Biermann / Wiegold | Drohnen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Biermann / Wiegold Drohnen

Chancen und Gefahren einer neuen Technik
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86284-313-8
Verlag: Links, Christoph, Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Chancen und Gefahren einer neuen Technik

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-86284-313-8
Verlag: Links, Christoph, Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Der Tod aus heiterem Himmel - Tausende hat er bereits getroffen. Ausgelöst wurde er von bewaffneten Drohnen, die nicht zu sehen und nicht zu hören waren, gesteuert von anderen Kontinenten aus, ohne Risiko für das Leben der Angreifer. Drohnen sind die modernsten Waffen unserer Zeit, aber zugleich erweisen sie sich auch als sinnvolle Helfer in der Landwirtschaft, bei der Bekämpfung von Waldbränden oder der Paketzustellung.
Dieses Buch gibt erstmals einen Überblick über die Geschichte der neuen Technik. Die Autoren sprachen mit Drohnenpiloten und Luftwaffengenerälen, mit Programmierern und Logistikexperten. Sie zeigen rechtliche Probleme auf und liefern einen Ausblick auf die nächste Generation dieser revolutionierenden Technik.

Jahrgang 1972, Psychologie-Diplom 1997 an der Humboldt-Universität, daneben freie Mitarbeit bei »Brigitte«. Anschließend Volontariat bei der »Berliner Zeitung«, später im Politikressort der »Financial Times Deutschland«, Reporter und Politikredakteur bei der »Netzeitung« und Freier Mitarbeiter für verschiedene Zeitungen, darunter »Das Magazin« und die »taz«, seit 2007 bei »ZEIT ONLINE«, dort vor allem zuständig für die Themen Internet, Datenschutz und Netzpolitik, seit 2014 dort Mitglied des Teams Investigativ und Daten, bloggt außerdem seit 2010 gemeinsam mit Martin Haase unter www.neusprech.org über sprachliche Manipulationen in Politik und Wirtschaft.

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Scharfschützen am Himmel


»We managed to make one of the last remaining universal symbols of pleasantness – blue sky – completely fucking terrifying.«

(Wir haben es hinbekommen, eines der letzten universellen Symbole für Freundlichkeit – den blauen Himmel – in etwas absolut Entsetzliches zu verwandeln.)

John Oliver, »Last Week Tonight«, September 2014

Ein Blitz erhellt den Bildschirm, gleißendes Weiß im Graugrün der Infrarotkamera. Dann folgt hellgrauer Rauch. Als der sich verzogen hat, sind in der Nähe des Kraters, den die Explosion riss, die Überreste von zwei Menschen zu erkennen. Ihre Körper sind noch warm, hell zeigt die Optik der Wärmebildkamera sie auf dem dunklen, gefrorenen Boden. Ein drittes Opfer lebt noch, sein rechtes Bein ist oberhalb des Knies abgerissen. Der Mann greift sich an den Stumpf, wälzt sich auf der Erde. Blut spritzt aus der Wunde. Es fließt auf den Boden, bildet eine Pfütze. Die Infrarotkamera zeigt es auf dem kalten Boden als einen heißen, hellen Fleck, der langsam blasser wird. Irgendwann bewegt der Mann sich nicht mehr, sein Körper kühlt aus, wird ebenfalls blasser.

Diese Szene hat Airman First Class Brandon Bryant 2007 erlebt und sechs Jahre später einem Journalisten des amerikanischen Magazins beschrieben. Nie mehr werde er sie vergessen, sagt er. Es war das erste Mal, dass er an einem Raketenangriff auf Menschen beteiligt war. Er war damals 21 Jahre alt und Sensor Operator einer MQ-1B »Predator«, also Waffenoffizier einer Drohne der amerikanischen Luftwaffe. Sein Job war es, einen Laser auf das Ziel zu richten, damit die »Hellfire«-Rakete es findet. Für Bryant sahen die Männer aus wie Schäfer, doch sein Befehl sagte, es seien bewaffnete islamistische Kämpfer, also befolgte er ihn und tötete sie.

Während die drei Männer in der Provinz Kunar im Osten Afghanistans starben, saß Bryant Tausende Kilometer entfernt in einem klimatisierten und abgedunkelten Container in der Wüste von Nevada. Zusammen mit dem Piloten der Drohne befand er sich in einer Bodenkontrollstation auf der Nellis Air Force Base, einer Ansammlung von Hangars entlang zweier Landebahnen am Stadtrand von Las Vegas. In seinen sechs Jahren, die Bryant bei der Air Force diente, absolvierte er 6000 Flugstunden mit Drohnen. »Ich sah in dieser Zeit Männer, Frauen und Kinder sterben«, sagte er im Dezember 2013 in einem Interview mit der Zeitschrift . »Ich hätte nie gedacht, dass ich so viele Menschen töten würde. Ehrlich gesagt, ich dachte, ich könnte gar niemanden töten.« Drohnenoperator Bryant erzählte seine Geschichte den Medien, weil sein Therapeut ihm dazu geraten hatte, über das Erlebte zu sprechen. Und weil er will, dass nun auch bekannt wird, was es heißt, Drohnen zu fliegen. Denn nicht nur die Opfer der Angriffe leiden, auch die Täter. Es ist eine ganz eigene Art von Grauen, dem die Bediener ausgesetzt sind.

