Bindschedler | Die Leuenhofer (Kinderbuch) | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

Bindschedler Die Leuenhofer (Kinderbuch)

Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur
1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-6974-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

ISBN: 978-80-268-6974-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Die Leuenhofer (Kinderbuch)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Jedes Jahr gab es im Leuenhof eine Zeit, wo man von Gespenstern redete. Das war unter den früheren Leuenhofer Schülern gewesen, den jetzigen wieder und vererbte sich immer auf den neuen Jahrgang. Schon Ende November fing es allemal an, wenn's am Abend so bald dunkel wurde. Nur hatte man mit all den Weihnachtsgedanken nicht recht Zeit für gruselige Geschichten.' Ida Bindschedler (1854 - 1919) war eine Schweizer Lehrerin und Kinder- und Jugendbuchautorin. In 1897 zog sie in Augsburg, wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte. Dort verarbeitete sie ihre Erinnerung an ihre Zürcher Kindheit in den Jugenderzählungen Die Turnachkinder im Sommer und Die Turnachkinder im Winter, die sie neben Johanna Spyri zur wohl bekanntesten Schweizer Jugendbuchautorin machten.

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DAS HOCHWASSER


Inhaltsverzeichnis

Seit ein paar Tagen regnete es unaufhörlich. Die ganze Nacht hindurch goss und rauschte es fort, und die alten Leute, die nicht mehr so fest schliefen, horchten auf. »Immer noch! Immer noch,« dachten sie; »es wird doch nicht etwa ein Hochwasser geben, wie damals, wo es die Brücke von Ferlikon weggerissen und das ganze Dorf überschwemmt hat. Mein Gott! und die Leute, die drunten in der Riedau wohnen: Kann es denn gar nicht mehr aufhören!«

Die Kinder, wenn sie schnell einmal erwachten, hörten das Rauschen und Plätschern auch.

»Du«, rief Gustav Brenner von seinem Bett dem gegenüber schlafenden, älteren Bruder zu – »vor der Schule rennen wir noch zur Ecke beim Doktorsgarten. Dort sieht man die Mauer, wo man angestrichen hat, wie hoch allemal das Wasser gestiegen ist.«

»Glaubst du, dass es so hoch wird, wie vor 15 Jahren? Ich wollte, ich wäre damals dabei gewesen!«

Und in einer anderen Ecke des Städtchens war in ihrer Schlafstube Sara Wiebold auch einen Augenblick erwacht.

»Wie das tut! Die Josephine bei Mettgers hat gesagt, beim letzten Hochwasser habe man keine Schule gehabt zwei Tage lang!« Sara wollte sich ausdenken, was man alles unternehmen könnte an einem schulfreien Vormittag; aber ehe sie sich’s versah, war sie wieder eingeschlafen.

Am anderen Morgen, als die Brennerbuben und noch andere zum Doktorsgarten kamen und über die Mauer hinübersahen, bemerkten sie, dass die Illig seit gestern abend stark gestiegen war. Gelbbraun wälzte sich das Wasser daher.

Die Männer, die auch dastanden, machten ernste Gesichter und sahen zum Himmel hinauf, der mit einförmigem Grau verhängt war, und von dem es heruntergoss wie gestern und vorgestern. Die Leuenhofer aber rannten durch das Städtchen zur Schule.

Von den Dächern plätscherte es herunter, und es war sehr lustig, wenn man den Schirm unter solch einen Wasserfall hielt; das trommelte prachtvoll.

In der Schule erzählten die Kinder, die vom unteren Städtchen kamen, in der Riedau fingen die Leute an auszuziehen; im Keller vom Schuhmacher Burnlich stehe schon das Wasser.

Weil Herr Schwarzbeck merkte, dass die Gedanken seiner Buben und Mädchen alle nur bei dem steigenden Wasser waren, so fasste er sie an diesem Zipfel. Er sprach mit ihnen von den starken Sommerregen und von der Illig und wo sie herkam und wo sie hinging und was sie früher schon für Schaden angerichtet. Und die Kinder durften auch sagen, was sie wussten, und dann gab es einen Aufsatz über das Gesprochene. –

Am Nachmittag kamen die Kinder noch aufgeregter in die Schule: Am Fabrikweiher oben seien die Leute schon den ganzen Tag bei der Arbeit, weil man Angst habe, der Damm breche durch.

