E-Book, Deutsch, 256 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Berthold-Kremser / Kuhnhen / Mozart Die Superpower des Sustainable Marketing
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-648-18460-8
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit neuem Marketing-Modell wachsen
E-Book, Deutsch, 256 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-18460-8
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Birgit Berthold-Kremser ist Chief Marketing Officer und Sustainability Executive und revitalisierte erfolgreich globale Premium-Brands wie Siemens, Swarovski und die Omnichannel-Retailer-Gruppe Peek&Cloppenburg. Sie gilt als anerkannte Purpose-Expertin und Transformatorin und ist eine der Anchorwomen des Institute for Sustainable Leadership (CISL Alumni Network) der University of Cambridge. Ihr gepaartes Wissen in Marketing und Nachhaltigkeit macht sie zu einer gefragten Expertin und Speakerin.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Brainprint entfalten
Einen Schritt weiter geht Marketing, das einen positiven Brainprint hinterlässt. Dieser Begriff bezeichnet die Einflüsse, die das Marketing auf die Einstellungen von Menschen und damit auf kulturelle und gesellschaftliche Strömungen hat. Der Brainprint ist der bleibende Abdruck, den Marketingaktivitäten in den Köpfen der Menschen hinterlassen. Diese Einflüsse sind weitreichend und formen langfristig unser Verhalten und die gesellschaftlichen Normen.
Diese Superpower kann kaum überschätzt werden, denn Marketing beeinflusst die kollektive Vorstellung dessen, was wertvoll ist, was Mainstream und Popkultur ist, hat Einfluss auf Weltanschauungen, Identitäten und Lifestyles. Neben dem Footprint und dem Handprint kann und sollte sich eine Marke auch fragen, welchen Brainprint sie hinterlässt. Welche Überzeugungen trägt sie in die Gesellschaft hinein? Welche Normalität setzt sie voraus? Welche Bilder bedient sie?
»Ein guter Marketer zu sein ist wie Superkräfte zu haben: Man kann das Verhalten
der Menschen ändern, man kann die Art und Weise, wie sie die Welt sehen, gestalten«, schreibt die Guardian-Kolumnistin Arwa Mahdawi für die
World Federation of Advertisers (Mahdawi, 2021).
Marketing hat eine tiefgreifende Wirkung auf unsere Weltanschauungen und unser Konsumverhalten. Es beeinflusst auf vielfältigen Ebenen, wie wir die Welt sehen, welche Werte wir vertreten und wie wir handeln. Durch gezielte Kampagnen und nachhaltigere Produktgestaltung kann Marketing positive Verhaltensänderungen bewirken und zur Förderung eines verantwortungsvollen Konsumverhaltens beitragen.
Mit Marketing Brainprints beeinflussen
Weltanschauungen sind tief verankerte Überzeugungen und Werte, die unsere Wahrnehmung der Welt und unser Verhalten leiten. Sie definieren, was wir als wertvoll erachten und beeinflussen damit unsere gesamte Kultur und Gesellschaft. Marketing kann Weltanschauungen verstärken oder verändern, indem es bestimmte Werte und Visionen vermittelt, die zeigen, wie wir mit unserer Umwelt, anderen Menschen und Ressourcen umgehen. Ein nachhaltiger Wandel der Weltanschauungen gestaltet Konsumgewohnheiten und gesellschaftliche Normen im Einklang mit ökologischen Grenzen und dem Wohl aller. Marketing spielt dabei eine Schlüsselrolle, indem es positive, verantwortungsbewusste Werte fördert und zukunftsorientierte Perspektiven für eine gesunde Gesellschaft vermittelt (Thompson 2023).
Identität wird durch Erinnerungen, Erfahrungen, Beziehungen und Werte geformt und beeinflusst, wie Menschen sich selbst und andere wahrnehmen. Marken spielen eine große Rolle in der Identitätsbildung. Konsument:innen pflegen eher Beziehungen zu Marken, die mit ihrem Selbstbild übereinstimmen (»You don’t buy a brand, you join a brand«).
