Barth | Was will ich glauben? | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Barth Was will ich glauben?

Impulse für ein Christentum der Liebe und Vernunft
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-347-19548-6
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Impulse für ein Christentum der Liebe und Vernunft

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-347-19548-6
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Christentum und Kirche haben in den vergangenen Jahrzehnten massiv an Bedeutung verloren. Neben gesellschaftlichen Ursachen liegt dieser Entwicklung auch ein Versagen der Kirche zugrunde: Sie hat viel zu lange an traditionellen Glaubenswahrheiten festgehalten. Dass die Bibel Gottes Wort ist, Jesus Gottes Sohn und Gott selber ein allmächtiges, jenseitiges Wesen - mit diesen Glaubensaussagen können viele Menschen heute nichts mehr anfangen. Auch mit der traditionellen Vorstellung des dreieinigen Gottes oder dem Gebet zu einem jenseitigen Gott haben manche ihre liebe Mühe. Sie geraten deshalb an den Rand der Kirche oder treten aus. Denn sie hören nichts davon, dass die traditionellen Glaubenswahrheiten auch anders verstanden werden können. Das Buch zeigt auf, wie der Verzicht auf die Vorstellung eines in die Welt eingreifenden Gottes Raum schafft für ein aufgeklärtes, weltzugewandtes Christentum. Grundlage ist ein Verständnis von Religion als kulturelle Errungenschaft des Menschen ohne göttliche Offenbarung. In weiteren Kapiteln werden mögliche Konsequenzen für die kirchliche Praxis skizziert. Auch die traditionellen christlichen Feste lassen sich neu verstehen und anders feiern. Was will ich glauben? Die Frage ist keine Einladung zu religiöser Beliebigkeit, sondern ermutigt zum selbstbestimmten Umgang mit der christlichen Tradition. Ein Buch über den Glauben - auch für 'Ungläubige'.

Matthias Barth (*1955) wuchs in Trimbach (SO) auf. Er studierte Theologie an der Universität Basel und absolvierte eine Ausbildung zum Sozialpädagogen in Zizers. Er arbeitete als reformierter Pfarrer in Kriens, Nidau und Schwarzenburg. Sieben Jahre lang war er Mitglied des Synodalrates in der Reformierten Kirche Kanton Luzern. Seit 2019 ist er pensioniert und lebt in Port (BE).
Barth Was will ich glauben? jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1. Glaubenswahrheiten – hinterfragt und neu gedeutet

Um es vorwegzunehmen: Ich sehe hinter den Glaubensvorstellungen des Christentums keinen himmlischen Ursprung mehr. Sie haben irdische Wurzeln. Menschen haben sie formuliert, weiterentwickelt, über sie gestritten – und haben sie schliesslich zu göttlichen Glaubenswahrheiten erklärt. Als solche sind sie heute für viele unglaubwürdig geworden. Trotzdem halten die Kirchen an ihrer Unabänderlichkeit fest. Mein Anliegen ist es, sie vom Ballast der göttlichen Herkunft zu befreien und sie neu zu deuten als religiöse – wenn man will auch spirituelle – Ressourcen einer menschenfreundlichen Lebensbewältigung.

Mit den Begriffen Liebe und Vernunft im Untertitel des Buches signalisiere ich, zwischen welchen Polen sich meine Deutung bewegt. Zur Liebe wird in den folgenden Kapiteln vieles ausdrücklich und wiederholt gesagt werden. Deshalb verzichte ich hier auf weitere Ausführungen. Die Vernunft hingegen kommt weniger explizit zur Sprache, sie steckt aber deutlich spürbar in meiner Argumentation. Ja, für den einen oder die andere mag es des Guten etwas gar viel sein. Trotzdem – oder gerade deshalb – an dieser Stelle einige Gedanken dazu.

Oft werden Glaube und Vernunft, glauben und denken als unvereinbare Gegensätze gesehen. Einerseits von Religionskritikern, die fragen: Glaubst du noch oder denkst du schon? Anderseits von Religionsvertretern, die fordern: Das musst du eben einfach glauben! In beiden Fällen steckt hinter dieser Entgegensetzung ein Verständnis von Glauben als Übernahme vorgegebener Glaubensinhalte – auch dann, wenn diese vernünftigem Denken widersprechen. Ein Verständnis von Glauben als – wenn es sein muss blinder – Glaubensgehorsam.