Ja, und am Seckelweg haben sie eine Menge abgehauene Tannen; die hängen sie an Ketten und Stricken ins Wasser – damit das Wasser nicht den Weg fortreisst.

Ja, und von Ferlikon ist eine Frau gekommen, die hat gesagt, man habe schwere Wagen mit Sand und Steinen auf die Ferlikoner Brücke gestellt – weil das Wasser immer noch steige.

Als letzter aber kam der pausbackige Fünftklässler Hermann Steininger hereingerannt.

»Im Keller von meiner Grossmutter steht das Wasser schon so hoch!« meldete er triumphierend und streckte den Arm aus.

»O, das ist schlimm«, bedauerte Herr Schwarzbeck.

»Ja, die Grossmutter hat geweint, und wir haben ihr geholfen, den Keller auszuräumen; die grosse Waschgelte ist geschwommen.«

Hermanns rundes Gesicht strahlte vor Vergnügen. »Ich bin hineingestiegen und habe mit einem Stecken gerudert und gestachelt. Im ganzen Keller bin ich herumgefahren.«

»Oh, oh«, riefen die Kinder, aber nicht wie Herr Schwarzbeck im Ton des Bedauerns. So in einer Waschgelte zu fahren wie in einem Schiff, das musste fein sein!

Dann aber brachte Herr Schwarzbeck die Kinder doch dazu, den Ernst und den Schrecken einer wirklichen Überschwemmung zu begreifen.

Er erzählte ihnen von der tapferen Johanna Sebus, die ihre Mutter aus dem Wasser errettete und dann noch einmal durch das brausende, furchtbare Wasser watete, um auch die Nachbarin mit ihren drei kleinen Kindern zu holen.

Und dann schlug Herr Schwarzbeck sein Buch auf und las das Gedicht, in dem Goethe diese Heldentat geschildert hat. Das war schön.

»Du«, sagte Ottilie Eggenberg leise zu Eva, »das ist besonders schön, dass einmal ein Mädchen so tapfer war.« Eva nickte; gespannt horchten sie weiter.

Wie das schaurig klang:

»Der Damm zerreisst, das Feld erbraust,

Die Fluten wühlen, die Fläche saust.«

und dann, wie Johannas Mutter voll Angst frägt:

»Verwegen ins Tiefe willst Du hinein?«

Und Johanna entschlossen antwortet:

»Sie sollen und müssen gerettet sein!«

Wie furchtbar aber ging das Gedicht weiter: Johanna Sebus konnte die Familie nicht mehr retten. Die Wellen waren zu gewaltig. Ein Kind hielt sich noch am Horn der Ziege; dann versanken sie alle in der wirbelnden, schäumenden Tiefe. Und Johanna Sebus selbst, die tapfere hochherzige Johanna Sebus, war auch verloren; auch sie wurde von den wilden Wassern weggerissen und wurde nicht mehr gesehen.

Wie traurig war das und zugleich wie prachtvoll; so mutig, so heldenhaft möchte man auch einmal sein!

Von drei bis vier war Zeichnenstunde.

»Herr Schwarzbeck, könnten wir nicht Johanna Sebus mitten in dem Wasser und das Haus der armen Frau zeichnen?« fragten die Sechstklässler.

»Wär’s nicht doch schade für das schöne Gedicht und die grosse Sache, wenn ihr mit eurer kleinen Kunst daran ginget?« erwiderte Herr Schwarzbeck.

»Versucht die Brücke von Ferlikon zu zeichnen .... Die Brücke von Ferlikon kennt ihr doch alle? – Nun stellt ihr ein paar Wagen darauf.«

»Ja, und unten das Wasser«, riefen die Buben und Mädchen. »Oder wie das Wasser schon über die Brücke läuft! Mit dem blauen Farbstift das Wasser. Nein, natürlich mit einem graubraunen!«

Mit Eifer ging es an die Darstellung der beschwerten Ferlikonerbrücke. Nur Hermann Steininger durfte, weil er gar so gern mochte, den Keller seiner Grossmutter zeichnen und sich selbst als kühnen Schiffer in der grossen Wassergelte.

