E-Book, Deutsch, 244 Seiten
Bautz Europäische Anregungen zu Sozialer Inklusion. Reader zur internationalen Konferenz 2005 in Magdeburg
1. Auflage 2006
ISBN: 978-3-86596-059-7
Verlag: Frank & Timme
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 244 Seiten
ISBN: 978-3-86596-059-7
Verlag: Frank & Timme
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Ist das Konzept der Sozialen Inklusion eine inflationär gebrauchte, neue Fachvokabel oder ein zukunftsfähiges Paradigma für die Gestaltung des sozialen Zusammenlebens in Europa? Ist eine Gesellschaft möglich, die der Verschiedenheit jedes Menschen Raum gibt? 21 Autoren aus Europa, darunter Politiker, Wissenschaftler, Studierende sowie Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, stellen sich diesen Fragen. Der Band enthält sowohl Konferenzbeiträge als auch Forschungsergebnisse, in denen u.a. der Einfluss von Physiotherapie auf die Lebensqualität von Rheumakranken, Identitätsarbeit und Selbstorganisationsprozesse von Migranten, Erfahrungen mit Persönlicher Assistenz für Menschen mit Behinderungen sowie gesellschaftliche Erwartungen an werdende Mütter angesichts wachsender Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik thematisiert werden.
Der Autor
Wolfgang Bautz, promovierter Soziologe und M. A., ist Geschäftsführer einer Beratungsfirma, die vor allem kommunale Verwaltungen in Zuwanderungsfragen unterstützt. SeineForschungsinteressen richten sich auf Selbstorganisationsprozesse von Migranten und Möglichkeiten von sozialer Inklusion in strukturschwachen Regionen. Janna Harms, M. A., arbeitet als Diplom-Heilpädagogin für Erwachsene mit geistiger Behinderung. Ihre fachlichen Schwerpunkte sind Inklusion, Migration und Behinderung. Sabine Ulbricht-Thiede, M. A., ist als Diplom-Heilpädagogin in einem Kinder- und Jugendheim tätig. Ihr berufliches Interessegilt neben Sprachstörungen insbesondere der Medizinethik sowie dem rechtlichen Schutz von Kindern.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;0. Vorwort;10
3;Teil I - Konferenzdokumentation -;14
3.1;1. Soziale Inklusion – Begriff, Dynamik und Diskussion auf europäischer Ebene;16
3.1.1;1.1 Konzeptionelle und politische Überlegungen;16
3.1.1.1;Vielfalt/Verschiedenheit als Wert – Zum Begriff und Verständnis von Inklusion;16
3.1.1.1.1;Der Kontext: Transformationsprozesse und veränderte Normalität;16
3.1.1.1.2;Reflexive Modernisierung des Menschenbildes: Vielfalt/Verschiedenheit als Variante von Normalität;18
3.1.1.1.3;Ethik der Anerkennung;19
3.1.1.1.4;Inklusion als Vision und advokatorisches Mandat;20
3.1.1.1.5;Quellenangabe;25
3.1.1.2;Die Offene Methode der Koordination – ein Europäisches Instrument zur sozialen Eingliederung in den Mitgliedsstaaten;28
3.1.1.2.1;Was wurde bisher mit der Offenen Methode der Koordination erreicht?;29
3.1.1.2.2;Erreicht die Offene Methode der Koordination ihre gesteckten Ziele?;30
3.1.1.2.3;Wie geht es weiter mit der Offenen Methode der Koordination?;31
3.1.2;1.2 Kommentare der Studierenden aus der Per-spektive der Forschungsarbeiten;32
3.1.2.1;Der Einfluss von „Weltsystem“ und Globalisierung auf die Semi-Peripherie im Alten und Neuen Europa;32
3.1.2.2;Kommentar zu Vielfalt und Verschiedenheit als Wert;38
3.1.2.2.1;Der Kontext: Transformationsprozesse und veränderte Normalität;38
3.1.2.2.2;Reflexive Modernisierung des Menschenbildes: Vielfalt/Verschiedenheit als Variante von Normalität;39
3.1.2.2.3;Die Ethik der Anerkennung;41
3.1.2.2.4;Inklusion als Vision und advokatorisches Mandat;41
3.1.2.2.5;Quellenangabe;43
3.1.2.3;Das Persönliche Budget – Mittel zu sozialer Inklusion?;44
3.1.2.4;Persönliche Assistenz – Altes neu inszeniert?;48
3.2;2. Inklusive Gemeinschaften bilden – Eine Herausforderung für alle;54
3.2.1;2.1 Konzeptionelle und politische Überlegungen;54
3.2.1.1;Inklusive Gemeinschaften bilden – Eine Herausforderung für alle;54
3.2.1.2;Magdeburg – eine Stadt im Wandel;62
3.2.2;2.2 Kommentare der Studierenden aus der Perspektive der Forschungsarbeiten;72
3.2.2.1;Identität, Körper und Behinderung;72
3.2.2.2;Welchen Einfluss hat Physiotherapie auf die soziale Inklusion von Menschen mit rheumatoider Arthritis?;78
3.2.2.3;Gotteserfahrung als Drogentherapie;82
