Beauvoir / Bennholdt-Thomsen / Gouges | Befreiung der Frau | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Beauvoir / Bennholdt-Thomsen / Gouges Befreiung der Frau

Texte zur Geschichte eines weltweiten Kampfes
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-85371-894-0
Verlag: Promedia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Texte zur Geschichte eines weltweiten Kampfes

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-85371-894-0
Verlag: Promedia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ungleiche Geschlechterverhältnisse sind noch immer tief in unsere Gesellschaft eingeschrieben. Der Kampf für die Befreiung der Frau von patriarchaler Unterdrückung, wirtschaftlicher Abhängigkeit und Sexismus sowie für soziale Gleichheit steht nach wie vor auf der Tagesordnung jeder wahrhaften emanzipativen und progressiven Bewegung. Die Wiener Forscherin Julia Harnoncourt versammelt in ihrem Band 'Für die Befreiung der Frau' Schriften und Analysen von Aktivistinnen und Theoretikerinnen aus zwei Jahrhunderten des Kampfes. Von den Kämpferinnen der ArbeiterInnenbewegung bis zu den Feministinnen nach dem Zweiten Weltkrieg, von der afroamerikanischen Frauenbewegung bis zu den Vertreterinnen des Globalen Südens, von Clara Zetkin und Simone de Beauvoir bis zur Zweiten Frauenbewegung der 1970er Jahre wird versucht, möglichst viele verschiedene Analyse- und Lösungsansätze zu Wort kommen zu lassen. So zum Beispiel die Frage nach biologischem und sozialem Geschlecht oder nach gerechter Verteilung. Ein weiteres wichtiges Thema ist das Verhältnis von Frauen zur Arbeit, wobei Haus- und Pflegearbeit besonders kontrovers diskutiert wird. Der Slogan 'Das Private ist politisch' betrifft nicht nur die Hausarbeit, sondern auch den weiblichen Körper, Liebe und Sexualität. Im Kampf gegen die Ungleichheit stellt sich schließlich auch die Frage, mit wem überhaupt zusammen gekämpft werden kann. Können Männer die Interessen von Frauen vertreten? Und können von Rassismus oder globaler Ungleichheit betroffene Frauen mit weißen Frauen aus dem Norden gemeinsam um ihre Rechte kämpfen, wenn alle unterschiedliche Erfahrungen machen? Das Buch 'Befreiung der Frau' versammelt verschiedene Perspektiven und Antworten aus unterschiedlichen feministischen Kämpfen und Regionen der Welt.

Julia Harnoncourt, geboren 1985 in Wien, studierte Geschichte an der Universität Wien und arbeitet an der Universität Luxemburg. Wissenschaftlich beschäftigt sie sich mit verschiedenen Faktoren der ungleichen Verteilung von Ressourcen, wie Arbeit, Migration, Rassismus, Sklaverei, Kolonialismus und der Rolle der Frau. Im Promedia Verlag ist von ihr erschienen: 'Unfreie Arbeit. Trabalho escravo in der brasilianischen Landwirtschaft' (2018).
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Julia Harnoncourt: Einleitung


Das vorliegende Buch vereint unterschiedliche Texte, die sich mit der Theorie und Praxis von Frauen und ihren Erfahrungen in feministischen (und anderen) Kämpfen und Bewegungen befassen. Ungleiche Geschlechterverhältnisse sind noch immer tief in unsere Gesellschaft eingeschrieben. Der Kampf für die Befreiung der Frau von patriarchaler Unterdrückung, wirtschaftlicher Abhängigkeit und Sexismus sowie für soziale Gleichheit steht nach wie vor auf der Tagesordnung jeder tatsächlich emanzipativen und progressiven Bewegung. Die unterschiedlichen Tatbestände wirken auf alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens ein, auf die Ökonomie, transnationale Verhältnisse, die Politik, auf Religion, auf kulturelle Produktion und auf die Sprache, aber auch auf Liebesbeziehungen, Sexualität, Freundschaften, Selbstwahrnehmung und persönliche Ziele. Sie betreffen nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Diese sich real auswirkenden Ungleichheiten werden gleichzeitig als Evidenz für die Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen betrachtet. Sie stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zu einem Diskurs, der diese Ungleichheiten legitimiert und verfestigt.

Die historische Verankerung und globale Ausbreitung dieser Diskurse – die zeitliche und regionale Spezifika aufweisen – sowie ihre Verflechtung mit menschlichen Realitäten und ihre multiple Ursächlichkeit macht es extrem schwierig, einen Anfang zu finden, diese zu entwirren und dem System dieser Ungleichheitsverhältnisse entgegenzuwirken. Feministische Theorien versuchen genau dies zu tun.

