Bindschedler | Jugendgeschichten | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 705 Seiten

Bindschedler Jugendgeschichten


1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8496-2295-4
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 705 Seiten

ISBN: 978-3-8496-2295-4
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ida Bindschedler war eine Schweizer Lehrerin und Kinder- und Jugendbuchautorin. Die in dieser Edition enthaltenen Romane um die Turnachkinder und der Nachfolger 'Die Leuenhofer' gehören zu den Klassikern Schweizer Jugendliteratur und spielen im Zürcher Quartier Riesbach.

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Seit einiger Zeit hatten die Leuenhofer Kinder in der Fensterecke ihres Schulzimmers eine ungeheuer interessante Seidenraupenzucht. Paul Grossberger hatte etwa ein Dutzend grauer Räupchen gebracht, die vorläufig nichts im Sinn hatten, als zu fressen und zu fressen vom Morgen bis zum Abend. Aber die Sechstklässler wussten vom letzten Jahr her, wie es merkwürdig und schön zuzusehen war, wenn die Raupe, nachdem sie gross und dick geworden war, eines Tages zu nagen aufhörte. Es war, als ob sie sich besänne, dass man doch nicht nur fressen sollte auf der Welt, sondern auch etwas tun. Sie wurde unruhig, wiegte den Oberkörper hin und her und kroch in den Ecken der grossen Schachtel herum, wo Herr Schwarzbeck ein paar kahle, verzweigte Ästchen hingestellt hatte.

Endlich hatte die Raupe den Platz gefunden, der ihr recht dünkte, und nun begann sie zu spinnen. Zarte, weisse Fäden zog sie von einem Zweig zum anderen. Und unversehens wurde es zu einem fein seidenen Gehäuse um sie herum. Es war ganz geheimnisvoll, wie das entstand. Zuerst war es noch durchsichtig, und man sah die Raupe in der Mitte zusammengekauert, unaufhörlich und still Fäden auf Fäden um sich herumziehend. Dann wurde das Gespinst dichter und dichter; nur noch undeutlich konnte man die Raupe erkennen, wie sie sich eifrig hin und her wendete. Zuletzt sah man nichts mehr von ihr. Das Gespinst war eine feste, ovale, weissgelbe Kapsel geworden.

»Die Arme!« hatten ein paar Mädchen gerufen. »Jetzt ist sie ganz allein da drin. Es reut sie gewiss nachher, dass sie sich so eingesponnen hat. Nun sieht und hört sie nichts mehr und hat gar nichts zu fressen da drinnen.«

»Sie braucht auch nichts mehr«, hatte Herr Schwarzbeck erwidert; »sie schläft nur eine Weile, und wenn sie erwacht, dann ist sie ein Schmetterling.«

Und wirklich, nach etwa vierzehn Tagen schlüpfte ein weisslicher Schmetterling aus. Er war nicht besonders schön; aber die Kinder betrachteten ihn doch mit Respekt, den geschickten Seidenspinner.

Und jetzt also wollten die Fünftklässler, die letztes Jahr noch nicht im Leuenhofe gewesen waren, diese merkwürdige Spinnerei und die wunderbare Verwandlung auch sehen.

Nun hatten es die Seidenraupen wie alle anderen Raupen. Sie waren eigensinnig. Von all den hundert und hundert Arten von Blättern, die im Wald, in Gärten und auf den Wiesen zu finden gewesen wären, wollten sie gerade nur eine Art und gerade eine, die gar nicht vorkam in der Gegend. Blätter vom Maulbeerbaum mussten es sein, durchaus.

Nun hatte Hermann Steininger einen Onkel; der wohnte ziemlich weit vor dem Städtchen draussen; er besass einen grossen Garten; in dem Garten aber war ein Maulbeerbaum, und der Onkel erlaubte, dass Hermann oder einer von seinen Kameraden hier das Futter für die Raupen hole. Jeden Tag brauchten sie frisches, und von Tag zu Tag wurden sie grösser und brauchten mehr.

Einmal waren Arnold Zwickel und Walter Adorf herausgerannt zum Haldengütlein; sie läuteten an der Gartentüre; es kam aber niemand, um aufzumachen. Sie läuteten wieder und immer stärker. Kein Mensch erschien. Nur die grosse, schwarze Katze sah drinnen auf der steinernen Haustreppe, sah die Buben an und gähnte. Das war recht fatal. Die Raupen hatten kein Futter.

»Du«, sagte Walter Adorf, nachdem er noch einmal fest an der Klingel gerissen hatte, »ich weiss schon, was man machen könnte. Hinten bei dem Holunderbusch käme man leicht über den Zaun.« –

»Ja, aber man darf doch nicht in fremde Gärten steigen«, meinte Arnold Zwickel.

»Natürlich nicht, wenn man wegen Pflaumen oder wegen Nüssen hinein möchte für einen selber. Aber wir täten es ja wegen der Raupen. Das ist doch gewiss nichts Schlechtes. Willst du etwa, dass die Raupen verhungern? Wenn Herr Heuerlein doch erlaubt hat, dass man die Blätter bei ihm hole!«

Walter Adorf ging rasch zu dem Wiesenweglein, das an der Gartenweite entlang führte und Arnold folgte. Der Zaun war ziemlich hoch, aber im Nu war Walter droben und – plumps drunten im Garten. Arnold Zwickel blieb draussen stehen, um die Blätter in Empfang zu nehmen. Zweimal kam Walter dahergerannt mit vollen Händen. Es eilte. Im Städtchen unten schlug es schon halb zwei.

