Becker | Jonas Reise – Ein Abenteuer durch Raum und Zeit | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Becker Jonas Reise – Ein Abenteuer durch Raum und Zeit

Mit 11 außergewöhnlichen Farbtafeln

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-641-28321-6
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ein Roman über bedrohte Kindheit und Menschlichkeit, über die Kostbarkeit von Freundschaft und Liebe – und das Glück, seinen Platz in einer abenteuerlichen Welt zu finden.Der 9-jährige Jona, seine Familie und Freunde müssen vor gewaltigen Unwettern und einem grausamen Herrscher aus der Stadt Ninive im alten Mesopotamien fliehen. Durch Wüsten, Sandstürme und Gebirgsschluchten erreichen die Flüchtenden das Mittelmeer. Auch dort drohen Gefahren, dann lockt ein Schiff, sein Ziel verheißt ein neues Leben. Doch ein Orkan und die Begegnung mit einem Wal verändern Jonas Welt – und es geschieht ein Wunder. 3000 Jahre vergehen, und Jona, der Junge aus Ninive (heute Mossul im Irak), der sich und alle Angehörigen schon verloren glaubte, erwacht an der Küste Siziliens … Und schließlich gelangt Jona auch nach Deutschland.Poetisch und einfühlsam erzählt, ist »Jonas Reise« für Kinder wie Erwachsene ein Lese- und Vorlesegenuss.Mit 11 außergewöhnlichen Farbtafeln der Künstlerin Stella Dreis.
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Ninive Oh nein! Was ist das denn? So ein Gebrause und Gesause, da flattert ihm eben ein klatschnasses Huhn fast ins Gesicht, und er selbst kann sich kaum noch auf den Beinen halten in dieser Flut, die um ihn herum ganz trüb und stinkend wie Kamelkacke durch die Straßen treibt. Das ist wirklich verrückt, dachte Jona. Mit einem Mal solch eine ungeheure Menge Wasser. Noch vor wenigen Tagen waren die Böden und alle Wege hier in der Stadt Ninive nur braun, gelb, fahl und trocken wie der heiße Wüstensand gewesen. Wie die Mauern der Häuser. Wie zuletzt auch die Felder der Bauern draußen vor der Stadt. So lange Zeit war kein Regen mehr gefallen. Kam dann abends, wenn die Sonne am Rand des goldglühenden Himmels unterging, endlich ein bisschen Wind auf, dann fühlte der sich an, als hätte Jonas Mutter mit ihrem Pustebalg aus Eselshaut in den Ofen der Küche geblasen – und als hätte das Ofenfeuer die Luft noch mal heißer zurückgepustet. Es ist ein Höllenwind, sagte sein Vater, aber Jona wusste nur, dass die Hölle in einem fernen Land namens Irgendwo lag. Ein merkwürdiger Ort, an dem es immerzu brannte und offenbar keine Feuerwehr gab. Und nun das, dieser Wahnsinnsregen. Er hatte sich angekündigt mit Wolken so dunkel wie schwarze Oliven. Mit Donnergrollen und Blitzen. Vor dem großen Regen kam plötzlich ein Sturm auf und den Menschen in Ninive flogen mit dem aufgewirbelten Sandstaub immer wieder auch die Trauben und Datteln und die Papyrusröllchen der Straßenhändler um die Ohren. In den Röllchen, die von den Händlern verkauft wurden, steckten winzige bunte Steine, und manche bedeuteten Glück, und man bekam ein Geschenk dafür. Doch jetzt hatte niemand mehr Zeit für derlei Glück oder Geschenke. Es platschte und prasselte das Wasser, es brauste der Wind, dass sich Jona am liebsten die Ohren zugehalten hätte. Er war gerade neun geworden und ein guter Schwimmer. Immer gehörte er zu den Schnellsten, wenn er bei der Sommerhitze mit seinen Freunden in einem der vielen Seitenarme des großen Flusses Tigris um die Wette schwamm. Doch das hier, dieses nasse Tosen war alles andere als ein erfrischender Badespaß. Längst konnte der Tigris das viele Regenwasser nicht mehr allein trinken. Er war vor den Toren der Stadt aus seinem weiten, bequemen Flussbett herausgesprungen und ergoss sich gurgelnd in die Straßen von Ninive. Zuerst hatte er die Schilfhütten der Fischer an seinen Ufern weggeschwemmt, aber bald waren die Wassermassen des Tigris auch in die höher gelegenen Teile der Stadt geschwappt, wo die festen Häuser aus gebranntem Lehm und Steinen standen. »Hilfe, zu Hilfe, wir sind keine Fische!«, ertönten jetzt überall Rufe in der Stadt. Jona, der gerade aus der Schule kam, watete bis über die Hüften in einer schlammigen Brühe, fast hätte er schon schwimmen müssen. Viele ältere Leute und kleine Kinder drängten sich in Holzbooten, die auf einmal durch Ninive schaukelten, als sei es eine Stadt mit lauter Kanälen. Die Wege waren nun Wasserstraßen. Gefährliche Wasserstraßen, denn einmal wurde Jona von einer Welle so mitgerissen, dass er seinen von der Nässe schweren, vollgesogenen Stoffbeutel mit der Tontafel darin verlor. Da schwamm er fort, vor seinen Augen! Es war ein schöner Beutel, den seine Großmutter aus Schafswolle selbst gewebt und für ihn mit einem Beerensaft gefärbt hatte – so blau wie ein Himmel ohne Regen. Auf der Tafel hatten eingeritzt die Schulaufgaben für morgen gestanden. Aber kaum hatte Jona das Haus seiner Familie erreicht, gab es für ihn und seine Schwester kein Morgen mit Schule oder Spielplatz mehr. Khalid, der Vater, versammelte die kleine Familie um ein Kaminfeuer. Durch den Regen war es draußen ein wenig kühler geworden, doch das Feuer sollte vor allem die nassen Kleider trocknen und gegen die zähe Feuchtigkeit und die inzwischen überall herumschwirrenden Stechmücken anbrennen. Jonas Mutter Naila und seine Großmutter Arwa schwenkten auch Tücher, die sie mit stark riechendem Nelkenöl beträufelt hatten, um dadurch Mücken und Ungeziefer zu vertreiben. Susanna, die alle nur Susa oder die Süße nannten, Jonas sechsjährige Schwester, musste öfters niesen. »Mich kitzelt das in der Nase!