»Wenn es schön wird, so schenke ich es der Grossmutter zum Andenken an die Überschwemmung«, sagte er vor sich hin, während er versuchte, die Kellertreppe anzubringen und die Grossmutter darauf mit ängstlich erhobenen Händen.

Herr Schwarzbeck ging durch die Bänke und half hier und dort. Aber die meisten Blätter fand er gut.

Fast hätte es den Kindern leid getan, als es vier Uhr schlug. Aber es war nun doch sehr fein, dass man hinaus konnte, um das Hochwasser in Wirklichkeit zu sehen.

Wo wollte man zuerst hin?

Die Sechstklässler liefen nun, was sie konnten, zum Städtchen hinein und die Fischergasse, die zur Riedau führte, hinunter. Wie es da aussah! Die ganze Riedau ein See! Fast fremd kam den Kindern die sonst so gut bekannte Gegend vor. Keinen Weg sah man mehr. Nur Buschwerk ragte hier und dort aus dem gurgelnden Wasser und die alten Weiden noch. Die Illig aber, die sonst so ruhig und klar dahin floss, rauschte und toste wie im Zorn und warf Wellen, von denen der Schaum aufspritzte.

Am Ende der Riedau wurde das Ufer höher und blieb über Wasser; dort konnte man die wild sich daher wälzenden Fluten ganz in der Nähe ansehen. Es waren Leute da, Frauen, Burschen und junge Mädchen aus der Spinnerei; sie versuchten allerlei Holzstücke, Pfähle und Baumäste, die das Wasser mitführte, herauszufischen.

»Holla!« schrien die Burschen, »da kommt ein fester Brocken! Haltet gut!«

Sie hielten sich zu dritt oder viert an der Hand. Der Äusserste stand bis zu den Knien im Wasser und beugte sich weit hinaus und packte mit kühnem Griff den Ast. Aber viel Holz schwamm vorbei.

»Wie schade!« sagten ein paar alte Frauen. »Das schöne Holz! Im Winter wäre man so froh darum. Man kann ja fast keines mehr kaufen, so teuer, wie es jetzt ist. Dort kommt wieder eines. Das täte es grad für einen Kaffee!«

Einige der Leuenhofer Buben hatten schon eine Kette gebildet, wie sie es bei den Burschen sahen und glücklich fasste Felix Kleinhans die Beute. Beinahe hätte statt seiner Ottilie Eggenberg das Holzstück erwischt. An einem überhängenden Busch hatte sie sich gehalten und sich keck über das Wasser hingebeugt.

»Geh da weg«, sagte Felix; »das ist nichts für Mädchen!« »Jawohl! Das können wir auch«, erwiderte Ottilie; dann aber lief sie auf der schmalen Böschung flussabwärts.

Ottilie war ein kräftiges Mädchen mit docken, braunen Zöpfen. In der Schule und im ganzen Städtchen hatte man Ottilie Eggenberg besonders gern. Sie war immer lustig, immer freundlich, und wenn eines ein mürrisches oder betrübtes Gesicht machte, gab sie nicht nach, bis sie es zum Lachen gebracht hatte. Etwas wild und übermütig war sie manchmal auch. –

Jetzt stand sie an dem brausenden Wasser und sah sich um. Ein altes Schiff war da angebunden. Mit jedem Anschlag der trüben Wellen wurde das Schiff so heftig an die Pfähle geworfen, dass man dachte, es gehe in Stücke. Aber das schreckte Ottilie nicht. Sie sprang hinein. Vom hinteren Ende des Schiffes aus konnte man, was daherschwamm, erwischen. Das Wasser trieb das Holz gerade gegen diese kleine Bucht. Netti Tobel und die anderen Mädchen waren Ottilie nachgelaufen, und zwei alte Frauen kamen auch hintendrein.

»Nein, wie die kühn ist!« sagten sie, als Ottilie eben einen festen Ast herausschwang; sie reichte ihn Netti Tobel, die ihn einer der Frauen übergab. »Und geschickt wie ein Flösserknecht! Das Schiff wird doch gut angebunden sein!...



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