3.2.2.4;Perspektivwechsel – WebUni.de, eine Magdeburger Stu-dentencommunity mit Bindungspotential an den Lebensraum Magdeburg;86
3.3;3. Zusammenfassung der Podiumsdiskussion;92
3.3.1;Stärke im Inklusionsprozess: Vielfalt der Akteure und Instrumente!;92
3.4;4. Berichte und Impulsreferate der Fachforen;96
3.4.1;4.1 Anti-Diskriminierungsgesetz – Ein Instrument von gestern zur Bekämpfung der Probleme von morgen?;96
3.4.1.1;Bericht zum Fachforum;96
3.4.1.2;Impulsreferat I;98
3.4.1.2.1;Antidiskriminierungspolitik und Strategie der Sozialen Inklusion der EU;98
3.4.1.3;Impulsreferat II;106
3.4.1.3.1;Positionierung;106
3.4.1.3.2;Begrifflichkeiten;106
3.4.1.3.3;Unterscheidungen;107
3.4.1.3.4;Bestandsaufnahme;108
3.4.1.3.5;Einschätzung;109
3.4.1.3.6;Forderungen;111
3.4.2;4.2 Migration und Inklusion – Europäische Er-fahrungen nutzen und Neues wagen;112
3.4.2.1;Bericht zum Fachforum;112
3.4.2.2;Impulsreferat I;116
3.4.2.3;Impulsreferat II;120
3.4.2.3.1;Das Interkulturelle Beratungs- und Begegnungszentrum;120
3.4.2.3.2;Ressourcenorientierte Beratung;120
3.4.2.3.3;Schaffen von Begegnungsmöglichkeiten;121
3.4.2.3.4;Ressourcenorientierte Projekte;121
3.4.3;4.3 Umbau des Sozialstaates – Soziale Arbeit als Dienstleistung;124
3.4.3.1;Bericht zum Fachforum;124
3.4.3.2;Impulsreferat I;128
3.4.3.2.1;Problemsicht;128
3.4.3.2.2;Motive für ein Umdenken;128
3.4.3.2.3;Ziel momentaner Bestrebungen;129
3.4.3.2.4;Erwartete Veränderungen;129
3.4.3.2.5;Rolle der EU bei der erwarteten Entwicklung;129
3.4.3.2.6;Folgen für die Werteorientierung;130
3.4.3.3;Impulsreferat II;132
3.4.3.3.1;Eine Vorbemerkung in eigener Sache;132
3.4.3.3.2;Welches wären demnach Leitbilder, mit denen die Akteure in die gesell-schaftliche Diskussion treten können?;134
3.4.3.3.3;Quellenangabe;138
3.5;5. Bericht zum Ideen-Café;140
3.5.1;Wie sollte eine Gemeinschaft aussehen, in der jeder seinen Platz finden und sich zugehörig fühlen kann?;140
4;Teil II - Forschungsergebnisse der Studierenden -;146
4.1;1. Welchen Einfluss hat Physiotherapie auf die soziale Inklusion von Menschen mit rheu-matoider Arthritis?;148
4.1.1;Einleitung;148
4.1.2;RA, Physiotherapie und soziale Inklusion;150
4.1.3;Methodologischer Ansatz;153
4.1.4;Ergebnisse;157
4.1.5;Diskussion;164
4.1.6;Zusammenfassung;170
4.1.7;Quellenangabe;171
4.2;2. Sie sind aus Russland ausgesiedelt, doch Russland hat sie nie verlassen!;174
4.3;3. Abenteuer Persönliche Assistenz;198
4.3.1;Blicke über den Tellerrand nach Schweden, Großbritannien und in die Niederlanden;200
4.3.2;Beschreibung der Ausgangslage;203
4.3.3;Hypothesen und Zielstellung;205
4.3.4;Ergebnisse;209
4.4;4. Pränataldiagnostik (PND) zwischen öffentlicher Meinung und persönlicher Entscheidung;216
4.4.1;Die Vielzahl der Untersuchungsmethoden - ihre Grenzen und Möglichkeiten;217
4.4.2;Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland - Richtlinien und Auslegungsspielräume;219
4.4.3;Rechtsgrundlagen im europäischen Blickwinkel - Ein Einblick in unterschiedliche Entscheidungsbedingungen für werdende Mütter in verschiedenen Staaten Europas;221
4.4.4;Mögliche Einflussfaktoren für die Inanspruchnahme von PND;222
4.4.5;Schlusswort: Pränataldiagnostik zwischen öffentlicher Meinung und persönlicher Entscheidung;237
5;Autorenverzeichnis;242
6;Mehr eBooks bei www.ciando.com;0
2. Inklusive Gemeinschaften bilden – Eine Herausforderung für alle (S. 53-54)
2.1 Konzeptionelle und politische Überlegungen
Inklusive Gemeinschaften bilden – Eine Herausforderung für alle David Johnstone; Lehrender des Masterstudienganges „European Perspectives on Social Inclusi-on" von der Edge Hill University, Großbritannien Ich danke Ihnen für diese Möglichkeit, zur Konferenz beitragen zu können. Als ich zusagte, über dieses Thema zu sprechen, ist es mir nicht richtig bewusst gewesen, dass die Konzepte Integration und Inklusion schon seit gut 30 Jahren im Umlauf sind und trotzdem immer noch debattiert werden. In meinem Land, hat sogar die Schutzpatronin der Integration und Inklusion im Bildungsbereich Mary Warnock Bedenken angemeldet. Sie hat zu verstehen gegeben, dass der Enthusiasmus des ursprünglichen Berichts der Warnock-Kommission (1978) zu weit gegangen sei und dass auch im Getrennt-Sein Vorteile liegen könnten.