«, rief sie und deutete auf die Tücher mit dem Nelkenöl. Vater Khalid hob Susa auf seinen Schoß und rieb ihr mit kreisender Hand leicht über den Rücken, wie es Kinder und Kranke beruhigt. Dann sprach er eine Weile zu der schweigenden Familie. Ab und an nickten die beiden Frauen mit den Köpfen oder seufzten kurz auf. Susa nieste zwischendurch, und auch Jona nickte manchmal mit, obwohl er nicht alles, was der Vater sagte, so ganz verstand. »Papa«, fragte Jona, »warum ist unser König so böse?« »Ich weiß das auch nicht genau«, meinte sein Vater. »Alles, was in letzter Zeit geschieht, ist wie ein Fluch.« »Was ist ein Fluch? Sagt der König schlimme Worte gegen uns?« Jonas Mutter lächelte und nahm ihren Sohn in den Arm. »Nein, Papa meint keine Schimpfworte. Wenn einer zum anderen ›Du dummer Schweinskopf!‹ sagt, dann flucht er bloß rum. Aber …« »Fluchen ist wie Furzen, nur mit Worten«, krächzte die Großmutter mit einem leisen Kichern. »Nicht aus dem Popo, sondern aus dem Mund!« Eigentlich hatte Arwa eine sanfte Stimme, und meist spielte in ihren Augen, noch bevor der Mund es zeigte, ein weiches Lächeln. Jona und Susa liebten dieses Lächeln, das Arwas Geschichten vorm Schlafengehen begleitete. Selbst wenn die Geschichten ein bisschen schaurig oder traurig waren. Doch jetzt hustete die Großmutter, sie vertrug das Unwetter nicht und machte gleich wieder ein ernstes Gesicht. Wie Jonas Vater. »Nein«, fuhr Vater Khalid fort, »nein, ich meine, über unserer Stadt und unserem Land lastet ein Fluch wie … ein … ein großes allgemeines Unglück. Ich habe das auch schon aus den Sternen gelesen.« Khalid, der schwarz gelockte Haare hatte, aber schon viele Silberfäden in seinem Bart, hielt einen Augenblick inne, wog den Kopf her und hin und senkte seine Stimme. »Einmal kam ein feuriger Stern, ein Komet, auf uns zugeflogen, kein gutes Zeichen!« Wieder machte der Vater eine Pause, dann sagte er: »Zur gleichen Zeit sind nun alle kleinen Flugsterne aus unserem Himmel verschwunden, als hätte der große Komet sie mit seinem Feuerschweif verjagt …« Sein Vater meinte die Sternschnuppen, das wusste Jona, die flogen durch den Nachthimmel wie Kinder von Sternen. Jedes Mal, wenn so ein Sternenkind plötzlich erschien, hatte sich Jonas ganz schnell etwas Schönes gewünscht. Zum Beispiel einen neuen Haufen kleiner Lehmkugeln, die er und Susa zusammen mit dem Nachbarjungen Jussuf im Hof ihres Hauses hin und her kickten. Sprangen die Kugeln mal zur Seite, versuchten die weiße Katze oder der schwarze Hund der Nachbarn nach ihnen zu schnappen und sich eine Kugel zu fangen. Das mit den Schnuppen und Wünschen hatte ihm seine Mutter Naila erzählt. Sie sagte, dass die guten Wünsche die Flugsterne auch von der Erde abhalten sollen, damit keiner von ihnen irgendwann als glühender Felsbrocken auf Häuser und Menschen fällt und ein Mordsloch in den Boden reißt und viel Schaden anrichtet. Statt eines fallenden Sterns waren nun Sturm und Regen und die Flut gekommen, gegen die alles Wünschen nicht geholfen hatte. Die weiße Katze der Nachbarn, die sie wegen des runden rotbraunen Flecks direkt über ihren beiden wie rotbraune Bernsteine leuchtenden Augen Dreiauge nannten und die sich mit Bobi, dem kleinen schwarzen Hund, so gut vertrug, sie hatte Jona seit gestern nicht mehr gesehen. Er wusste, dass Katzen kein Wasser mochten. Vielleicht war Dreiauge auf eine Palme geklettert und traute sich nicht mehr hinab. Fette Ratten trieben in den trüben Fluten und Bobi schwamm einmal mit ängstlichem Blick und steil aufgerichteter Schnauze durch die herumschwappende braune Wasserbrühe. Später war er nur kurz mit seinem lehmverklebten Schwanz auf der Mauer des Nachbarhauses aufgetaucht. Immer, wenn er sich dort schüttelte und zu Jona herüberwedelte, flogen kleine Schlammbrocken aus seinem struppigen, dreckverkrusteten Fell. So, als zerbröckelte das ganze Hündchen und würde mit jedem weiteren Schüttler zu einem Häufchen Warmalhund zerfallen. Das sah ein bisschen komisch aus – aber auch jämmerlich. ˜ Schon vor einiger Zeit hatte Jonas Vater den König, der über Ninive und das umliegende Land herrschte, vor einem drohenden Unheil gewarnt. Khalid gehörte zu den Baumeistern der Stadt und baute gerne Häuser mit Türmen und hohen Dachterrassen. Von ihnen blickte er nicht nur herab auf die Welt, er liebte es noch mehr, hinauf in luftige, hohe Weiten zu schauen. Vor allem in den nächtlichen Himmel. So hatte er einst begonnen, auf den steinernen Schrifttafeln und in Blättern aus Papyrus oder Pergamenten den Lauf der Sterne einzuzeichnen, die Veränderungen der Gestirne, den Flug von Kometen und die wechselnden flimmernden Nebel der Milchstraße, dort, wo die fernsten Sterne ganz dicht beieinanderstehen und ihr weißliches Licht unendlich fein zu versprühen scheinen. Jonas Vater erkannte von seinen Türmen aus, dass die Welt, auf der die Menschen lebten, irgendwie gerundet war. Das sah er, wenn er zum Horizont blickte bis hin zu jener vor den Augen verschwimmenden Grenze, an der sich das Ende der erkennbaren Welt in einem Halbkreis an den Himmel schmiegt. »Kommt und schaut her, Jona und Susa!«, hatte Vater Khalid einmal an einem klaren Tag gerufen und mit ausgestrecktem Arm zum Horizont gedeutet, wo gerade ein Reiter in der Wüste...


