Becker Zwischen Diktatur und Neubeginn
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-89971-593-4
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Universität Bonn im ›Dritten Reich‹ und in der Nachkriegszeit. E-BOOK
E-Book, Deutsch, 337 Seiten
ISBN: 978-3-89971-593-4
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Dr. Thomas Becker ist Leiter des Archivs der Universität Bonn und Lehrbeauftragter am Institut für Geschichtswissenschaft, Abteilung für rheinische Landesgeschichte.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;7
2;Einleitung;9
3;Teil 1 Universität und Nationalsozialismus;13
3.1;Universitäten im ›Dritten Reich‹ Eine historische Betrachtung;15
3.2;Wort Gottes in Trümmern Karl Barth und die Evangelisch-Theologische Fakultät vor und nach dem Krieg;25
3.3;Die Bonner Katholisch-Theologische Fakultät im › Dritten Reich‹ und in der Nachkriegszeit;61
3.4;Insel der Seligen? Der juristische Fachbereich der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich- Wilhelms- Universität Bonn zwischen 1933 und 1945;81
3.5;Die Medizinische Fakultät in der NS-Zeit;125
3.6;Facetten der Bonner Kunstgeschichte im Nationalsozialismus;143
3.7;Die Psychologie an der Universität Bonn im Nationalsozialismus;161
3.8;Ein dionysischer Mathematiker Felix Hausdorff – Paul Mongré;187
4;Teil 2 Neubeginn in Trümmern;209
4.1;Stunde Null? Die deutschen Universitäten im Wiederaufbau;211
4.2;Neubeginn in Trümmern Die Universität Bonn von ihrer Zerstörung bis zur Absetzung des ersten Nachkriegsrektors Heinrich M. Konen;225
4.3;Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät nach der Stunde Null;247
4.4;Der Kampf um Gerechtigkeit Zur Erneuerung der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn nach dem Ende der NS- Herrschaft;255
4.5;» Sehr fleißig und im Examen recht gut« Displaced Persons an der Universität Bonn 1945–1950;275
4.6;Zeiten des Hungers Studentischer Alltag in einer zerstörten Universität;303
4.7;Der Wiederaufbau der Universitätsbibliothek;323
5;Autorenverzeichnis;337
" (S. 253-254)
Nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Bonn am 9. März 1945 und der Übernahme der Militärregierung durch die Briten am 28. Mai 1945 konnte man kaum von einem Interregnum an der Universität spreche1. Rasch etablierte sich ein Kreis von Professoren aus allen Fakultäten, die sich um die Reorganisation der Universität mühten. Für die Medizinische Fakultät gehörten der Chirurg Erich von Redwitz und der Pathologe Wilhelm Ceelen der Gruppe an.
Ceelen wurde auch zum kommissarischen Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Bonn ernannt, schied aber nach den ersten Weichenstellungen im August 1945 bereits aus dieser Stellung aus, »um den Wiederaufbau des Pathologischen Institutes zu übernehmen«3. Eine wichtige Rolle spielte in jener unmittelbaren Nachkriegszeit zudem der Physiologe Ulrich Ebbecke, der sich um eine zügige Wiederaufnahme der Lehre und eine Normalisierung der wissenschaftlichen Kommunikation bemühte4. Schon 1947 organisierte Ebbecke den ersten Nachkriegskongress der Deutschen Physiologischen Gesellschaft in Bonn und knüpfte die internationalen Beziehungen neu5. Das wohl einflußreichste Fakultätsmitglied war aber Paul Martini, der langjährige Direktor der Medizinischen Klinik. Er nahm maßgeblich Einfluß auf die personelle Zusammensetzung der Fakultät nach dem Ende des NS-Regimes.
Denn neben der allgemeinen Reorganisation stand die Frage nach dem Umgang mit den nationalsozialistischen Dozenten im Vordergrund. Unter dem Vorsitz des Universitätsrichters Hellmuth von Weber wurde zunächst ein interner Entnazifizierungsausschuss gebildet, dessen Arbeit bis Anfang 1947 zur Entlassung von 23 Hochschullehrern führte6. Die »Entnazifizierung«, auch »Entnazisierung« genannt, ist von Anfang an mit großer Skepsis betrachtet worden, obwohl selten die Frage nach einer Alternative befriedigend beantwortet wurde7. Paul Martini, selbst Gutachter im entsprechenden Universitätsausschuss, resümierte denn auch 1948, es seien »von beiden Seiten aus unzählige Fehler gemacht worden [...], was bei einem solch grossen Verfahren […] gar nicht anders zu erwarten« gewesen sei.
»Die einen« seien »unverdient unter die Räder gekommen«, »die anderen« hätten »eine noch unverdientere Wiederauferstehung erfahren«8. Erich von Redwitz stöhnte: »Die wildesten Nazis werden zu Mitläufern erklärt, und Leute, […], die doch wirklich Widerstand geleistet haben, werden verfemt.«9 1945 hatte die Bonner Medizinische Fakultät »das Glück, sechs von den Entnazifizierungsbestimmungen nicht betroffene Ordinarien zu besitzen«, was die Wiederaufnahme der Vorlesungen erleichterte10. Im Sommersemester 1946 waren noch neun von den 17 ordentlichen Professoren im Amt, die im letzten Kriegssemester an der Medizinischen Fakultät gelehrt hatten. Dies entspricht 53 Prozent, der zweitniedrigsten Rate nach der Evangelisch-Theologischen Fakultät (37 %) – vor Katholisch-Theologischer (90 %), Philosophischer (57 %), Rechts- und staatswissenschaftlicher (64 %), Mathematisch-naturwissenschaftlicher (69 %) und Landwirtschaftlicher Fakultät (65 %)."