Bindschedler | Die Leuenhofer | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 367 Seiten

Bindschedler Die Leuenhofer


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95864-008-5
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 367 Seiten

ISBN: 978-3-95864-008-5
Verlag: OTB eBook publishing
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Ida Bindschedler (* 6. Juli 1854 in Zürich, † 28. Juni 1919 ebenda) war eine Schweizer Lehrerin und Kinder- und Jugendbuch Autorin. Sie beschreibt detailgenau die Erinnerung an ihre Zürcher Kindheit in den Jugenderzählungen “Die Turnachkinder im Sommer” und “Die Turnachkinder im Winter”, die sie neben Johanna Spyri zur wohl bekanntesten Schweizer Jugendbuchautorin machten. Die Haupthandlung der Turnachkinder im Sommer spielt in der «Seeweid» (heutiger Standort des Museums Bellerive, Ecke Höschgasse) im Zürcher Quartier Riesbach, als dieses noch ausserhalb der Stadt lag. Heute ist dort eine Strasse nach der Autorin benannt. Die Handlung der Turnachkinder im Winter spielt hauptsächlich in der Zürcher Altstadt am heutigen Weinplatz 7. 1919 erschien ihr drittes Buch “Die Leuenhofer”, das jedoch den Erfolg der Turnachkinder nicht mehr erreichte.(Auszug aus Wikipedia)