Verhalten umfasst alle Handlungen als Reaktion auf äußere Stimuli und wird durch die »Hardware« um uns herum beeinflusst. Marketing hat einen bedeutenden Einfluss auf Konsumverhalten und ist ein Schlüssel, um Verhaltensmuster zu etablieren und zu verändern.
Lebensstile bestehen aus einer Ansammlung von Gewohnheiten, die das Wohlbefinden und den ökologischen Fußabdruck beeinflussen. Marketing kann nachhaltige Lebensstile fördern, indem es Produkte und Konsummuster als zugänglich, wünschenswert und profitabel darstellt (Thompson 2023).
Kultur umfasst kollektive Denkmuster, Normen und Verhaltensweisen einer Gesellschaft. Marketing beeinflusst Kultur, indem es festlegt, was als »normal« und »wünschenswert« gilt, und kann stereotype Muster verstärken oder neue, nachhaltigere Normen schaffen. Ein Beispiel sind Business-as-usual-Praktiken (BAU), die oft auf festgefahrenen Normen und Konsummustern beruhen.
Gesellschaft ist eine große Gruppe mit geteilten Weltanschauungen und Normen, die akzeptables Verhalten und Machtstrukturen prägt. Marketing wirkt zwischen Gesellschaft und Wirtschaft, verstärkt oder unterdrückt bestimmte Identitäten und kann Denkweisen transformieren, um nachhaltigere Praktiken zu fördern.
Marken bieten zunehmend nicht nur Produkte, sondern auch Zugehörigkeit an, was das sogenannte »Lovebrand-Prinzip« beschreibt. So verwenden Menschen Marken, um ihre Identität und Werte zu kommunizieren. Wenn eine Marke mit dem Selbstbild einer Person übereinstimmt, ist die Bereitschaft zur langfristigen Bindung höher. Dieser Identitätsschub kann sich positiv auswirken, wenn Marken Konsummuster fördern, die langfristig das Wohl aller steigern.
Verhaltensmuster werden ebenfalls von Marketing beeinflusst, da Marketinginstrumente wie Price, Place und Promotion Konsumgewohnheiten prägen.
In unserer Konsumgesellschaft sind viele dieser Verhaltensmuster historisch gewachsen und sind oft nicht nachhaltig. Hier hat das Marketing die Chance, neue Muster zu schaffen, die sich innerhalb der ökologischen Grenzen bewegen und enkelfähig sind.
Eine britische Kaufhauskette beispielsweise näht in Kinderkleidung Label ein, auf denen man die Namen der Kinder schreiben kann, die sie tragen – wichtig beispielsweise in Kindertageseinrichtungen. Die Label sind aber so gestaltet, dass bis zu drei Namen dort stehen können. Ein kleiner Aufwand für die Marke, der aber zeigt: Das Weitergeben von Kleidung wird normalisiert. Gleichzeitig könnte die Marke damit auch ein Qualitätsversprechen verknüpfen – die Kleidung hält lange.
Der Einfluss des Marketings auf unsere Lebensstile ist entscheidend, da diese ganze Cluster von Gewohnheiten und Verhaltensweisen mitbestimmen.
