Blum | Hinter den Wolken | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Blum Hinter den Wolken


16001. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95818-062-8
Verlag: Ullstein Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-95818-062-8
Verlag: Ullstein Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eigentlich wollte Sina ihrem verkorksten Leben ein Ende setzen. Doch nach ihrem Selbstmord findet sie sich nicht wie geplant im Paradies, sondern in der Schutzengelzentrale wieder. Dort erfährt sie, nur dann ins Paradies 'weitergehen' zu können, wenn sie vorher als Schutzengel tätig wird. Ihr Schützling wird Jan, ein junger Witwer, bei dem Sina so ihre liebe Müh und Not hat, ein unplanmäßiges Ausscheiden aus dem Leben zu verhindern. Als sie versehentlich sichtbar wird, bricht vollends Chaos aus: Nachdem auch der letzte Geisterbeschwörer und Priester erfolglos verschwunden sind, muss Jan Sinas Anwesenheit akzeptieren. Mehr noch, er fühlt sich immer mehr zu ihr hingezogen. Und Sina ist sich plötzlich gar nicht mehr sicher, ob sie wirklich endgültig abtreten will. Aber kann man sich in seinen Schutzengel verlieben? Und gibt es für Sina überhaupt einen Weg zurück ins Leben? Von Daniela Blum sind bei Forever erschienen: Strawberry Icing Weihnachtsflug ins Glück Hinter den Wolken

Daniela Blum, Jahrgang 1981, stammt aus Frechen in Nordrhein-Westfalen. Nach ihrem Abitur verbrachte sie ein Dreivierteljahr als Au-pair in Atlanta, USA, um das Land und die Sprache besser kennenzulernen. Heute lebt sie mit ihrem Mann, ihrem kleinen Sohn und ihrer eigenwilligen Katze Emily in Erftstadt, bei Köln. Daniela Blum schreibt bereits seit ihrer Jugend und hat nach einer längeren Pause 2010 wieder damit begonnen. Ihre Kurzgeschichte 'Erwin der Igel' erschien 2011 in der Anthologie 'Geschichten auf vier Pfoten', ihr erster Roman 'Strawberry Icing' 2014 bei Forever.
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Prolog


Sina öffnete die Haustür und bemerkte als Erstes die beiden riesigen Koffer, die unübersehbar im Flur standen. Irritiert schloss sie die Tür und warf den Schlüssel in die Glasschale auf dem Sideboard links von ihr. Wie seltsam, ein Urlaub war nicht geplant, dachte sie und hängte ihre Jacke auf. Sie zog die Perücke vom Kopf und warf im Spiegel einen Blick auf die beiden Gepäckstücke. Ob Andre sie vielleicht überraschen wollte? Augenblicklich fühlte sie sich schlecht, ihren Ehemann bei den Vorbereitungen ertappt zu haben.

Sina griff nach einem gemusterten Baumwolltuch und wand es geschickt um ihren haarlosen Kopf. Bereits seit Wochen war die Chemotherapie beendet, doch noch immer spürte sie keine neu gewachsenen Stoppeln. Erneut wurde ihr Blick von den Koffern magisch angezogen. Nachdem Sina die Schuhe von den Füßen gestreift hatte, umrundete sie neugierig die Gepäckstücke. Kein Brief oder Zettel war daran befestigt.

»Andre?«, rief sie in die untere Etage hinein. Sie hatte sich schon gewundert, als sie den Wagen ihres Mannes in der Auffahrt entdeckt hatte. Normalerweise war er zu dieser Zeit noch im Büro.

Sie hatten die letzten drei Jahre viel durchgemacht, und eine kleine Auszeit vom Alltag würde ihnen beiden sicherlich guttun. Erneut sah sie zu den beiden Koffern. Heute war ein wirklich guter Tag, der angesichts des ungeplanten Urlaubs zu einem unvergesslichen werden würde. Die Überraschung war ihm definitiv gelungen. Diese Eigenschaft mochte sie an Andre. Diese kleinen Gesten seiner Wertschätzung und Liebe. Ob es nun die Melonen in einem Obstbecher waren, die er für sie herauspickte, weil sie allergisch dagegen war, oder ob er den Latte macchiato nur mit wenig Espresso bestellte, weil sie so viel Kaffee nicht mochte. Oder eben einen Überraschungsurlaub buchte – mit Sicherheit an ein schönes ruhiges und vor allem sonniges Plätzchen. Sina sah sich bereits unter einer Palme am Meer liegen.

»Andre?« Sie verließ das Gäste-WC, in dem sie sich die Hände gewaschen hatte, und machte sich auf die Suche nach ihrem Ehemann. Mit jedem Schritt hob sich ihre Stimmung, und die Freude auf den bevorstehenden Urlaub wuchs. Im Wohnzimmer fand sie ihren Mann mit einem Stift in der Hand auf der Couch sitzend.

