Bartnitzky | Lehrerbücherei Grundschule: Sprachunterricht heute (19. Auflage) | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Lehrerbücherei Grundschule

Bartnitzky Lehrerbücherei Grundschule: Sprachunterricht heute (19. Auflage)


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-589-16800-2
Verlag: Cornelsen Scriptor
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Lehrerbücherei Grundschule

ISBN: 978-3-589-16800-2
Verlag: Cornelsen Scriptor
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Das Buch setzt sich mit Entwicklungen der letzten Jahrzehnte auseinander und diskutiert sie zusammen mit aktuellen Ansätzen, schulpolitischen Vorgaben und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dabei entsteht ein stimmiges Gesamtkonzept, Traditionelles wie Aktuelles wird hier berücksichtigt. Das Standardwerk im Lehramt Grundschule und Förderschule!Aus dem Inhalt:Lernbereich Sprache: fünf Prinzipien des Sprachunterrichtsdas Fach Deutsch: Entwicklung zu einer Didaktik des sprachlichen Handelnsdie verschiedenen Kompetenzbereiche im DeutschunterrichtAnfangsunterrricht Deutsch"Gute Aufgaben"Leistungsbeurteilunginklusiver Deutschunterricht]

Bartnitzky Lehrerbücherei Grundschule: Sprachunterricht heute (19. Auflage) jetzt bestellen!

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2 Das Fach Deutsch: Entwicklungen zu einer Didaktik des sprachlichen Handelns


2.1 Die Situation ist widersprüchlich bis diffus


Unterschiedliche Praxistendenzen sind derzeit zu beobachten: Aufsatzunterricht mit festgelegten Stilmerkmalen hier (Einleitung, Höhepunkt, Schluss; keine Wortwiederholungen und „Zeitenhopser“), freies Schreiben da; phänomen- oder silbenbasierter Rechtschreibunterricht hier, an den Schreibwörtern der Kinder orientierter Unterricht da; Vernachlässigung der Orthografie bis in die Klasse 3 hinein hier, Beachtung der Rechtschreibung von Anfang an da; an Lehrwerken orientierter Unterricht hier, Unterricht mit Karteien und Arbeitsblättern da; integrativer und themenbezogener Unterricht hier, getrennte Arbeitsgänge beim Schreiben, Rechtschreiben, Lesen, Grammatikunterricht da usw. Traditionelle Konzepte mischen sich mit aktuellen, wohldurchdachte didaktische Konzepte mit Modernismen, kluge Lernarrangements mit Aktivismus.

Hinzu kommen Entscheidungen der Bildungspolitik und Arbeiten eines Teils der Bildungsforschung: Bereits 2001 legte sich die Kultusministerkonferenz nach den enttäuschenden Ergebnissen der ersten PISA-Studie auf die „Output“-Steuerung der Schule fest, eine Festlegung, die bis heute gilt (siehe "Die „Output-Steuerung“ des Bildungswesens"). Dies führte bildungspolitisch u. a. zu den flächendeckenden Vergleichsarbeiten (VERA) und in Folge zu vielen Testformaten in Lehrwerken der Verlage; mit der internationalen Vergleichsstudie IGLU wurde ein Lesekonzept zum Modell, das allein durch testbare Aufgaben bestimmt wird (siehe "Lesekompetenz des „Literacy“-Konzepts").

Durch diese besondere Wertsetzung testbezogener Leistungsprüfungen wurden und werden didaktische Errungenschaften in den Hintergrund gedrängt: Die testbestimmte Trennung in Lern- und Leistungssituationen missachtet die reichhaltigen Möglichkeiten, individuelle Lernentwicklungen durch Beobachtung, Diagnose der Arbeitsdokumente der Kinder, durch Lerngespräche festzustellen – also während der Lernarbeit und im dialogischen Austausch mit den Kindern. Das testtaugliche Lesemodell verdrängt das mehrdimensionale Lesekonzept, für das nicht testbare Kompetenzen konstituierend sind wie Lesemotivation, individueller Zugang zu Literatur, Kreativität und Lesekommunikation (siehe "Begründungen für das Lesen und den Umgang mit Medien").