Glaube, so wie ich ihn verstehe (siehe Kap. 1.10), steht nicht im Widerspruch zur Vernunft. Im Gegenteil: Der Glaube ist auf die Vernunft angewiesen. Der katholische Theologe Gotthold Hasenhüttl illustriert das mit folgendem Bild: Die Religionen bzw. deren Heilige Schriften gleichen Seen, aus denen Trinkwasser gewonnen wird. Das Seewasser stammt aus verschiedenen Quellen und enthält auch durch Menschen verursachte Verunreinigungen. Deshalb darf man dieses Wasser nur trinken, wenn es von einer Kläranlage gereinigt worden ist. Zu dieser Kläranlage der Religionen und ihrer Heiligen Schriften sagt Hasenhüttl: «Sicher … ist, dass der Name der Kläranlage Vernunft und Liebe ist.» (GH 15)

Die Bedeutung des Klärfilters Vernunft stellten die Kirchen lange Zeit kaum grundsätzlich in Frage. Die Kirchen- und Theologiegeschichte mit ihren Debatten, den Gottesbeweisen, den Versuchen, die kirchliche Lehre mit philosophischen Erkenntnissen in Einklang zu bringen, strotzt von denkerischen Leistungen. Mittelalterliche Kirchenlehrer wie Petrus Abaelardus (11./12. Jh.) konnten Sätze sagen wie: «Man kann nicht glauben, was man nicht versteht.» (HH KeC 127) Als jedoch die Erkenntnisse der Aufklärung etwa ab dem 17. Jahrhundert den Klärfilter Vernunft auf revolutionäre Art verbesserten und verfeinerten, verweigerten die Kirchen dessen weitere Verwendung. Sie befürchteten, das Wasser des Glaubens verliere seine Substanz. Mit dieser Verweigerung erklärten sie Glauben und Vernunft zu Kontrahenten. Sie verhinderten damit – auch zu ihrem eigenen Schaden – eine vernünftige, zukunftsgerichtete Weiterentwicklung des christlichen Glaubens.

1.1 Offenbarung – vom Himmel geholt

Warum halten sich die traditionellen christlichen Glaubenswahrheiten so hartnäckig, obwohl sie für einen Grossteil der Menschen nicht mehr mit ihrem Weltbild vereinbar sind? Das hat zunächst damit zu tun, dass sich christlicher Gottesglaube seit seinen Anfängen als Antwort auf eine übernatürliche, göttliche Offenbarung versteht.

Hinter der Offenbarungs-Idee steht einerseits die Vorstellung eines überirdischen Gottes. Anderseits die Überzeugung, dass dieser Gott den Menschen seinen Willen kundtut. Offenbarung wird also verstanden als übernatürliches Geschehen, als Einbruch von einem Jenseits ins Diesseits.

Im engeren Sinn gilt Jesus Christus als Offenbarung Gottes. Weil das Neue Testament von dieser Offenbarung Zeugnis ablegt, wird in einem weiteren Sinn auch die Bibel als Offenbarung, als geoffenbartes Wort Gottes verstanden. Mehrfach lesen wir im Heidelberger Katechismus (16. Jh.) – dem Klassiker für reformiertes Glaubensverständnis – Gott habe sich in seinem Wort offenbart.

Die Unveränderlichkeit der überlieferten christlichen Glaubenswahrheiten hat ihren Grund also letztlich in der Autorität übernatürlicher göttlicher Offenbarung. Traditioneller christlicher Glaube ist damit im Kern immer Gehorsam dieser Autorität gegenüber.

Offenbarung, verstanden als Manifestation von etwas Übernatürlichem, kommt mehr oder weniger in jeder Religion vor. Auch in Religionen, die sich – anders als das Christentum mit der Menschwerdung Jesu – nicht auf ein bestimmtes geschichtliches Offenbarungsereignis berufen.

