E-Book, Deutsch, 109 Seiten
Baumann / Götz / Tahir Schulbau - Architektur und Schulentwicklung im dynamischen Zusammenspiel
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7799-8750-5
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 109 Seiten
ISBN: 978-3-7799-8750-5
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Johannes Baumann, war Lehrer und 30 Jahre Schulleiter am Gymnasium Wilhelmsdorf, ist Lehrbeauftragter an der Universität Konstanz, bildet Schulleitungen und Lehrkräfte weiter, ist Schulberater (auch im Rahmen des Deutschen Schulpreises) und Autor (nähere Informationen unter www.schule-geht-auch-besser.com).
Autoren/Hrsg.
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1.Einführung
1.1Die Sprache der Architektur
Architektur kann eine Schule verzaubern. Sie kann sie schön machen. Architektur kann eine Schule lebenswert machen. Sie leistet – neben den Lehrer*innen, die Tag für Tag in der Schule arbeiten – einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Schüler*innen sich wohlfühlen, sich ernst genommen und aufgewertet fühlen und angeregt werden, ihre Potenziale zu entfalten und in eine Gesellschaft, die sie wertschätzt, nicht nur hineinzuwachsen, sondern in ihr auch Verantwortung zu übernehmen.
Zugegeben: Das klingt fremd und unerreichbar, wenn man sich hierzulande in Schulen etwas umsieht. Fast alle Schulen sind Bestandsschulen, oft in die Jahre gekommen. Lange, öde Flure, Klassenzimmer, wie es sie schon seit hundert Jahren gibt, Fenster, die undicht sind, abblätternder Putz, Spuren von Wasserschäden, Toiletten, die man nur im äußersten Notfall benutzen will, sind vielfach die Realität. Natürlich gibt es auch Neubauten oder Schulerweiterungen. Manche sind an der herkömmlichen Flurschule orientiert, andere spiegeln eine anspruchsvolle Pädagogik wieder.
Schulen sprechen konzeptionell und architektonisch die Sprache ihrer Zeit.
Bild 1: Schulen sprechen die Sprache ihrer Zeit
Es kommt nicht von ungefähr, dass man Schule in erster Linie als eine Ansammlung von Klassenzimmern versteht. Tafel (oder Whiteboard) und Lehrer*innenpult (oder -tisch) an der Stirnseite markieren nicht nur das an der Schule existierende Machtverhältnis, sondern auch das Gefälle der Wissensverteilung. Die wissende Lehrkraft vermittelt (erklärt, veranschaulicht etc.) den Stoff. Die Schüler*innen sitzen auf das frontale Geschehen ausgerichtet in Reih und Glied (ja, es gibt auch andere Anordnungen der Sitze, z.?B. die U-Form, die aber viel zu oft an der Zimmergröße scheitert; ja, es wird auch Gruppenarbeit gemacht und die [meist dafür ungeeigneten] Bänke und Stühle können hierfür mit etwas Aufwand, viel Lärm und auf Kosten von wertvoller Unterrichtszeit mit großer nachfolgender Unordnung umgestellt werden).
Anhand existierender Schulbauten ließe sich unschwer der Wandel der Kultur des Lernens und auch der Entwicklung der Sprache der Architektur beschreiben. Und auch die Wertschätzung, die eine Gesellschaft ihren Kindern, der nachfolgenden Generation entgegenbringt. Die Verwendung von Beton, Glas, Holz, die gewählten Farben, die Art der Fußböden, die Anordnung und Größe der Klassenzimmer, die Gestaltung von Fluren und Foyers, der Umgang mit Licht und Lärm – all das wurde im Laufe von zweihundert Jahren moderner Schulgeschichte (grob gesagt, seit es die Schulpflicht gibt) vielfältig variiert und weiterentwickelt.
Es ist kein Ruhmesblatt der Pädagogik, dass man sich mit konzeptionellen Vorgaben viel zu lange zurückgehalten hat und das Moment der frontal lehrenden Lehrkraft als den für das schulische Lernen zentralen und dominanten Aspekt angesehen hat.
Ausgangspunkt dieses Buches soll sein, wie das Lernen der Schüler*innen in den Mittelpunkt gerückt werden kann und was das schulbaulich-architektonisch bedeutet. Und ebenso die Frage, welche Schule unsere Gesellschaft heute braucht. Auf diese Weise sollten sich auch Antworten finden lassen auf die Frage, wie die Gesellschaft – vermittelt durch die Politik – solche Schulen bauen und finanzieren kann.