Doch auch unter der weltumspannenden Kategorie „Frauen“ finden sich massive Unterschiede entlang sozioökonomischer Grenzen, religiöser, politischer und kultureller Zugehörigkeitsgefühle, sexueller Ausrichtung und körperlicher Fähigkeiten. Auch diese Ungleichheiten sind mit lokal- und/oder global-flächendeckenden Machtsystemen verknüpft und beeinflussen die konkreten Erfahrungen und Blickwinkel feministischer Bewegungen und Frauenkämpfe. So wird die Wurzel dieser Ungleichheiten und Lösungsansätze an unterschiedlichen Stellen gesucht und gefunden. Die Bewertung der wichtigsten Themen fällt ebenso unterschiedlich aus, wie der grundsätzliche Zugang, der wissenschaftlich ist oder von persönlichen Erfahrungen im Kampf gegen Unterdrückung ausgeht. Weil Feminismus und Frauenkämpfe kein Monolith sind, sondern lebendig und dadurch in ständiger Bewegung, gibt auch dieser Band eine Vielzahl von Analysen, Fragen und Kämpfen wieder. Dabei wurde versucht, möglichst viele verschiedene Analyse- und Lösungsansätze zu Wort kommen zu lassen. Als Herausgeberin liegen mir vor allem Texte aus konkreten Kämpfen in Form von Grundlagenwissen, Reflexionen, Theorienbildung und Anleitungen am Herzen. Außerdem sollen hier Klassiker zur Frauenbefreiung mit im deutschsprachigen Raum weniger bekannten Texten aus dem globalen Süden verknüpft werden. Ein solcher Band darf auf keinen Fall lediglich die üblichen Stimmen weißer, westlicher, heterosexueller Feministinnen reproduzieren. Denn selbst wenn die meisten Leser*innen sich in Europa befinden, wollen wir „unseren“ Feminismus nicht nur in unserer eigenen Suppe weiterverkochen: Wir wollen andere Perspektiven hören, uns davon bereichern lassen und daraus lernen.

Viele der Entscheidungen der Textauswahl waren nicht leicht zu treffen. Besonders im Gedächtnis sind mir die Glorifizierung der Sozialdemokratie als Partei der Frauen durch Alexandra Kollontai (und bis zu einem gewissen Grad auch durch Clara Zetkin), die unhinterfragte Verwendung des Begriffs Prostitution als absolutes Zeichen amoralischer Konventionen durch Madeleine Vernet genauso wie ihr Ausblenden von Liebe und Verlangen abseits der Heterosexualität oder die stark religiösen Elemente in Zhora Drifs Memoiren geblieben. Ich persönlich finde diese spezifischen Standpunkte schwierig, aber sie sind Teil der historischen Realität dieser Persönlichkeiten und müssen darum, da keine Geschichtsklitterung betrieben werden soll, Teil der veröffentlichen Texte sein. Ich hoffe deshalb, dass darüber nicht die anregenden Fragen und Überlegungen, die diese Schriften eröffnen, ignoriert werden oder zu kurz kommen. Schließlich halte ich die Dokumente, Kämpfe und Lebensrealitäten dieser Frauen für wichtige Beiträge zum Feminismus und zu Frauenkämpfen.

Schließlich soll diese Ausgabe linker Texte andere Feministinnen dazu anregen, sich weitere und neue Fragen zu stellen, nach neuen Perspektiven zu suchen, möglicherweise ihre Strategien und einige ihrer Einstellungen zu überprüfen. Ein Wunsch hinter dieser Ausgabe ist, nicht nur beim Bilden von Theorien, sondern auch bei konkreten Herausforderungen und Kämpfen eine Unterstützung zu sein. Manche der Aufsätze widersprechen sich oder finden entgegengesetzte Antworten auf ähnliche Fragen. Einige der Texte beziehen sich auch explizit aufeinander, entweder in ablehnender Weise wie Angela Davis, die Dalla Costa und Selma James kritisiert, oder zustimmend, wie Zohra Drif, die in einem ihrer Untertitel „Man kommt nicht als Kämpferin zur Welt, man wird es“ den Satz von Simone de Beauvoir verändert zitiert. Die Texte sprechen also miteinander.

In dem Kapitel „Sex und Gender“ unterhält sich Simone de Beauvoir mit Kimberlé Crenshaw. Während Simone de Beauvoir in ihrem 1949 veröffentlichtem Buch „Das andere Geschlecht“ über die Unterscheidung zwischen biologischem Geschlecht und sozialer Prägung schreibt, also darüber, wie die Gesellschaft Menschen zu Frauen macht, prägte Kimberlé Williams Crenshaw 40 Jahre später den Begriff der Intersektionalität, der die Überschneidung verschiedener Marginalisierungs-, Unterdrückungs- und Diskriminierungsstrategien, vor allem in Bezug auf Geschlecht, zugeschriebener Rasse und ökonomischen Verhältnissen beschreibt. Beide Autorinnen prägten massiv die weitere feministische Theorienbildung.