Von göttlicher zu menschlicher Autorität

Die Behauptung übernatürlicher bzw. göttlicher Autorität hat notwendigerweise zu menschlicher Autorität geführt, welche die Offenbarung vermittelt, interpretiert und durchsetzt. Am deutlichsten Ausdruck gefunden hat dieser Umstand im päpstlichen Lehramt der römischkatholischen Kirche. In der reformierten Kirche ist diese menschliche Autorität weniger fassbar. Es sei denn, sie tritt in Gestalt von geistliche Autorität beanspruchenden, oft fundamentalistisch ausgerichteten (Pfarr-)Personen auf.

Durch die Entwicklung des frühen Christentums zur Kirche, im 4. Jahrhundert dann zur Staatskirche, verband sich diese menschliche Autorität mehr und mehr mit institutioneller Macht. Dies erleichterte die Durchsetzung einer bestimmten Interpretation der göttlichen Offenbarung erheblich. Wer sich ihr nicht fügte, musste mit dem Ausschluss, während Jahrhunderten gar mit dem Tod als KetzerIn rechnen.

Darin zeigt sich ein weiteres Problem des traditionellen christlichen Offenbarungsglaubens, nämlich die ihm innewohnende Tendenz zur Absolutheit. Diese wirkte sich nicht nur innerkirchlich aus, sondern bestimmte ebenso das Verhältnis zu anderen Religionen.

Der Absolutheitsanspruch des Christentums gegen aussen kleidete sich beispielsweise in Worte wie diese: «Die Offenbarung Gottes in Jesus Christus gilt als abschliessend, endgültig, unüberbietbar, universal. Mag Gott sich auch sonst noch auf mancherlei andere Weise … offenbart haben und noch offenbaren … – entscheidend hat er es durch Jesus Christus getan … In ihm hat Gott endgültig und ein für allemal zur Welt ‘geredet’: Jesus Christus ist das ‘Wort Gottes’ an die ganze Menschheit.» (HZ 261)

Ein grosser Teil der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Religionen hat mit deren je behauptetem Anspruch auf die Letztgültigkeit der eigenen Offenbarung zu tun. Und je stärker sich eine Religion für ihre Wahrheit auf exklusiven, übernatürlichen Ursprung beruft, desto weniger wird sie zu einem Dialog auf partnerschaftlicher Ebene bereit sein. (Ohne hier näher auf die Problematik der Religionskriege eingehen zu wollen, möchte ich immerhin festhalten: Nicht jede als ‘Religionskrieg’ deklarierte Auseinandersetzung hat rein religiöse Ursachen. Die Wirklichkeit ist meist komplexer als es die Etiketten suggerieren, mit denen sie versehen wird.)

Behauptete Autorität

Die grundlegende Problematik von durch Menschen beanspruchter göttlicher Autorität liegt darin, dass sie einfach behauptet werden kann. Sie lässt sich weder beweisen noch widerlegen. Man kann ihr höchstens widersprechen. Am wirkungsvollsten natürlich, wenn man sich ebenfalls auf göttliche Offenbarung beruft. Göttliche Autorität steht dann gegen göttliche Autorität. Die Berufung auf göttliche Autorität entpuppt sich so letztlich als Totschlagargument – wie die Geschichte zeigt, manchmal gar im wörtlichen Sinn.

Damit ist auch gesagt, dass durch Berufung auf göttliche Autorität die Inhalte letztlich beliebig werden. Göttliche Autorität lässt sich in Anspruch nehmen für alles Mögliche; und damit sowohl für, aber auch gegen dasselbe Anliegen. So haben beispielsweise der Theologe Karl Barth und die Bekennende Kirche in Deutschland ein deutliches Nein im Namen Gottes zum Nationalsozialismus ausgesprochen. Aber auch Adolf Hitler hat sich auf göttliche Autorität berufen, u.a. in «Mein Kampf»: «So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre kämpfe ich für das Werk des Herrn.» (L1)

Da ich nicht mehr an einen überirdischen Gott glauben kann und will, ist für mich die Vorstellung einer göttlichen Offenbarung sinnleer geworden. Trotzdem behält der Begriff ‘Offenbarung’ für mich eine...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.