Marketing kann nachhaltige Lebensstile als attraktiv und erstrebenswert positionieren, indem es nachhaltigere Produkte zugänglich, erschwinglich und begehrenswert macht. Solche Veränderungen wirken nicht nur auf Einzelpersonen, sondern auch auf gesellschaftliche Normen und kulturelle Strukturen. Marketing kann Kulturen schaffen, die neue, nachhaltigere Verhaltensweisen fördern, überholte Konsummuster hinter sich lassen und mitentscheiden, was akzeptabel und wünschenswert ist.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie stark ein Brainprint wirken kann. Dass wir Rauchen mit Freiheit assoziieren oder weiße Kopfhörerkabel stylisch wurden, hat in erster Linie etwas mit der gezielten PR- und Marketingarbeit von Marken wie Marlboro oder Apple zu tun. Aber genau diese Power des Marketings lässt sich auch anders nutzen. Dafür sind andere Kollaborationen, andere Bilder, andere Geschäftsmodelle nötig. Dove startete 2004 die Kampagne »For Real Beauty«, um ein realistischeres Körperbild von Frauen zu zeigen. Diese Kampagne wollte von Anfang an Identitäten positiv beeinflussen. Klar gab es Kritik, weil auch die scheinbar unperfekten Körper ziemlich perfekt aussahen. Aber das Beispiel machte Schule. »Normal« ist, woran der Mainstream gewohnt ist. Guhl bewirbt sein Shampoo beispielsweise mit der roten Mähne einer Frau mit Downsyndrom und löst sich damit vom Klischee genormter Schönheit. Auch das hinterlässt einen Brainprint, kann Weltbilder formen, Lebensstile formen und die Kultur beeinflussen. Was für Schönheitsbilder gilt, gilt auch für Ökologie.
Die Mechanismen des Brainprints zu nutzen, bedeutet, andere Sichtweisen und Verhaltensweisen als »normal« zu etablieren. Folgende Beispiele illustrieren, wie wir dabei vorgehen können.
Mietmode
Nutzen statt besitzen ist das Ziel der Share-Economy. Im Bereich Mobilität ist das bereits gelernt und zumindest in den Städten etabliert, in der Mode ist das eher noch ein Nischenmodell. Es gibt zwar einige Anbieter am Markt, die sich auf nachhaltigere Kindermode fokussieren, sie heißen beispielsweise Folksschrank, Räubersachen oder Baumwollbaby. Aber ein Massenmarkt ist das offensichtlich noch nicht. Tchibo stellte aus genau diesem Grund sein Angebot Tchibo Share nach drei Jahren wieder ein: »Insbesondere mussten wir feststellen, dass das Vermieten von Alltagsbekleidung noch nicht von der Mitte der Gesellschaft angenommen wird«, lautete das ernüchterte Fazit. Hier war der Brainprint offenbar noch nicht groß genug.
CopenPay
Ein anschauliches Beispiel dafür, wie Unternehmen oder Organisationen das Verhalten von Menschen beeinflussen können, ist die Initiative »CopenPay« in Kopenhagen. Diese Initiative belohnt Urlauber und Einheimische, die umweltfreundliche Maßnahmen ergreifen, wie die Nutzung von Fahrrädern oder öffentlichen Verkehrsmitteln und das Sammeln von Abfall in städtischen Parks und an Stränden. Mit »CopenPay« kann man sich Belohnungen in Form von Vergünstigungen in Bars, Museen und anderen Attraktionen verdienen. Beispielsweise können Besucher der dänischen Nationalgalerie SMK ihren gesammelten Plastikmüll in einem Workshop in Kunstwerke verwandeln. Diese Anreize motivieren die Menschen, sich umweltbewusst zu verhalten, indem sie konkrete und unmittelbare Belohnungen für ihre positiven Handlungen erhalten.
Es soll dabei möglichst einfach sein, Klimabewusstsein in die Tat umzusetzen. Denn laut der Tourismusorganisation Wonderful Copenhagen wollen zwar viele Touristen nachhaltig handeln, schaffen es aber nicht, ihre Absichten in die Praxis umzusetzen. Das will »CopenPay« ändern, mit konkreten Möglichkeiten für umweltfreundliches Verhalten. Tourismus soll von einer Umweltbelastung zu einer Kraft für positive Veränderungen werden, durch gezielte Anreize, Bewusstseinsbildung und das Angebot konkreter Handlungsmöglichkeiten.
Damit Unternehmen einen nachhaltigen Brainprint bei den Menschen hinterlassen können,...