Insgesamt ist das didaktische Erscheinungsbild des Faches Deutsch also widersprüchlich bis diffus. Dies ist didaktisch unbefriedigend und schadet der Sicherung und Entwicklung von Unterrichtsqualität. Deshalb ist ein didaktisch stimmiges Gesamtkonzept des Deutschunterrichts in der Grundschule notwendig.

  • Es muss die aktuelle didaktische Entwicklung und die Einsichten der Grundschulforschung berücksichtigen, dabei aber alle Arbeitsbereiche des Sprachunterrichts einbeziehen, auch solche, die zur Zeit nicht im Blickpunkt des didaktischen Interesses stehen.
  • Es muss die Schatzkammer der Didaktikgeschichte in die Überlegungen einbeziehen: Was ist aus heutiger Sicht überholt? Was ist nach wie vor wert, im Repertoire gehalten zu werden? Was sollte – neu gewendet und gewichtet – in aktuelle Konzepte integriert werden?
  • Mit Blick auf frühere Streitfälle kann auch der Blick auf aktuelle Dogmatismen und didaktische Verengungen geschärft werden: Wo stecken in aktuellen Ansätzen Einseitigkeiten, wo dogmatische Positionen, die wir in Kenntnis der Genese überwinden oder aufbrechen können?

2.2 Muttersprachliche Bildung in den 50er und 60er Jahren


Welche Ziele verfolgt der Deutschunterricht? Und wie sind diese Ziele am besten zu erreichen?

Nach dem Zweiten Weltkrieg bis weit in die 60er Jahre hinein waren die Antworten auf diese Fragen unstrittig: Ziel des „muttersprachlichen Unterrichts“ war die sprachliche Persönlichkeit. Dabei hatte der Begriff der Muttersprache zentrale Bedeutung. Ansatzpunkt waren sprachphilosophische Überlegungen des 19. Jahrhunderts, insbesondere die Wilhelm von Humboldts: Muttersprache ist demnach die Sprache der Menschen, die zu einer historisch entstandenen Sprachgemeinschaft gehören. Über die Jahrhunderte hinweg wurde die Muttersprache, wie sie sich heute darstellt, von den Angehörigen der Sprachgemeinschaft entwickelt. Damit wurde sie auch von Weltbild, Werten und Denkweisen der Sprachgemeinschaft geprägt; sie wirkt mit dieser Ausprägung auf die Angehörigen der Sprachgemeinschaft zurück. Das Kind wächst somit zugleich mit seiner sprachlichen Entwicklung in das Weltbild und die geistigen Möglichkeiten seiner Sprachgemeinschaft hinein.

Für die sprachliche Entwicklung ist nun folgender Gedanke wichtig: Die Sprache darf dem Kind nicht von außen aufgesetzt werden, z. B. in Wörtern, die in ihrer äußeren Form vokabelähnlich gelernt werden. Vielmehr muss das Kind die sprachlichen Möglichkeiten seiner Muttersprache für sich selbst entwickeln und dabei eine Stimmigkeit zwischen dem, was es sagen will, und dem sprachlichen Ausdruck dafür herstellen und empfinden. Diese Entsprechung zwischen Gemeintem und sprachlicher Form, zwischen „Sinngehalt“ und „Sinngestalt“, wurde mit einem Begriff Humboldts als innere Sprachform bezeichnet, als eine Sprachform also, die von innen heraus bestimmt wird.

Aus dieser idealistischen Sprachphilosophie des 19. Jahrhunderts konnte nicht unmittelbar eine Sprachdidaktik abgeleitet werden. Aber sie wurde zum geistigen Überbau für die Konzeption der Muttersprachlichen Bildung.

1927 griff Walter Seidemann den Gedanken der „inneren Sprachform“ auf und forderte für den Deutschunterricht, dass er „innere Sprachbildung“ sein müsse (vgl. Seidemann 1927). Leo Weisgerber führte diese Gedanken nach dem Zweiten Weltkrieg fort (vgl. Weisgerber 1949, 1963). Die Begriffe „Muttersprache“ und „innere Sprachbildung“ wurden zu didaktischen Leitsternen zahlloser Methodiken. Sie ergänzten den sprachphilosophischen Überbau durch didaktische und methodische Setzungen: Unter Muttersprache wurde die hochsprachliche Variante verstanden; die Äußerungsformen waren an Sprachvorbildern orientiert.