Plötzlich hörte Arnold aus dem Garten die laute Stimme von Herrn Heuerlein:

»Was ist denn das?« ertönte es zornig. »Wie kommt du da herein? Was hast du hier zu suchen? Das ist ja nett; am hellen Tag bricht man mir in den Garten ein.«

Erschrocken guckte Arnold Zwickel zwischen den Latten des Zaunes hinein. Da sah er den alten Herrn Heuerlein, wie er Walter am Arm hielt und schüttelte, während hinter ihm die Frau und die Magd von dem kleinen Gartentörlein herkamen, das zum Gemüseland führte.

»Zeig her, was hast du gestohlen – etwa gar von den Pfirsichen?« –

Arnold Zwickel war es gar nicht recht, dass sein Freund Adorf da drinnen allein von Herrn Heuerlein geschüttelt und gezankt wurde.

»Er hat keine Pfirsiche nehmen wollen, nur Maulbeerblätter; wegen der Raupen«, rief Arnold tapfer durch die Zaunlatten hinein.

»So, da ist noch einer!« Herr Heuerlein wandte sich zum Zaun, ohne Walter Adorf loszulassen. »Pfirsiche oder Maulbeerblätter –; man steigt einmal nicht in fremde Gärten hinein! Dass ihr’s jetzt nur wisst, mit den Maulbeerblättern ist es aus! Ich will euch Buben nicht mehr in meinem Garten sehen. Weder den einen noch den andern, sagt’s nur dem Hermann.« –

»Aber die Raupen verhungern ja«, wagte Arnold, der sich hinter dem Zaun sicherer fühlte als Walter Adorf in Herrn Heuerleins Händen, zu sagen.

»Das ist mir gleich«, sagte dieser. »Einmal von meinem Baum bekommen sie kein Blatt mehr. Macht jetzt, dass ihr fortkommt! Was einem so Buben doch für Ärger machen!« Er schüttelte den Walter Adorf noch einmal tüchtig hin und her und liess ihn dann laufen. Die Magd machte ihm mit ebenfalls bösem Gesicht das Gartentörchen auf.

Mit roten Köpfen kamen die zwei noch gerade in der Schulstube an, in dem Augenblick, als Herr Schwarzbeck die Geographiestunde beginnen wollte. Eine ganze Stunde lang mussten sie also ihre Geschichte für sich behalten. Nur hin und wieder machten sie gegen ihre Nachbarn ein paar Zeichen mit den Händen und den Augen, was in der Leuenhofer Schulsprache hiess:

»Wartet nur bis zur Pause! Ihr werdet dann hören!«

Dem Hermann Steininger aber warfen sie, sooft er an ihnen vorüber zur Wandtafel schaute, einen ganz bösen Blick zu, worüber Hermann sehr erstaunt war.

In der Pause erzählten dann die beiden. »Du hast einen netten Onkel, Steininger«, schloss Walter Adorf und rieb sich den Oberarm, wo er noch den kräftigen Griff von Herrn Heuerlein spürte. »Wo ich doch nur für die Raupen über den Zaun gestiegen bin!«

»Er ist gar nicht mein rechter Onkel; er ist nur der Vetter von meiner Grossmutter«, verteidigte sich Hermann Steininger. »Und es wäre überhaupt gescheiter gewesen, man hätte es am Abend noch einmal probiert.«

Ja, das fand Herr Schwarzbeck auch, als man ihm die Sache vorbrachte.

»Ihr seid immer solche Hitzköpfe«, sagte er. »Wenn ihr etwas im Kopf habt, so ist kein Platz mehr daneben für Überlegung!«

Im stillen aber nahm er sich vor, später zu Herrn Heuerlein hinaufzugehen, ob er sich nicht erbitten lasse. Doch Herr Heuerlein zeigte sich noch sehr ärgerlich; es war nichts zu machen.

Mit sorgenvollen Gesichtern umstanden die Leuenhofer Kinder am anderen Schulmorgen die Raupen, die selber noch nichts wussten von der Gefahr, die ihnen drohte und wacker drauflos frassen. Für einen Tag reichten die Blätter grad noch, die Arnold Zwickel schon in seine Botanisierbüchse gepackt hatte, als Herr Heuerlein im Garten erschienen war.

Sara Wiebold hatte ein paar Lindenblätter mitgebracht:

»Die sehen fast aus wie die Maulbeerblätter. Die Raupen merken vielleicht den Unterschied nicht.« Sie hielt ihnen die Blätter hin.

Aber die Raupen merkten den Unterschied sehr gut. Sie drehten eigensinnig die Kröpfe weg.

»Haha«, lachte Sara. »Gerade wie unser kleiner Paul, wenn er Griesssuppe essen sollte.«

»Ja, das ist jetzt...



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