Simone de Beauvoir war eine der wichtigsten sozialistischen Intellektuellen ihrer Zeit. „Das andere Geschlecht“ ist bis heute eines der wesentlichsten Referenzwerke der feministischen Bewegung und Theorie. Ihre hier veröffentlichte Einleitung hätte wohl auch dieser Edition als Einleitung dienen können, da sie in ihrem Werk bereits viele der Fragen anspricht, die wir uns heute noch stellen. Gleichzeitig beschreibt sie akkurat die Ungleichverteilung von Macht und Ressourcen zwischen Frauen und Männern und diesbezügliche Legitimationsstrategien. Vor allem aber versucht sie zu bestimmen, was eine Frau ausmacht und wie das Frausein definiert werden kann. Dafür stellt sie zuerst fest, dass es Frauen gibt und dass sie sich anhand sozialer Merkmale von Männern unterscheiden. Die Frau werde also durch soziale Praktiken zu dem gemacht, was sie heute ist. Ein Teil dieses Prozesses besteht darin, dass sich der Mann als „normal“ und absolut und die Frau als seine Abweichung setzt, die somit zu „dem Anderen“ wird. Warum aber, fragt sie, akzeptieren die Frauen diese Behandlung im Gegensatz zu Menschen in anderen ungleichen Verteilungsverhältnissen. Auch die Weißen setzen sich als absolut und dunkelhäutigere Menschen als „die Anderen“, auch die Bourgeoisie mache dies gegenüber der Arbeiterklasse. Gründe, warum die Frau dies im Gegensatz zu diesen anderen Gruppen akzeptiere, lägen darin, dass die Gruppe der Frauen zwangsläufig mit der der Männer verbunden sei, aber auch die unterschiedlichen Solidaritäten und Gruppenzugehörigkeitsgefühle, die die Frauen voneinander trennen. Genau hier setzt auch Kimberlé Crenshaws Entwurf der Intersektionalität an.

Crenshaw beschäftigt sich als Juristin vor allem mit institutionalisiertem Rassismus und feministischer Rechtstheorie. Ihre Idee der Intersektionalität entwirft sie vorerst vor allem anhand US-amerikanischer Antidiskriminierungsfälle in dem Artikel „Demarginalizing the Intersection of Race and Sex“.1

In der hier abgedruckten Schrift „Mapping the Margins“ aus dem Jahr 1991 wird diese Theoriebildung weitergeführt. Crenshaw beschreibt, warum es wichtig ist, sich mit Identitäten zu befassen und nicht so zu tun, als gäbe es sie nicht. Diese seien aber nicht unilineare, sondern multiple Zugehörigkeiten. Denn wenn Identitäten nur entweder dunklere Hautfarbe oder das Geschlecht der Frau betonen, werden Schwarze2 Frauen sowohl aus feministischen als auch aus antirassistischen Diskursen ausgeschlossen. Doch nicht nur das, der Theoriebildung in beiden Diskursen wird damit die volle Dimension genommen und die Unterdrückung der jeweils anderen Identität reproduziert. Ähnlich wie Simone de Beauvoir besteht Crenshaw sowohl darauf, dass Kategorien wie Rasse und Geschlecht sozial konstruiert sind, aber gleichzeitig auch Realitäten in unseren Gesellschaften darstellen, die von Bedeutung sind. Es ist ihr aber trotzdem wichtig, eine Unterscheidung zwischen der Kategorisierung als Machtinstrument und der ungleichen Verteilung von Macht, die auf dieser Kategorisierung basiert, zu treffen. Identität kann schließlich auch als Ort des Widerstandes benutzt werden und Marginalisierte können sich die Kategorien als selbstermächtigende Bezeichnungen aneignen. Schließlich betont Crenshaw, dass es zumindest im Moment notwendig sei, mit Identitäten zu arbeiten, verschiedene Marginalisierungen hervorzuheben und diese als Mittel der Koalitionen verschiedenartig Marginalisierter im Kampf für die Aufhebung ungleicher Machtverteilung zu nutzen.

Das Kapitel „Haus- und Lohnarbeit“ behandelt bezahlte und unbezahlte Haus-...


Julia Harnoncourt, geboren 1985 in Wien, studierte Geschichte an der Universität Wien und arbeitet an der Universität Luxemburg. Wissenschaftlich beschäftigt sie sich mit verschiedenen Faktoren der ungleichen Verteilung von Ressourcen, wie Arbeit, Migration, Rassismus, Sklaverei, Kolonialismus und der Rolle der Frau. Im Promedia Verlag ist von ihr erschienen: "Unfreie Arbeit. Trabalho escravo in der brasilianischen Landwirtschaft" (2018).



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