»Sina. Was machst du denn schon hier?« Ertappt hob Andre den Kopf. Offenbar war er so in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er sie nicht gehört hatte.

»Die Ärztin musste heute früher weg, da war sie ein bisschen schneller als sonst.« Glücklich setzte sich Sina neben ihn und küsste Andre auf die Lippen. »Tut mir leid, dass ich dir die Überraschung verdorben habe.« Sie deutete mit dem Kopf in Richtung Flur und umarmte ihn anschließend fest. »Ich freue mich riesig.«

Etwas stimmte nicht. Andre umarmte sie zwar, seltsamerweise spürte sie aber kein Gefühl dahinter. Mit gerunzelter Stirn löste sich Sina von ihm. Andre wandte die Augen ab und sah vor sich auf den Couchtisch.

Als Sina seinem Blick folgte, entdeckte sie einen dicken Briefumschlag, auf dem in seiner Handschrift ihr Name geschrieben stand. Mit einem Mal begann ihr Herz laut zu pochen, und sie hielt die Luft an. »Was ist das?«, presste sie tonlos hervor.

Andre nahm den Briefumschlag hoch und drehte ihn zwischen den Händen. »Ich …« Er seufzte.

Sina rutschte ein Stück von ihm weg. Die Koffer waren nicht für einen gemeinsamen Urlaub. »Was ist los, Andre?« Ihre Stimme zitterte, so wie ihr ganzer Körper.

Ihr Mann seufzte erneut und sah sie endlich an. Sein Gesicht war ernst. Eine Maske, die alle seine Emotionen sorgsam verbarg. »Ich möchte die Scheidung.«

Seine Worte waren kalt. Kein Bedauern, keine Reue. Keine Liebe. Er hatte mit der Situation abgeschlossen.

Sie war sich sicher, sich verhört zu haben, und wartete darauf, dass er seine Worte mit einem Lachen als schlechten Scherz abtäte. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen starrte Andre wieder auf den Briefumschlag in seinen Händen. Ich möchte die Scheidung, hallte es in ihren Gedanken wider. Ich möchte die Scheidung. Woher kam dieser Wunsch? Es war doch alles in Ordnung gewesen, oder etwa nicht?

»Was sagst du dazu?«

Sina war außerstande zu sprechen. Was hätte sie auch sagen sollen? Die Wanduhr tickte. Kinderlachen aus dem Garten gegenüber wehte durch das geöffnete Fenster. Die Couch ächzte, als Andre sich bewegte. Sie merkte, wie er sie erneut ansah, doch sie starrte einfach durch ihn hindurch. Sie wollte ihn nicht deutlich sehen. Wollte ihm nicht mehr in die Augen sehen. Ich möchte die Scheidung. Warum? Niemals hätte sie damit gerechnet, diese Worte von Andre zu hören. Sie waren ein tolles Paar, ein unschlagbares Team. Zu jeder Zeit konnte sie sich auf ihn verlassen. Warum jetzt? Warum?

Sina war zu keiner Bewegung fähig. Weshalb hätte sie sich auch rühren sollen? Ihr Leben war vorbei, denn der einzige Mensch, der ihr im Leben geblieben war, hatte sich von ihr abgewendet. Warum? Ihr Blick klebte sich an den großen Keilrahmen oberhalb der Couch. Ein Bild ihrer Hochzeit. Der schönste Tag ihres Lebens. Sie standen vor einem Baum, Andre umschlang sie von hinten, seine Hände ruhten auf Sinas schlanker Taille. Beide strahlten sie in die Kamera. Ein wunderschöner Maitag vor nun fast sechs Jahren. Ihre Pläne waren unendlich gewesen. Sie wollten die Welt bereisen, und nach Andres bestandenem Studium wollten sie sich um ihr gemeinsames Lebensziel Kinder kümmern, dafür hatte sie ihre Profitanzkarriere und ihren Traum einer eigenen Tanzschule aufgegeben.

Sie hatten die Welt bereist, und ein Jahr nach der Hochzeit hatte er sein Studium abgeschlossen. Trotz intensiver Versuche klappte es auch zwei Jahre danach nicht mit der Kinderplanung. Und dann kam die Diagnose: Myome in der Gebärmutter. Aber zu keinem Augenblick hatte sie an Andres Liebe oder Loyalität gezweifelt. Im Gegenteil. Sie hatten zusammengehalten, in guten wie in schweren Tagen. So, wie sie es sich in der kleinen Kirche vor all ihren Freunden und seiner Familie versprochen hatten. Das sollte nun alles vorbei sein? Warum? Was war passiert? Wann war es passiert?

»So sag doch was.« Andre rutschte neben ihr unruhig auf der Couch herum. Ihre unnatürliche Starre und Stille machten ihn nervös.