  • Im mündlichen Unterricht repräsentierte vor allem der Lehrer durch sein Sprachvorbild Form und Wert der Muttersprache. Dieser Bereich wurde als Sprachpflege, als Gesprächs- und Sprecherziehung verstanden.
  • Im Rahmen der literarischen Erziehung waren dichterische Texte wichtige Repräsentanten muttersprachlichen Kulturgutes, an denen die Stimmigkeit von „Sinngehalt und Sinngestalt“ erfahrbar war. Texte außerhalb dieses in Form und Inhalt als vorbildhaft verstandenen Schriftgutes wurden in den Unterricht nicht einbezogen, zum Teil fielen sie unter strenges Verdikt, etwa durch pauschale Abwertung als „Schundliteratur“, wie es u. a. mit Comics geschah.
  • Dichterische Texte waren zugleich Vorbilder für die eigene „Stilpflege“ in der „Aufsatzerziehung“, beim „schriftlichen Sprachgestalten“.
  • Die „Sprachbildung“ mit ihren Teilen der unbewussteren „Sprechübung“ und der bewussten „Sprachbetrachtung“ sollte sprachpflegerisch wirken: Die Schüler sollten einerseits Sprach- und Satzmuster der Hochsprache üben sowie ihr Gefühl für die hochsprachliche Norm entwickeln und festigen. Sie sollten andererseits „Einsicht in den Bau der Sprache“ gewinnen. Dadurch sollten sie fähiger werden, ihren Sprachgebrauch selbst zu kontrollieren, der hochsprachlichen Norm anzupassen und die Möglichkeiten der Muttersprache zu erkennen.

2.3 Der erste didaktische Umbruch: Die „kommunikative Wende“


In der zweiten Hälfte der 60er Jahre stellten neue Erkenntnisse, wissenschaftliche Diskussionen und ein linksintellektueller Zeitgeist den Absolutheitsanspruch der „Muttersprachlichen Bildung“ im Sinne Leo Weisgerbers und anderer radikal infrage. So klärten Untersuchungen der Sprachsoziologie darüber auf, dass es die eine Sprachgemeinschaft und die eine Muttersprache gar nicht gibt. Erheblichen Einfluss auf die Diskussion nahmen Beiträge von Basil Bernstein, der zwischen dem „restringierten Code“ bei Angehörigen der Unterschicht und dem „elaborierten Code“ bei Angehörigen der Mittelschicht unterschied, hierzulande vor allem bekannt geworden durch Ulrich Oevermann (vgl. Oevermann 1969). Zugespitzt könnte die Kritik am Konzept der Muttersprachlichen Bildung von hierher lauten: Was als die Muttersprache bezeichnet wird, ist Muttersprache und mit ihr auch Weltbild einer bürgerlichen Schicht.

Aus der Vielfalt der didaktischen Anstöße, Ansätze, Entwürfe und Konzepte entwickelten sich Konzeptionen des Deutschunterrichts, die sich im Weiteren als mehr oder weniger konsens- und tragfähig erwiesen. Einige Konzeptionen und Ansätze, die für die Entwicklung zum Sprachunterricht heute von besonderer Bedeutung sind, seien im Folgenden skizziert.

„Fünf Finger sind eine Faust“ – kritische Didaktik


Mit dem sozialistischen Sprachbild der Faust wird in Sprichwörtern wie diesem die Macht der Solidarität verdeutlicht.

Die von den Universitäten Ende der 60er Jahre ausgehende Politisierung des Denkens und Handelns, die aufklärende Bedeutung der „kritischen Theorie“ erfasste weite Teile der Intellektuellen. Für den Bildungsbereich prägte, zumindest aber beeinflusste dieser emanzipationsbewusste Aufbruch die Lehrerbildung, die...



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