E-Book, Deutsch, 114 Seiten
Bay Erfolgreiche Gespräche durch aktives Zuhören
10. durchgesehene Auflage 2021
ISBN: 978-3-8169-0049-8
Verlag: expert verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 114 Seiten
ISBN: 978-3-8169-0049-8
Verlag: expert verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wer möchte nicht im Beruf und im Privatleben bessere Gespräche führen können! Über die Vervollkommnung der Redefähigkeit gibt es viele Bücher. Dieses Buch dagegen setzt beim aktiven Zuhören an. Es beruht auf neueren Erkenntnissen der Kommunikationspsychologie und zeigt anhand vieler alltagsnaher Beispiele, dass das gekonnte Zuhören im Gespräch schon der halbe Erfolg ist. Zudem erhalten die Leser:innen anhand umfangreicher Übungen immer wieder die Möglichkeit, ihre Zuhörfähigkeit zu prüfen und weiterzuentwickeln.
Dr. rer. pol. Rolf H. Bay ist Dipl.-Betriebswirt, Wirtschafts- und Sozialpsychologe, zertifizierter systemischer Berater (SG) und zertifizierter ZRM-Coach (ISMZ).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
2 Die 4 Ebenen in der Kommunikation
2.1 Der 4-Kanal-Sender
Wenn wir die Tatsache, dass es vier Ebenen einer Aussage gibt, einmal aus der Sicht des Senders betrachten, dann erhalten wir folgende Bedeutungen. Der Sender drückt auf der Sach-Ebene aus = Worüber ich dich informiere. Beziehungs-Ebene aus = Wie ich dich und unsere Beziehung sehe. Selbstmitteilungs-Ebene aus = Was ich von mir mitteile. Appell-Ebene aus = Wozu ich dich veranlassen will. Dieser Zusammenhang ist nachfolgend modellhaft dargestellt. Bild 2.1:Die Bedeutungsebenen in der Sender-Aussage Wir wollen diesen Zusammenhang an einem Beispiel näher betrachten. Ein Verkäufer sagt zu einem Kunden: „Die ganze Angelegenheit ist nicht so einfach, wie Sie denken. Bei so ausgefallenen Wünschen stellt sich die Kon-struktionsabteilung meist quer.“ Damit hat der Verkäufer nun folgendes gesagt: 1. Sache = Die ganze Angelegenheit ist nicht so einfach usw. 2. Beziehung = Wenn alle Kunden so wären wie du, kämen wir nicht mehr zum Verkaufen (ICH + / DU –). 3. Selbstmitteilung = Ich fühle mich unter Druck gesetzt. 4. Appell = Überleg dir bitte eine einfachere Lösung. Ein weiteres Beispiel. Der Kunde sagt im Reklamationsgespräch zum Verkäufer: „Wie lange sind Sie denn schon bei der Firma?“ 1. Sache = Wie lange sind Sie denn schon bei der Firma? 2. Beziehung = Wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden? (ICH +/ DU –) 3. Selbstmitteilung = Ich habe kein Vertrauen zu Ihnen. 4. Appell = Finde endlich eine brauchbare Lösung. Im konkreten Gespräch hat jetzt der Partner die Möglichkeit, auf einer der vier Ebenen anzusetzen. Es wird unter anderem auch von der Gesamtsituation abhängen, auf welcher Ebene er einsteigen will. Und ganz entscheidend ist natürlich, wie viele Bedeutungsebenen der Empfänger in seiner Zuhörer-Rolle überhaupt mitbekommt. Was er potentiell alles hören könnte, ist im nächsten Punkt kurz skizziert. 2.2 Der 4-ohrige Empfänger
Der Empfänger einer Aussage kann diese mit 4 Ohren hören. Das geht zwar anatomisch gesehen nicht, aber psychologisch sehr wohl. Sach-Ohr = Wie ist die Sache zu verstehen? Beziehungs-Ohr = Wie sieht der mich?