Seit dem 11. September 2001 gehören Drohnen zu den wichtigsten Waffen der USA. »Drohne« ist ein laienhafter Sammelbegriff für aus der Ferne gesteuerte unbemannte Flugzeuge oder Hubschrauber, bestückt mit Kameras, Antennen, Waffen. Drohnen in der Luft bestimmen derzeit unser Bild dieser Technik, dabei können Drohnen überall sein: am Himmel, am Boden, auf und im Wasser. Ihr wichtigstes Merkmal ist, dass sie entweder aus der Ferne gelenkt werden oder gleich ganz ohne einen Piloten auskommen. Anfangs dienten sie nur als Instrumente der Aufklärung, seit Ende 2001 aber immer häufiger auch als Scharfschützen am Himmel, als sogenannte Hunter-Killer-Drohnen, die den Gegner jagen und bekämpfen. Drei Länder gibt es derzeit, die Drohnen auf diese Art einsetzen: die USA, Großbritannien und Israel. Dabei haben die USA ohne Zweifel die größte Flotte dieser automatisierten und ferngelenkten Maschinen, amerikanische Drohnen werden deshalb in diesem Buch eine wichtige Rolle spielen. Von den Tausenden US-Drohnen sind manche so klein, dass sie aus der Hand gestartet werden können, andere sind so groß wie Verkehrsflugzeuge. Im Jahr 2012 bildete die amerikanische Luftwaffe zum ersten Mal mehr Drohnenoperatoren aus als Piloten für Kampfflugzeuge, und dieses Verhältnis wird sich fraglos nicht mehr ändern.

Obwohl die Ausgaben der US-Regierung für das Militär sinken, obwohl Schiffe und Flugzeuge gestrichen werden und die Zahl der Soldaten zwischen 2013 und 2023 um 100 000 Mann verringert werden soll, wie das Internetmedium 2012 schrieb, sollen die Ausgaben für Drohnen in der gleichen Zeit um 30 Prozent steigen. Schon 2009 hatte der damalige amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates laut einem Bericht des Nachrichtensenders CNN gesagt, dass die kommende Generation US-Jagdflugzeuge, die F-35, die letzte sein wird, die noch bemannt ist.

Aus Sicht der Militärs sind Drohnen die perfekte Waffe. Wer sie bedient, ist für seine Gegner unerreichbar, er kann nicht verletzt, nicht getötet werden. Gleichzeitig übt er absolute Macht aus, indem er unsichtbar gewissermaßen über allem schwebt und zuschlägt, wann und wo es ihm richtig erscheint. »Der Krieg ist nicht länger bloß asymmetrisch«, schreibt Grégoire Chamayou in seiner Betrachtung »Ferngesteuerte Gewalt«, »sondern absolut einseitig. Was vorher noch wie ein Kampf erschien, verwandelt sich nun in eine bloße Tötungskampagne.«

Ferngesteuerte Flugzeuge sind die bevorzugte Waffe, wenn die USA irgendwo auf der Welt Menschen töten – erst in Afghanistan, Irak und Pakistan, inzwischen auch in Jemen, Somalia oder Libyen. Andere Staaten machen es ihnen nach. Israel, Großbritannien, bald wohl auch Deutschland haben bewaffnete Drohnen im Arsenal. Wie viele Menschen bereits durch von Drohnen abgefeuerte Waffen starben, kann niemand genau sagen. Das Bureau of Investigative Journalism, eine der Organisationen, die versuchen, die Toten zu zählen, geht davon aus, dass bei Angriffen der USA von 2004 bis 2014 zwischen 3204 und 5346 Menschen getötet wurden. Die Zahlen sind offensichtlich nicht zu hoch. Eine der wenigen offiziellen Äußerungen zu dem Thema stammt von US-Senator Lindsey Graham. In seiner Rede im Easley Rotary Club in South Carolina im Februar 2013 sagte er: »Wir haben 4700 getötet.«

In den Ländern, in denen Menschen von den »Hellfire«-Raketen der Drohnen getroffen werden, sorgt das für wütende Proteste. Dort sind die vom Boden aus unsichtbaren und unhörbaren Drohnen zu einem ständigen Schrecken geworden, der über den Köpfen der Menschen schwebt und unberechenbar zuschlägt. Amerika habe es geschafft, sagte der Satiriker John Oliver in seiner Show »Last Week Tonight« im September 2014, »eines der letzten universellen Symbole für Freundlichkeit – den blauen Himmel – in etwas absolut Entsetzliches zu verwandeln«. Selbst in muslimischen Ländern, die den USA freundlich gesinnt sind, lehnt die Mehrheit Drohnenangriffe ab. In der Türkei zum Beispiel sind 81 Prozent der Menschen dagegen, beobachtete das Pew Research Center 2012. In den USA selbst waren es demnach nur 28 Prozent. Doch auch in den USA gibt es erbitterte Gegner dieser Einsätze und diverse Organisationen, die dagegen kämpfen. Sie fordern, bewaffnete Drohnen genau wie Landminen und Streubomben international zu ächten.

