Becker / Krätschmer-Hahn / Bös | Fundamente sozialen Zusammenhalts | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 261 Seiten

Becker / Krätschmer-Hahn / Bös Fundamente sozialen Zusammenhalts

Mechanismen und Strukturen gesellschaftlicher Prozesse

E-Book, Deutsch, 261 Seiten

ISBN: 978-3-593-40834-7
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Zusammenhalt von Gesellschaften beruht in kleinen und in großen Gruppen, in Organisationen und Staaten auf elementaren Fundamenten des sozialen Miteinanders. Wie kommen diese Fundamente zustande und wodurch tragen sie zum Zusammenhalt bei? Neben Vertrauen, sozialer Gerechtigkeit und Verbindlichkeit werden weitere Konzepte, wie Netzwerke oder Solidarität aus theoretischer und empirischer Perspektive vorgestellt.
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Weitere Infos & Material


1;Inhalt;8
2;Vorwort;10
3;Einleitung;14
4;Fundamente sozialen Handelns;20
4.1;Sprache – Sprache, Identität und sozialer Zusammenhalt – Max Haller;22
4.2;Reziprozität – Reziprozitätserwartungen an den Generationenvertrag – Geraldine Hallein-Benze;44
4.3;Verbindlichkeit – Ein Versuch der soziologischen Konzeptionierung – Rabea Krätschmer-Hahn;59
4.4;Werte – Grenzsituationen: Anfang und Ende des Lebens aus der Sicht der deutschen Bevölkerung – Heiner Meulemann;71
4.5;Anerkennung – Annäherungen an eine sozialwissenschaftliche Schlüsselkategorie – Jens Becker;86
5;Fundamente sozialer Gruppen;102
5.1;Soziale Netzwerke – Die Bedeutung der Netzwerkstruktur für Zusammenhalt und Handlung – Christian Stegbauer;104
5.2;Rhythmus – Kollektiver Rhythmus als Grundlage für soziales Zusammenleben – Maya Becker;120
5.3;Konflikte – Ethnische Konflikte und gesellschaftlicher Zusammenhalt – Mathias Bös;132
5.4;Aufmerksamkeit – Der Multiplikator in der Wahrnehmung – Bernhard Engel;150
5.5;Interesse – Interesse und Gemeinsinn im »pursuit of happiness« – Ansgar Weymann;159
6;Fundamente des Wohlfahrtsstaates;174
6.1;Soziale Gerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt – Richard Hauser;176
6.2;Wohlfahrtsstaatliche Werte – Facetten einer Basiskategorie der Gesellschaft – Marion Möhle;199
6.3;Soziale Sicherheit – Eine Handlungsressource eigener Art – Jürgen Kohl;213
6.4;Solidarität – Die Basis gesellschaftlicher Kohäsion – Michaela Schulze;231
6.5;Vertrauen – Eine Quelle von Lebenszufriedenheit und Glück? – Sigrid Roßteutscher;245
7;Autorinnen und Autoren;260


Soziale Sicherheit - Eine Handlungsressource eigener Art (S. 212-213)

Jürgen Kohl

"Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit in einer Welt, in der nichts sicher scheint" Popgruppe Silbermond 2009

Begriff und Begriffsgeschichte

Der Begriff "Sicherheit" ist im Alltagswissen und Alltagssprachgebrauch der Menschen fest verankert und meist normativ positiv besetzt. Das Streben nach Sicherheit ist zugleich Ziel individueller Lebensführung und Ziel kollektiv-politischer Bemühungen. "Sicherheit" ist wie "Freiheit" oder "Gerechtigkeit " eine von hohem Konsens getragene gesellschaftliche Wertidee und teilt mit diesen einen gewissen utopischen Charakter in dem Sinne, dass sie nie völlig realisiert werden. Und doch sind sie im alltäglichen Leben vieler Menschen handlungsorientierend und -motivierend wirksam. "Gesellschaftliche Wertideen sind wie Sterne: unerreichbar und doch richtungweisend. " (Kaufmann 2003: 74)

Dabei ist der Begriff "Sicherheit" selbst in seiner Wortbedeutung eher unbestimmt und hat viele Bedeutungsvarianten: Im politischen Sprachgebrauch begegnet er uns sowohl in der Konnotation "äußere Sicherheit" wie auch als "innere Sicherheit". Unter "äußerer Sicherheit" wird dabei die Gewährleistung der territorialen Integrität eines Staates verstanden, also der Schutz vor Bedrohungen "von außen", insbesondere durch Krieg, Gewalt und Terrorismus.1 Unter "innerer Sicherheit" wird dagegen vor allem die Gewährleistung einer bestimmten politisch-gesellschaftlichen Ordnung verstanden, der Schutz von "Recht und Ordnung" gegenüber Willkür und Gewalt.

Damit als Ziel verbunden ist die Gewährleistung eines friedlichen Zusammenlebens der Bürger (des "sozialen Friedens"), was auch den Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte vor staatlicher Willkür impliziert. In beiden Begriffsbedeutungen geht es letztlich um das Ziel der Sicherung der politischen Stabilität, das durch kollektives politisches Handeln erreicht werden soll. In der liberalen Staatstheorie des 19. Jahrhunderts wurde zwar die Gewährleistung der inneren Sicherheit als Staatsziel im Sinne von Rechtsstaatlichkeit und Schutz der bürgerlichen Rechte umgedeutet und als solche hoch anerkannt, aber antithetisch dem (abzulehnenden) Staatsziel der Gewährleistung der Wohlfahrt der Bürger entgegengesetzt.

Nach (alt-)liberalem Verständnis sollte sich die Aufgabe des Staates auf die Gewährleistung von Rechtssicherheit und Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte (nicht zuletzt gegenüber staatlichen Eingriffen!) beschränken, während die Verfolgung der Ziele materieller Wohlfahrt und immateriellen Glücks den Bürgern selbst und ihrer Fähigkeit zur gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen bleiben sollte, woraus sich - der Theorie der "unsichtbaren Hand" zufolge - auch ein Zustand gesellschaftlicher (kollektiver) Wohlfahrt herstellen sollte.

Die vom Liberalismus thematisierte beziehungsweise behauptete Antinomie von "(Rechts-)Sicherheit vs. Wohlfahrt" beziehungsweise "Rechtsstaat vs. Sozialstaat" durchzieht den gesellschaftspolitischen Diskurs über den Sozialstaat und die Interpretation des Sozialstaatsprinzips bis heute (Forsthoff 1968). In der Debatte um die Interpretation des Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes setzte sich allmählich jedoch ein neues Verständnis des Verhältnisses von Rechts- und Sozialstaatlichkeit durch, das beide Staatszielbestimmungen nicht mehr als unvereinbar, sondern eher als komplementär begreift.

Diesem Verständnis zufolge wird es nunmehr als Aufgabe des Sozialstaats gesehen, die sozialen Voraussetzungen des Gebrauchs der bürgerlichen Freiheits- und Partizipationsrechte für alle Staatsbürger zu gewährleisten beziehungsweise allererst zu schaffen und zu sichern. Andererseits sollte sich die gesellschaftsgestaltende Tätigkeit des Staates in den Bahnen des Rechtsstaats vollziehen, das heißt, den allgemeinen Normen des Rechtsstaats (z.B. Bindung der staatlichen Gewalt an Gesetze, rechtliche überprüfung und Kontrolle, Rechtssicherheit, Gleichheit vor dem Gesetz) Rechnung tragen."


Maya Becker und Rabea Krätschmer-Hahn sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Gesellschaftsund Politikanalyse der Universität Frankfurt am Main.


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