E-Book, Deutsch, Band 31, 219 Seiten, Gewicht: 10 g
Berthold 'ihrem Originale nachzudenken'
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-484-97103-5
Verlag: M. Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Zu Lessings Übersetzungen
E-Book, Deutsch, Band 31, 219 Seiten, Gewicht: 10 g
Reihe: Wolfenbütteler Studien zur AufklärungISSN
ISBN: 978-3-484-97103-5
Verlag: M. Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Lessings Übersetzungswerk - ca. 7.000 Druckseiten - umfasst mehr als vierzig Titel, fast ebenso viele Autoren und diverse Gattungen. Lessing übersetzt aus dem Lateinischen, Italienischen, Französischen, Englischen und Spanischen.
Unter seiner Federführung wird die Übersetzungsfrage in der Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals Gegenstand der deutschen Literaturkritik; Lessing ist Leitfigur einer Epoche, in der die deutsche Literatur zu den europäischen Nachbarliteraturen aufschließt. Seine Bedeutung als Übersetzer ist gleichwohl bisher nur selten untersucht worden, ein Grund mag die noch immer beklagenswerte Editionslage sein.
Der vorliegende Band ergänzt die Beiträge einer Wolfenbütteler Tagung aus dem Herbst 2007 um zwei weitere Aufsätze. Thematisch und methodisch ganz unterschiedliche Aspekte kommen dabei zur Sprache - von Lessings Übersetzungen einzelner Autoren wie Diderot, Huarte, Hutcheson, Riccoboni und St. Albine, Thomson und Voltaire, über die Frage seiner Goldoni-Adaption, bis zu allgemeinen Fragestellungen nach Lessing als Philologen, der Theorie und Praxis seiner Übersetzungen vor dem Hintergrund der Beschäftigung mit Johann Nicolaus Meinhard, seinem Anteil an der Entwicklung des deutschen Wortschatzes mit Blick auf die Übersetzungen.
Zielgruppe
Academics (German and English Studies, Literature, Romance Studie / Germanisten, Romanisten, Anglisten, Literaturwissenschaftler, Bib
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;5
2;Vorbemerkung;7
3;Lessings Beitrag zur Entwicklung des Wortschatzes unter besonderer Berücksichtigung seiner Übersetzungen;11
4;Der Philologe Gotthold Ephraim Lessing;31
5;Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften;39
6;Lessing und Johann Nicolaus Meinhard: Übersetzungskonzept, Übersetzungspraxis;57
7;Lessing übersetzt Goldoni? L’Erede fortunata und Die glückliche Erbin;69
8;Wie die Briten den Stil gebildet: James Thomson in der »Verdolmetschung« durch Lessing;91
9;Übersetzung und Adaption;105
10;Shakespeare via Voltaire;125
11;Übersetzung Riccobonis, Auszug aus Sainte-Albine – Aspekte des Illusionsbegriffs;139
12;Lessings Diderot: »süssere Thränen« zur Läuterung des Nationalgeschmacks;157
13;Lessing und Wackenroder übersetzen Diderot;175
14;Literaturverzeichnis;201
15;Personenregister;217
Shakespeare via Voltaire Voltaires (S. 115-116)
Brief Sur la tragédie in den Beyträgen zur Historie und Aufnahme des Theaters (1750)
1. Einleitung
Übersetzungen sind für Lessing nicht nur Nebenwerk. Im Gegenteil: Bis etwa 1760 übersetzt er sehr viel. Zu beachten ist immer, wann genau die jeweilige Übersetzung entstand und ob sie in einem literarischen, philosophischen, theologischen oder naturwissenschaftlichen Zusammenhang veröffentlicht wurde. Viele der frühen Übertragungen, bei denen oft nicht sicher ist, ob sie tatsächlich von Lessing stammen, waren Beiträge für Zeitschriften, auch solcher, die er selbst herausgab.
Lessing hat ganz unterschiedliche Gründe, als er in den 40er Jahren zu übersetzen beginnt. Er übersetzt, um seine Ausdruckfähigkeit zu verbessern und die deutsche Sprache zu bereichern. Er übersetzt aber auch, um über wissenschaftliche – z.B. medizinische – Entdeckungen oder literarische, philosophische und theologische Entwicklungen zu informieren und zur Auseinandersetzung anzuregen. Er überträgt Klappentexte, um neu erschienene Bücher anzuzeigen, Auszüge aus wissenschaftlichen Werken, aus historischen und literarischen Texten. Schließlich übersetzt er, um Geld zu verdienen. Französische Texte überträgt Lessing oft, weil er sich für die Entwicklung des deutschen Theaters engagiert.
Die von ihm gemeinsam mit seinem Vetter Christlob Mylius herausgegebene erste deutsche Theaterzeitschrift besteht zu großen Teilen aus Übertragungen aus dem Französischen.2 Zwar kündigen Lessing und Mylius in der Vorrede zu den Beyträgen zur Historie und Aufnahme des Theaters von 1750 an, die Vormachtstellung des französischen Theaters in ihrer Zeitschrift relativieren zu wollen. Sie versprechen, auch andere Traditionen des Theaters vorzustellen. Dennoch führt ihr Weg häufig nach bzw. über Frankreich. Das mag zum einen daran liegen, dass ihre Kenntnisse des Französischen besser sind als die des Englischen oder Spanischen.
Zum anderen jedoch beeinflusst die in Frankreich geführte literarische Diskussion noch immer stark den deutschsprachigen Raum, auch wenn die französische Klassik längst ihren Höhepunkt überschritten hat. Zu den neuen Autoritäten, die das französische Theater prägen, zählt zu Beginn der 50er Jahre Voltaire. Im ersten Stück der Beyträge veröffentlichen Lessing und Mylius die übersetzten Briefe Voltaires Sur la tragédie und Sur la comédie, den 18. und 19. der insgesamt 25 Lettres philosophiques ou lettres anglaises. Sie erschienen 1733 zunächst auf Englisch in London, ein Jahr später in einer französischen Version in Rouen.
Voltaire publizierte die Briefsammlung nach einem zweijährigen Aufenthalt in England, wohin er ausgewichen war, um der Bastille zu entgehen. Literarische Fragen spielen in den Lettres philosophiques eine eher zweitrangige Rolle. Ihr eigentliches Thema ist die von Voltaire in England beobachtete religiöse und gesellschaftliche Toleranz. Die Briefe lösten in Frankreich einen Skandal aus, da man sie als Angriff auf den Klerus und die Regierung verstand. Sie wurden verboten und öffentlich verbrannt. Doch ihrer Verbreitung war das nicht abträglich, sie wurden noch im 18. Jahrhundert mehrfach aufgelegt.
Auf diesen Zusammenhang gehen Lessing und Mylius in ihrer Veröffentlichung, bei der bis heute nicht geklärt ist, wer von beiden übersetzte, aber gar nicht ein. Sie betonen in einer Anmerkung nur, dass sie sehr bewusst Voltaires Hinweise auf das englische Theater bekannt machen: Er sei der einzige unter allen französischen Kritikern, der sich positiv über das englische Theater geäußert habe. Lessing/Mylius lösen die Briefe also aus ihrem politischen Zusammenhang in Frankreich heraus und akzentuieren nur ihren literaturkritischen Wert. Sie erwähnen auch nicht die bereits 1747 in Jena erschienene vollständige deutsche Ausgabe der Lettres philosophiques, die Sammlungen verschiedener Briefe des Herrn v. Voltaire.