1.2Neubau, Erweiterung, Sanierung als Chance
So wünschenswert es wäre, Schulen nach den heutigen Erkenntnissen zum Lernen zu konzipieren und neu zu bauen, so utopisch ist dieses Ansinnen. Bei ca. 33.000 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland (ca. 5.000 in Österreich und ca. 6.000 in der Schweiz) wird man nicht umhinkommen, den Bestand weiter zu nutzen. Doch mehr als andere Gebäude durchlaufen Schulen immer wieder Sanierungs- und Erweiterungszyklen. Sie werden veränderten Bedürfnissen, sich wandelnden technologischen Standards und variierenden Schüler*innenzahlen angepasst – wenn auch meist nicht im gewünschten Tempo. Wir wollen hier deutlich machen, dass Sanierungen und Schulerweiterungen hervorragende Gelegenheiten sind, pädagogisch-konzeptionelle Anforderungen in die Schulbaumaßnahme einzubringen. Und natürlich gibt es immer wieder den Fall beträchtlicher Schulerweiterungen oder vollständiger Neubauten. Sie sind einzigartige Chancen und haben das Potenzial, deutliche Signale in das Land zu senden und Weichenstellungen zu markieren bzw. neue Standards zu setzen.
Wenn es um Schulbau geht, gibt es unterschiedliche Akteure mit je eigenen Kompetenzen und Zuständigkeiten. Es gibt politische Vorgaben (Schulbauprogramme, Modellraumprogramme der Länder), die maßgeblich sind für die Schulbauförderung. In den meisten Fällen kommt der Kommune als Schulträger die Rolle des Bauherrn zu mit allen entsprechenden Verantwortlichkeiten. Und die Schule hat nicht nur quantitativ ihren räumlichen Bedarf einzubringen, sondern sollte auch klare pädagogische, zukunftsorientierte Vorstellungen im Hinblick auf die schulische Baumaßnahme haben. Schulbauliche Veränderungen sind langanhaltende Weichenstellungen für die Arbeit der Schulen.
Abb. 1: Schulentwicklung und Schulbau
Wir gehen davon aus, dass es in erster Linie die Schulleitungen sind, die nicht nur auf Sanierung oder Erweiterung drängen, sondern gleichzeitig jede bauliche Gelegenheit nutzen, ihre Schule pädagogisch-konzeptionell voranzubringen. Hierzu wäre es sinnvoll, wenn sie in Form von Fortbildungsmaßnahmen durch die Bildungspolitik angeregt und unterstützt würden. Aber auch Kommunen – die ja in der Regel die Bauträger sind – haben natürlich ein großes Interesse, dass ihre Schüler*innen in attraktiven Schulen bestens gefördert werden. Und wenn Architekten mit Schulbauplanungen konfrontiert werden, sollte die erste Frage an die Schule sein: Wie sieht euer pädagogisches Konzept aus? Wie soll Lernen und Lehren an dieser Schule stattfinden? Welches zukunftsorientierte Verständnis von Schule habt ihr? Welchen Anforderungen kann und muss die Schule in Zukunft gerecht werden? Was sollten die Kinder von heute lernen und welche Fähigkeiten benötigen sie in der Welt von morgen?
Zunehmend setzt sich auch die Erkenntnis durch (es ist im deutschsprachigen Raum nichts anderes als ein Paradigmenwechsel), dass Schulen nicht nur Orte des Lernens sind. Sie sind auch Orte des Lebens und vielfältiger Begegnungen. Die Zeit, die Schüler*innen – insbesondere die jüngeren – in der Schule verbringen, ist beträchtlich und steigt unaufhörlich an, was insbesondere auch an der Notwendigkeit liegt (und das bis weit in die obere Mittelschicht), dass beide Elternteile zum Familieneinkommen beitragen müssen. Zudem haben viele auch unabhängig von ökonomischen Zwängen den Wunsch, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen – ganz im Sinne von Gleichberechtigung. Schulen müssen heute und in der Zukunft noch mehr Funktionen übernehmen (Stichwort: Ganztag), die in früheren Jahren von der Familie wahrgenommen wurden. Das erfordert ein Nachdenken über die Bedürfnisse von Jugendlichen – gerade auch in der Adoleszenz. Und das erfordert neue Konzepte der Schulentwicklung und sorgfältige Überlegungen, wie sich diese neuen pädagogischen Ansätze auf Schulerweiterungen und den Schulneubau auswirken.
1.3Schulbau und Schulqualität
Ziel jeder Schule ist es, eine im Rahmen der Möglichkeiten hohe Ergebnisqualität zu erreichen. Dazu gehören – dem traditionellen Verständnis von Schule entsprechend – gute Leistungsergebnisse, was natürlich in erheblichem Maße von der Effizienz des Lernens in der Schule abhängt.
Doch die Ergebniserwartungen sind weitaus vielfältiger. Neben fachlichen Kompetenzen sind es auch personale, soziale und methodische Kompetenzen...