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Das verlorene Büblein.
Herr Schwarzbeck stand bei der Wandtafel und sah zu, wie Gustav Brenner den Fehrenbach zeichnete, der unterhalb des Städtchens in die Illig floss. »Nicht so, Gustav«, wehrte Herr Schwarzbeck ab. »Nicht grad wie ein Peitschenstiel. Dem Fehrenbach pressiert es gar nicht so, aus seinem netten Tälchen herauszukommen. Ihr habt ja gestern selber gesehen, wie er Umwege macht. Sieh, da etwa ist die Breitwiese ...« »Wo wir den Baldrian und die Vergissmeinnicht gefunden haben«, riefen die Kinder ... »Da macht er doch einen Bogen, wie wenn er sich besinnen würde, ob er nicht noch einmal zurück wolle zum Wald anstatt hinunter zur Sägemühle, wo er das Rad treiben muss.« Die Knaben und Mädchen in den Bänken horchten auf. Wie Herr Schwarzbeck so sprach, war es, als ob man noch einmal den hübschen Spaziergang durch das Fehrenbachtälchen mache. Dann fuhren sie fort auf ihre Blätter zu zeichnen. Also recht geschlängelt: und die Sägemühle nicht vergessen; es waren vier Häuser da. Wenn man gut gezeichnet hatte, durfte man das Blatt mit der farbigen Kreide ausmalen, den Bach blau, die Wiese hellgrün, den Riedenwald dunkel und die Häuser von Ried und von der Sägemühle rotbraun. Dann sah es aus wie eine Landschaft, die man von einem hohen Kirchturm herab betrachtet. Die Fenster des Schulzimmers standen alle offen, und die Sonne schien auf den alten Holunderbusch am Haus. Es war eigentlich kein Schulhaus. Man hatte nur vor Jahren eine Stube eingerichtet für die zwei Klassen von Herrn Schwarzbeck, weil im Schulhaus drinnen im Städtchen kein Platz mehr war. Man sprach immer davon, dass ein neues Schulhaus gebaut werden müsse. Aber Herr Schwarzbeck sagte oft, seinetwegen brauche man sich nicht zu beeilen. Da draussen im Leuenhof sei es schön und gemütlich. Und die Knaben und Mädchen waren der gleichen Meinung. Der Leuenhof war früher ein Kloster gewesen. Jedesmal, wenn im Frühjahr eine neue fünfte Klasse eintrat, wurde ihr diese merkwürdige Tatsache mitgeteilt: »Also seht«, erklärten die Sechstklässler; »dort, wo das Holzgitter ist, war auch ein langes Stück Haus und rechts eins und links. Das gab ein Viereck; ringsherum war ein Gang; der hiess Kreuzgang, und da spazierten die Mönche und dachten an ernste Sachen. – Ja – und manchmal haben sie aber auch Brot gebacken und Käse gemacht und Bäume gepflanzt und gemalt und geschreinert und gesungen. Und dann auf einmal in einer Nacht ist das Kloster verbrannt, und nur die Seite, wo wir unser Schulzimmer haben, ist stehen geblieben.« – Die Fünftklässler sahen einander an. Das war fein, in einer Schule zu sein, wo es einmal gebrannt hatte und wo Mönche gemalt und gesungen und Brot und Käse gemacht hatten. Mitten auf dem grünen Platz, der früher der Klosterhof gewesen war, stand eine dicke niedrige Säule und auf ihr sass ein seltsames steinernes Tier. Nach ihm hiess das Haus der Leuenhof. Denn das Tier war ein Löwe. Man hatte einige Mühe, das zu erkennen. Der dicke Kopf war verwittert, und über der Nase waren ein paar Rinnen. Wenn das Rotschwänzchen vom Holzverschlag herüberflog und sich auf den dicken Kopf setzte, sah es aus, als ob der Leu nach oben blinzle und sich ärgere, dass er den Vogel nicht abschütteln könne. »Er sollte eine Mähne haben«, sagte einer der Fünftklässler, als er mit den anderen in der ersten Pause des neuen Schuljahres vor dem Löwen stand. »Ja eben«, erwiderten die Grossen »Er sieht eigentlich bloss aus wie eine recht grosse Katze«, sagte die vorwitzige kleine Sara Wiebold und zog kichernd die Achseln in die Höhe. »Ja, wir haben es auch schon gedacht; aber hört« – und ein paar von den Grossen stellten sich vor die Fünftklässler – »das sagt man nicht! Oder wollt ihr vielleicht, dass man euch ›Katzenhofer‹ heisst, statt ›Leuenhofer?‹« »Nein – Katzenhofer! Nein!« rief die ganze Klasse, und alle versprachen sich, man wollte es nie ausbringen, dass der Leu eigentlich wie eine dicke Katze aussehe. Seit Herr Schwarzbeck seine zwei Klassen da draussen hatte, hiessen diese jeweilen im Städtchen die Leuenhofer und waren stolz auf den Namen. »Die Leuenhofer kommen«, sagten die alten Frauen vom Spital beim Wendeltor, wenn das Trüpplein Buben und Mädchen nach elf Uhr lachend und schwatzend daherzog. »Jetzt geht es fast noch eine Stunde bis zum Mittagessen.