Ganz langsam drehte Sina den Kopf in seine Richtung. Er sah hinreißend aus. So gut wie am ersten Tag. »Warum?« Sie flüsterte das Wort, zu mehr war ihre Kehle nicht fähig.

Er blieb still. Sina kannte dieses Gesicht in- und auswendig. Er dachte nach, überlegte, wie er das, was er sagen wollte, in Worte fassen konnte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit holte er tief Luft. »Kinder waren immer mein Lebenstraum. Je mehr, desto besser. Ich wollte eine Großfamilie, wie ich sie nie hatte.« Er rieb sich durch das Gesicht, dann seufzte er. Ein entschlossenes Seufzen. Eins von der Sorte, dem Offenheit und schmerzhafte Ehrlichkeit folgen würden. »Ich kann nicht mehr, Sina. Meine Batterien sind leer. Ich dachte immer, ich wäre stark genug für uns beide. Doch das bin ich nicht. Anfangs glaubte ich, meinen Traum vergessen zu können. Du warst mir wichtiger. Deine Gesundheit war mir wichtiger. Aber dann … Ich …« Seine Stimme brach.

Sina war sich nicht sicher, ob sie noch weiter zuhören wollte. Seine Worte schnitten ihr Herz entzwei. Auch sie hatte für ihn auf ihre Träume verzichtet. Auch sie hatte sich immer Kinder gewünscht. Es war auch ihr Lebensziel. Wollte er damit sagen, es wäre ihre Schuld? Sie konnte es ihm nicht mal verübeln. Sina starrte auf ihr Spiegelbild, das in der Glasfront des Wohnzimmerschranks zu sehen war. Wie sie diesen Anblick hasste. Ihren Körper hasste.

»Warum musstest du früher vom Arzt kommen? Ich hatte dir alles aufgeschrieben …« Er lachte kurz emotionslos auf und tippte auf den Umschlag.

Sina folgte seinen Fingern. »Ich will, dass du es mir sagst«, forderte sie, auch wenn sie fürchtete, an seinen Worten zugrunde zu gehen.

Andre atmete tief ein und stieß die Luft anschließend schnell aus. »Ich habe jemanden kennengelernt. Ich wollte es nicht, aber wir haben uns verliebt … und … und … sie bekommt Zwillinge. Von mir.«

Unter Sina brach der Boden weg. Was blieb, war ein riesiges, schwarzes Loch, das sie zu verschlucken drohte. Sie bekommt Zwillinge. Von mir, hallten Andres Worte immer und immer wieder in ihrem Kopf. Wie hatte es so weit kommen können? Wollte sie wissen, wer »sie« war? Wollte sie wissen, warum er sich in sie verliebt hatte? Erneut sah Sina auf die Glasscheibe des Wohnzimmerschranks. Verbiss ihren Blick geradezu in dem baumwollenen Haarersatz auf ihrem Kopf. Nein, sie brauchte nicht zu fragen, sie wusste es. Wusste es nur zu gut. Sie war nicht mehr die Frau, die Andre geheiratet und in die er sich verliebt hatte. Sie würde es nie wieder sein. Gab es eine weibliche Bezeichnung für einen Eunuchen? Konnte sie ihm überhaupt böse sein? Konnte sie ihm sein Handeln verübeln? Jeder war seines eigenen Glückes Schmied. Mit ihr konnte er seinen Lebenswunsch nicht mehr verwirklichen. Aber mit der anderen Frau.

Obwohl er im Begriff war, sie zu verlassen, wurde ihr klar, dass sie ihm nicht böse war. Im Gegenteil: Sie hatte Verständnis für seine Entscheidung. Was war sie nur für ein Mensch? Ihr war Andres Glück wichtiger als ihr eigenes.

Neben ihr ächzte die Couch. Andre stand auf. Unschlüssig blieb er stehen, dann spürte sie seine Hand auf ihrem Kopf. Für einen kurzen Augenblick blieben seine Finger auf ihrem Kopftuch liegen, dann verließ er den Raum. Im Türrahmen drehte er sich noch mal um. Nun endlich konnte sie Bedauern in seinem...


Blum, Daniela
Daniela Blum, Jahrgang 1981, stammt aus Frechen in Nordrhein-Westfalen. Nach ihrem Abitur verbrachte sie ein Dreivierteljahr als Au-pair in Atlanta, USA, um das Land und die Sprache besser kennenzulernen. Heute lebt sie mit ihrem Mann, ihrem kleinen Sohn und ihrer eigenwilligen Katze Emily in Erftstadt, bei Köln. Daniela Blum schreibt bereits seit ihrer Jugend und hat nach einer längeren Pause 2010 wieder damit begonnen. Ihre Kurzgeschichte „Erwin der Igel“ erschien 2011 in der Anthologie „Geschichten auf vier Pfoten“, ihr erster Roman "Strawberry Icing" 2014 bei Forever.



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