Dreis, Stella
Stella Dreis wurde 1972 in Plovdiv / Bulgarien geboren. Seit 1995 lebt sie in Deutschland. Sie studierte Modedesign in Hamburg. Heute lebt sie als freischaffende Illustratorin in Heidelberg. Für ihr Werk wurde Stella Dreis bereits vielfach ausgezeichnet; u.a. erhielt sie den Hasselt Publication Award, den Troisdorfer Bilderbuchpreis sowie die goldene Plakette der Biennale der Illustration in Bratislava. Ihre Bilder zeigt sie in internationalen Ausstellungen.

Becker, Peter von
Peter von Becker lebt als Journalist und Schriftsteller in Berlin. Nach Veröffentlichungen u.a. in der Süddeutschen Zeitung, der ZEIT und FAZ war er Mitherausgeber der Zeitschrift Theater heute und acht Jahre Feuilletonchef des Tagesspiegels. Er ist Autor von Romanen, Lyrik und den Drehbüchern für die international erfolgreiche Fernsehserie Das Jahrhundert des Theaters. Sein Theaterstück für Jugendliche Wach auf und träume lief zwei Jahre in der Münchner Schauburg. Jonas Reise ist sein erstes Buch für Kinder und Erwachsene.

Becker, Peter
Peter von Becker lebt als Journalist und Schriftsteller in Berlin. Nach Veröffentlichungen u.a. in der Süddeutschen Zeitung, der ZEIT und FAZ war er Mitherausgeber der Zeitschrift Theater heute und acht Jahre Feuilletonchef des Tagesspiegels. Er ist Autor von Romanen, Lyrik und den Drehbüchern für die international erfolgreiche Fernsehserie Das Jahrhundert des Theaters. Sein Theaterstück für Jugendliche Wach auf und träume lief zwei Jahre in der Münchner Schauburg. Jonas Reise ist sein erstes Buch für Kinder und Erwachsene.


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