« »Es wird doch nicht schon über vier Uhr sein! Da sind ja schon die Leuenhofer«, sagte der Schneider Gutknecht am Nachmittag und zog rascher die weissen Fäden aus dem halbfertigen Überrock. Er war sehr fleissig; drum ging ihm die Zeit immer zu rasch vorbei, während sie den alten Spitalleutchen, die nicht mehr arbeiten konnten, immer zu lang vorkam. War es nun, weil die Leuenhofer den gemeinsamen Namen trugen, oder weil sie da draussen weit weg von den anderen Buben und Mädchen des Städtchens ihr Schulzimmer hatten – sie hielten besonders fest zusammen. Sie trafen sich am Abend und an freien Nachmittagen vor dem Wendeltor auf der Grabenwiese und spielten da. Streiten taten sie manchmal auch; wenn’s so arg wurde, dass Herr Schwarzbeck es am anderen Morgen noch in der Schule merkte, so nahm er den ärgsten Streithahn vor und gab ihm wieder einmal den Denkspruch zu schreiben. Er war aus der Bibel und hiess: »Siehe wie fein und lieblich ist es, wenn Schwestern und Brüder einträchtig beieinander wohnen.« »So! Auf morgen! Und damit du ein wenig länger über den Spruch nachdenkst, schreibe ihn nah zusammen und mach ein artiges Kränzlein drum herum! Die anderen sehen das Blatt dann um so lieber an; es tut ihnen auch gut!« Der Spruch wurde für ein paar Tage an die Wand der Schulstube gehängt und kam dass in Herrn Schwarzbecks Pult, wo sich im Lauf des Jahres eine schöne Zahl solch artiger Strafzettel ansammelte. Schlimm wurde aber der Streit der Leuenhofer Kinder nie. Sie waren eine im ganzen gutmütige muntere Schar, in den Schulstunden ziemlich fleissig, daneben immer zu Streichen aufgelegt, immer froh, wenn etwas begegnete, worüber man lachen und sich wundern konnte oder gar etwas, wobei man mitrennen und helfen musste. Wie es so ist in jeder Schulklasse: ein paar waren bei allem die Anführer, hatten das erste Wort und machten von sich reden. Die anderen liefen so mit, ohne dass man von ihnen viel Aufhebens machte. Also an dem Nachmittag hatten die Leuenhofer Kinder Heimatkunde und zeichneten das Fehrental, beide Klassen zusammen; nur erwartete Herr Schwarzbeck natürlich, dass die Sechstklässler die Sache besser machten als die Fünftklässler. Da klopft es an die Türe. Alle Buben und Mädchen hoben die Köpfe. Herr Schwarzbeck hatte gar nicht Zeit, zur Türe zu gehen; sie wurde rasch aufgemacht und eine Frau trat herein. Ein paar Kinder kannten sie. Es war Frau Müggler von der Sonnengasse. Sie sah hastig nach allen Seiten: »Nichts für ungut, Herr Schwarzbeck«, sagte sie, »aber ich laufe schon den ganzen Nachmittag herum in einer Angst – ist es nicht da? – Da auch nicht? – Herr Jesus, mein Büblein.« Sie fing an zu schluchzen. »Ich habe gedacht, ich finde es vielleicht hier. Es ist vorgestern und gestern hinter ein paar von Ihren Schulkindern dreingelaufen, bis vors Wendeltor hinaus.« »Wisst ihr etwas von einem Büblein?« fragte Herr Schwarzbeck die Kinder. – »Wie sieht es denn aus? Wie alt ist es?« – »Im Januar ist es zwei Jahre alt gewesen; reden tut es noch nicht; aber laufen kann es schon fast wie unsereins. Man hat vom Morgen bis zum Abend seine Not.« »Ist es blond?« fragte Herr Schwarzbeck. »Nein, nein, braun. Mein Gott, wenn die Grossmutter es wüsste; – wo soll ich es doch noch suchen? Die Nachbarsleute meinen, es sei vielleicht in den Schättenwald hinausgelaufen, wo wir am Sonntag mit ihm waren oder zu meiner alten Base an der unteren Mauer; aber wie soll ich an alle Orte zugleich hinlaufen! O du lieber Gott«, weinte sie von neuem auf. Die Buben und Mädchen in den Bänken hörten mit grösstem Interesse zu und fingen, da Herr Schwarzbeck nicht wehrte, laut an, über die Sache zu reden. »Ein Büblein verloren gegangen«, ging es durch die Mädchenbänke. »Unser Klärli ist letzthin auch fortgelaufen!« »Ja und mich hat man einmal lang suchen müssen, als ich klein war. Man hat schon gemeint, ich sei zur Illig hinuntergelaufen und ertrunken.« – Die Mädchen hielten inne und sahen nach der Frau. »Ein Büblein verloren gegangen«, ging es auch bei den Buben hin und her. Im Schättenwald sei es vielleicht – der ist furchtbar gross. »In Grumikon haben sie einmal anderthalb Tage lang ein Kind gesucht in der Gemeinde herum. Da ist die ganze Sekundarschule ausgezogen; mein Vetter war dabei. Sie hatten ein Horn und mussten sich immer wieder sammeln.« In alle Buben kam plötzlich ein Gedanke. »Herr Schwarzbeck, Herr Schwarzbeck«, riefen sie und legten sich über die Bänke mit hochgestreckten Zeigefingern. Herr Schwarzbeck hatte versucht, die Frau zu trösten und sich sagen lassen, wo sie überall gesucht habe. »Herr Schwarzbeck – dürfen wir in den Schättenwald; wir finden es gewiss. Felix Kleinhans hätte eine Trompete.« – Herr Schwarzbeck winkte ab. Nicht so ungestüm. Die Frau Müggler aber sah Herrn Schwarzbeck flehentlich an. »Ja, wenn die Buben alle im Schättenwald suchen würden. Ich stehe solch eine Angst aus«, schluchzte sie in ihr Taschentuch. »Es hat eine grüneingefasste Wachstuchschürze und graue Höslein und also braune Härlein und Augen und rote Bächlein hat’s.« ...



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