Wie redet der eigentlich mit mir? Selbstmitteilungs-Ohr = Was ist mit dem los? In welchem Zustand befindet der sich? Appell-Ohr = Was soll ich aufgrund der Aussage jetzt tun, fühlen oder denken? Dieser Zusammenhang ist in Bild 2.2 modellhaft dargestellt. Nun zeigt sich im Alltag immer wieder, dass wir, je nachdem mit wem wir reden, längst nicht mit allen vier Ohren zuhören. Wir hören bei dem einen Gesprächspartner bevorzugt Beziehungsanteile in seiner Aussage, insbesondere dann, wenn wir uns selbst als ICH + sehen, und meinen, der Partner wolle uns ins DU – drücken. Bei anderen wiederum hören wir in allem und jedem Appellreize und reagieren dementsprechend. Wie störungsfrei sich die Kommunikation gestaltet, ist wesentlich davon abhängig, welche Bedeutungsebenen beide Gesprächspartner beim Zuhören wechselseitig ausblenden. Bild 2.2:Die 4 Bedeutungsebenen einer Aussage aus Empfängersicht. Je besser Sie deshalb als Zuhörer in der Lage sind, die vier Bedeutungsebenen einer Aussage zu erfassen, umso mehr können Sie sich partnerorientiert und situationsangemessen verhalten. Schauen wir uns jetzt die beiden Beispiele aus dem vorigen Abschnitt einmal aus der Sicht des Empfängers an. Der Kunde hört: 1. Sache = Die ganze Angelegenheit ist nicht so einfach, wie Sie denken. Bei so ausgefallenen Wünschen stellt sich die Konstruktionsabteilung meist quer. 2. Beziehung = Du bekommst keine Extrawurst gebraten (Kunde –, Verkäufer +). 3. Selbstmitteilung = Ich kann mich intern nicht durchsetzen und befürchte Schwierigkeiten. 4. Appell = Lass die Finger davon. Und in unserem Reklamationsbeispiel hört der Verkäufer: 1. Sache = Wie lange sind Sie denn schon bei der Firma? 2. Beziehung = Dein Vorgänger hat Ahnung, aber du bist eine Niete (Verkäufer –, Kunde +). 3. Selbstmitteilung = Ich bin verärgert über die Bearbeitung der Reklamation. 4. Appell = Fühle dich schuldig. Die Analyse der beiden Aussagen nach den drei zusätzlichen psychologischen Ebenen hat gezeigt, was eine scheinbare „Sachaussage“ so alles verbirgt. Hinzuzufügen ist noch, dass in den Beispielen je nach Beziehungsdefinition auch andere Interpretationen der Sachaussage denkbar sind. Wer die vier Bedeutungsebenen einer Aussage entschlüsseln kann, dem bieten sich mehr Ansatzpunkte, Dialoge konstruktiv zu gestalten. Und das ist es ja, was die partnerorientierte Kommunikation ausmacht: Sich in die Lage des anderen zu versetzen, um ihn besser verstehen zu können. Auf Dauer wird nur derjenige nutzenbringende Kontakte gestalten und fortführen können, der partnerbezogen kommuniziert. Wer auch immer kommuniziert, sollte sich weniger darum sorgen, eine gute Figur abzugeben, sondern sich vielmehr fragen: Wie könnten meine Äußerungen beim Gesprächspartner ankommen, auf ihn wirken? Denn es gilt: Wahr ist immer auch, was der andere für wahr hält, und es gibt keine Garantie dafür, dass das, was Sie sagen wollen (Absicht), beim anderen auch so ankommt (Eindruck). Der regelkreisförmige Charakter der menschlichen Kommunikation beweist dies tagtäglich. Und gerade in konfliktträchtigen, emotional aufgeladenen Situationen wird die Fähigkeit, Botschaften mit vier Ohren zu hören, von unschätzbarer Wichtigkeit. Die Sache ist sehr oft nur die Spitze des Eisberges. Und bei Eisbergen ist ja – wie wir alle wissen – gerade das gefährlich, was unter der Oberfläche schwimmt, weil der Tiefgang nur schwer auszuloten ist. Hier braucht man die Fähigkeit, die Psychologik der Situation richtig auszuloten. Je mehr ich als Gesprächspartner begreife, dass ich Bestandteil einer Situation bin, ein Element im offenen System „Kommunikation“, umso leichter fällt es mir, mich partnerbezogen zu verhalten. Das nachfolgende Bild macht die unterschiedlichen Bedeutungsebenen noch einmal aus Sender- und Empfänger-Sicht deutlich. Bild 2.3:Vergleich der 4 Bedeutungsebenen nach Sender- und Empfängerrolle Übung 1: Die vier Seiten einer Mitteilung Bevor wir uns nun eingehender mit dem aktiven Zuhören befassen, haben Sie Gelegenheit, einige Übungen zu machen. Sie dienen dazu, das Grundmodell der 4-Ebenen-Kommunikation in den Griff zu bekommen. Analysieren Sie bitte alle folgenden 5 Aussagen aus der Sicht des Empfängers. Einen Lösungsvorschlag finden Sie auf Seite 24 f. Viel Erfolg! Fall 1: Mann und Frau fahren gemeinsam im Auto. Die Frau fährt. 50 Meter vor der Verkehrsampel, die Grünlicht anzeigt, sagt der Mann zu seiner Frau: „Da vorne ist die Ampel grün.“ Fall 2: Ein Kunde sagt während eines Gespächs zum Verkäufer: „Wollen sie etwa sagen, dass das alles ist, was sie an Konditionen einräumen können?“ Fall 3: Ein Kunde sagt zum Verkäufer: „Sehen sie zu, wie sie das hinkriegen. Montag will ich meine Sachen haben.“ Fall 4: Ein Verkäufer sagt zum Kunden: „Sie sind doch sicherlich mit mir einer Meinung, dass man dagegen etwas unternehmen muss.“ Fall 5: Ein Ehemann fragt seine Frau: „Sag mal, ist noch Bier im...