Zweite Szene. Am 19. Februar 2011 demonstrierte Clara Bünger mit vielen anderen in Dresden gegen einen geplanten Aufmarsch von Neonazis. Jedes Jahr wollen diese auf ihre Art mit einem »Trauermarsch« an die Bombardierung Dresdens durch britische Flugzeuge im Zweiten Weltkrieg erinnern. Viele tausend Bürger versuchten zu verhindern, dass Neonazis den 19. Februar für sich einnehmen, und traten ihnen auf der Straße entgegen. Sie demonstrierten für Völkerverständigung und Frieden und blockierten die rechtsextreme Kundgebung. Doch die Demos an diesem Tag erregten durch etwas anderes landesweit Aufmerksamkeit: Die sächsische Polizei hatte sogenannte Funkzellenabfragen geschaltet, um Teilnehmer der Demos zu überwachen. Mehr als eine Million Handyverkehrsdaten und über 300 000 Rufnummern wurden dabei von ihr gesammelt, 55 000 Menschen – Demonstranten und Unbeteiligte – gerieten in das Raster der Ermittler.

Die Funkzellen waren nicht das Einzige, was überwacht wurde. Im Deutschlandfunk schilderte Clara Bünger später, was sie beobachtet hatte: »Am 19. Februar war ich in der Nähe vom Hauptbahnhof in Dresden demonstrieren, weil die Nazis sich am Hauptbahnhof versammelt haben und wir uns gegen Nachmittag auch zu einer Kundgebung dort versammelt haben. Während der Versammlung hat mich eine Person angetippt und gefragt: ›Eh, was ist denn dort oben in der Luft?‹ Dann hab ich nach oben geguckt, wie viele andere auch zu dem Zeitpunkt, und hab dort oben was fliegen sehen und hab mich gefragt, was das denn sei. Im ersten Moment habe ich gedacht, schießt das Ding oder filmt es? Ich hab mich natürlich total bedroht gefühlt, von vorne die Polizisten mit den Helmen und der ganzen Montur, von der Seite die Polizisten, von oben auch noch die Drohne, von vorne auch noch die Handkameras der Polizisten, die uns auch gefilmt haben. Dann hab ich im Nachhinein erfahren, dass auch noch mein Handy registriert wurde, und das hat mich natürlich auch total geschockt, weil ich hab mich in der Situation eher wie ein Verbrecher gefühlt oder vielleicht sogar eher, wie der Nazi dann sich eigentlich fühlen sollte.«

Bünger sah eine Drohne der sächsischen Polizei, genauer einen Sensocopter vom Typ md4-1000 der Firma Microdrones. Diese werden von vier Rotoren angetrieben, haben einen...


Wiegold, Thomas
Jahrgang 1960, 1999 bis 2010 Focus-Korrespondent im Hauptstadtbüro Berlin, seitdem freiberuflicher Journalist mit dem Schwerpunkt Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Redakteur des Blogs Augen geradeaus!; zahlreiche Auszeichnungen.

Biermann, Kai
Jahrgang 1972, Psychologie-Diplom 1997 an der Humboldt-Universität, daneben freie Mitarbeit bei 'Brigitte'. Anschließend Volontariat bei der 'Berliner Zeitung', später im Politikressort der 'Financial Times Deutschland', Reporter und Politikredakteur bei der 'Netzeitung' und Freier Mitarbeiter für verschiedene Zeitungen, darunter 'Das Magazin' und die 'taz'; seit 2007 bei 'ZEIT ONLINE', dort vor allem zuständig für die Themen Internet, Datenschutz und Netzpolitik; seit 2014 dort Mitglied des Teams Investigativ und Daten, bloggt außerdem seit 2010 gemeinsam mit Martin Haase unter www.neusprech.org über sprachliche Manipulationen in Politik und Wirtschaft.

Kai Biermann: Jahrgang 1972, Redakteur bei Zeit Online, verantwortlich für die Themen Internet und Datenschutz, Betreuer des Data Blog; für den Neusprechblog erhielt er zusammen mit Martin Haase 2011 den Grimme-Online-Award in der Kategorie Wissen und Bildung.
Thomas Wiegold: Jahrgang 1960, 1999 bis 2010 Focus-Korrespondent im Hauptstadtbüro Berlin, seitdem freiberuflicher Journalist mit dem Schwerpunkt Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Redakteur des Blogs Augen geradeaus!; zahlreiche Auszeichnungen.



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