämpfe gegen eine alte und für eine neue Kirche äußerlich so gegenstandslos werden, wie sie es innerlich vielleicht ohnehin sind, wenn all der darauf verwendete Ernst frei wird für ernsthaftere Gegenstände, rückt einem die wesentliche Not der Theologie nur um so grimmiger zu Leibe. Sie liegt in der Sache, in der uns gestellten Aufgabe. Wie weit sie von Diesem und Jenem empfunden wird, ist eine Frage für sich. Über unsre Situation möchte ich mich mit Ihnen unterhalten, und das sollte möglich sein, gleichviel ob wir so oder anders empfinden. Ich möchte diese unsre Situation in folgenden drei Sätzen charakterisieren: Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-Können, wissen und eben damit Gott die Ehre geben. Das ist unsre Bedrängnis. Alles Andre ist daneben Kinderspiel. Ich will versuchen, Eines nach dem Andern zu erläutern. II. Wir sollen von Gott reden. Unser Name sagt es. Aber nicht bloß unser Name. Es wird wohl auch uns Theologen gegenüber erlaubt sein, die schlichte Frage nach dem Zweck unsres Tuns zu stellen. Was hat die Aufmachung, der Betrieb unsres Amtes für einen Sinn? Was für eine Erwartung setzen die Menschen auf uns, sie, die uns als das, was wir sind, haben wollen oder doch gelten lassen? Oder auf was hin weist uns ihr Hohn und ihre Verachtung, wenn sie sich in ihrer Erwartung getäuscht sehen? Natürlich nicht nach ihren ersten besten Motiven werden wir sie fragen dürfen, als ob sie uns so ohne Weiteres sagen könnten, was sie von uns wollen. Um das Motiv ihrer Motive handelt es sich, darum, die Menschen um uns her in ihrer auf uns gerichteten Erwartung besser zu verstehen, als sie sich selbst verstehen. Ist es nicht so: Unsre Existenz als Theologen ist doch nur zu verstehen auf Grund der Existenznot der andern Menschen. Zum Aufbau ihrer Existenz mit Allem, was dazu gehört, brauchen sie uns nicht. Das besorgen sie ohne unsre Ratschläge, und zwar besser, als wir gewöhnlich denken. Jenseits ihrer Existenz aber und jenseits aller Fragen, die damit verknüpft sind, kennen sie ein großes Was? Wozu? Woher? Wohin?, das ist ein Minus vor der ganzen Klammer, eine Frage, die alle schon beantworteten Fragen in der Klammer aufs Neue zu Fragen macht. Auf diese Frage aller Fragen wissen sie sich keine Antwort zu geben und sind naiv genug anzunehmen, Andere könnten es, und darum schieben sie uns in unsre merkwürdige Sonderexistenz, darum stellen sie uns auf ihre Kanzeln und Katheder, damit wir daselbst von Gott reden sollen, von der Antwort auf die letzte Frage. Warum suchen sie mit dieser letzten Frage nicht selber fertig zu werden, wie sie es mit allen andern tun? Warum kommen sie zu uns, obwohl sie doch längst die Erfahrung gemacht haben müßten, daß man nicht zu uns kommen kann, wie man zum Rechtsanwalt oder zum Zahnarzt geht, daß wir in dieser Frage nicht mehr wissen, als sie sich selbst sagen können? Ja, so kann man wohl fragen. Offenbar drücken sie mit ihrem Zu-uns-Kommen aus, daß sie irgendwie wissen, daß der Mensch sich die Antwort auf diese Frage nicht selber geben könne und daß, wenn nun Einer mit dieser Frage zum Andern geht, doch auch dies jedenfalls nicht um der Antwort willen geschieht, die dieser Andere selber etwa geben kann. Aber wie dem auch sei: wir sind gefragt. Und nun gilt es wohl zu beachten, wonach wir gefragt sind. Zum Leben brauchen uns die Menschen offenbar nicht, aber zum Sterben, in dessen Schatten ja ihr ganzes Leben steht, scheinen sie uns brauchen zu wollen. Die Geschichte geht ihren Gang ohne uns; wenn aber die eschatologischen, die letzten Dinge an ihrem Horizont auftauchen – und welches Problem in der Geschichte läge nicht auf der Schwelle zu den letzten Dingen? –, dann sollten wir offenbar da sein und eröffnende, entscheidende Worte zu sprechen haben. Über sich selbst und das, was ihnen möglich und erlaubt ist, sind sie leidlich orientiert; wie es aber mit dem dünnen Faden steht, an dem das ganze Netz dieser Lebensorientierung aufgehängt ist, mit dem messerscharfen Gratweg zwischen Zeit und Ewigkeit, auf dem sie sich manchmal plötzlich wandelnd wissen, nachdem sie es lange vergessen, das wollen sie wunderlicher Weise von uns wissen. An den Grenzen der Humanität ist das theologische Problem aufgeworfen. Die Philosophen wissen das, wir Theologen scheinen es manchmal nicht zu wissen. Denn wohlverstanden: auch über Sittlichkeit und Geistesleben, auch über Religion und Frömmigkeit, auch über allfällig mögliche Erkenntnis höherer Welten brauchen sie unsre Aufklärungen und Mitteilungen im Grunde nicht. Auch das Alles gehört ja zu ihrer Existenz und ist in die Not ihrer Existenz mit hineingerissen, ob sie es wissen oder nicht. Mögen wir diesem und jenem und vielleicht Hunderten Freude machen und hilfreich sein, wenn wir ihm auf die ihn in diesen Sphären bewegenden Fragen unsre mehr oder weniger nützlichen Anregungen und kompetenten Auskünfte zu geben versuchen. Mögen wir es tun, warum sollten wir nicht? Aber ohne zu vergessen, daß damit die Frage, mit der sie eigentlich zu uns...


Korsch, Dietrich
Dietrich Korsch, Dr. theol., Jahrgang 1949, ist Prof. em. für Systematische Theologie. Er lehrte von 1987 bis 2014 an den Universitäten Göttingen, Passau und Marburg. Er ist Direktor des Hans-von-Soden-Instituts für theologische Forschung an der Universität Marburg, Pfarrer im Ehrenamt und Mitglied der Theologischen Kammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck sowie Vorsitzender des Kuratoriums der Evangelischen Akademie Hofgeismar. Sein besonderes theologisches Interesse richtet sich gegenwärtig darauf, elementare Einsichten der wissenschaftlichen Theologie einem breiteren Publikum verständlich zu machen und damit das Christentum in der Kultur der Gegenwart zu stärken.

Dietrich Korsch, Dr. theol., Jahrgang 1949, ist Prof. em. für Systematische Theologie. Er lehrte von 1987 bis 2014 an den Universitäten Göttingen, Passau und Marburg. Er ist Direktor des Hans-von-Soden-Instituts für theologische Forschung an der Universität Marburg, Pfarrer im Ehrenamt und Mitglied der Theologischen Kammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck sowie Vorsitzender des Kuratoriums der Evangelischen Akademie Hofgeismar. Sein besonderes theologisches Interesse richtet sich gegenwärtig darauf, elementare Einsichten der wissenschaftlichen Theologie einem breiteren Publikum verständlich zu machen und damit das Christentum in der Kultur der Gegenwart zu stärken.


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