So ist Inklusion ein Konzept, welches sowohl auf breiter Basis befürwortet wird, als auch auf ebenso große Ablehnung stößt. Tatsächlich hat es nur eine Bedeutung, wenn dessen Gegenteil, das Konzept der Exklusion, mit bedacht wird. Ebenso wie die Konzepte Innen und Außen benötigen beide Begriffe einander, damit sie voll verstanden werden können.
Wie Bürgerschaft („citizenship") ist Inklusion ein Indikator für Zugehörigkeit. Hierbei bildet die Mitgliedschaft in einer politischen und sozialen Gemeinschaft, und somit das Gefühl der Zugehörigkeit, eine Quelle der Identität, was die Welt weniger bedrohlich und fremd macht.
Das Konzept der inklusiven Gemeinschaften bedeutet, dass diejenigen Menschen zusammengebracht werden, welche sich von denjenigen unterscheiden, die von der Mitgliedschaft ausgeschlossen sind. Dieser exklusive Aspekt von Inklusion ist umso problematischer geworden, je stärker sich die europäischen Gesellschaften den Idealen der Freiheit, Gleichheit und Demokratie für alle Bürger der Gesellschaft angenähert haben. Wie können wir beispielsweise auf der einen Seite Rechte und Freiheiten für alle proklamieren, während wir auf der anderen Seite fortfahren so ziale Systeme aufrecht zu erhalten, die einige Individuen und Gruppen deklassieren und unterdrücken? Die Bildung behinderter Menschen in Sonderschulen ist hierfür ein offenkundiges Beispiel. Die Existenz des Sonderschulsystems kann am besten als ein System begriffen werden, dass auf der gleichen Philosophie der Selektion oder auf der gleichen politischen Ideologie beruht, wie die Aufteilung von Kindern im Altern von 11 Jahren zu der Zeit als ich zur Schule ging. Das „11+Examen" sortierte diejenigen, die zum Gymnasium gingen, von denen aus, die die Haupt- und Realschule besuchten. Solch eine Philosophie basiert auf zwei grundlegenden Argumentationslinien: Erstens, dass Kinder in homogene Gruppen aufgeteilt wer-den könnten und sollten, welche eines einheitlichen Erziehungsstils bedürften. Zweitens, dass diese Erziehung in von einander getrennten Gebäuden stattzufinden habe. Die Rechtfertigung für solch eine Philosophie der Selektion, wie in diesem Fall der Gymnasien, basierte auf der Überlegung, dass es leichter ist, gesonderte Gebäude mit einer Aura zu umgeben, die Lehrern wie Schülern einen höheren Sta-tus verleihen. Die Konsequenz dieser Selektion für diejenigen, die als Schüler mit geringeren Fähigkeiten gelten, ist eindeutig. Ebenso wie ein hoher Status durch die Auswahl und die Beschulung in dem abgetrennten Gebäude des Gymnasiums ge-währt wird, wird die Minderbegabung und der niedrige Status durch die Aussonde-rung verstärkt. Dies gilt im Besonderen für Kinder, von denen angenommen wird, dass sie Lernbeeinträchtigungen haben.
Jedoch, selbst wenn solche Ungereimtheiten ausgebügelt werden könnten, wäre es gewagt zu behaupten, dass es keinen Unterschied gäbe zwischen einer, ich nenne es, Inklusion erster und zweiter Klasse. Eine Einteilung nach Klasse, Einkommen, Geschlecht, Herkunft, Behinderung, Alter und Sexualität geht gewöhnlich mit Sta-tusunterschieden in der einen oder anderen Form einher.